Skip to main content

Brian Massumi: Parables for the Virtual. Movement, Affect, Sensation

  • Chapter
  • First Online:
Schlüsselwerke der Emotionssoziologie
  • 5638 Accesses

Zusammenfassung

Brian Massumi hat den Affektbegriff in die von der postmodernen Theorie inspirierten Kultur- und Sozialwissenschaften maßgeblich eingeführt und populär gemacht hat. Er schreibt aber über Affekte, nicht Emotionen. Aus seiner Sicht wäre es deshalb erklärungsbedürftig, seine Arbeit als ein Hauptwerk der Emotionssoziologe einzuführen. Emotionen sind für ihn nur an wenigen Stellen seiner Arbeiten relevant und dienen ihm als zentrale Abgrenzungsfolie, um den eigenen Affektbegriff zu entwickeln. Das ausgewählte Buch ist ein theoretischer Steinbruch, es ist mit Ideen überfrachtet. Ich konzentriere mich im Folgenden darauf, seinen Affektbegriff verständlich zu machen und dessen Beziehung und Verhältnis zum Emotionsbegriff aufzuzeigen. Auf diese Weise erhält der Affektbegriff von Massumi einen Platz in der Emotionssoziologie.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 44.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as EPUB and PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Hardcover Book
USD 59.99
Price excludes VAT (USA)
  • Durable hardcover edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Notes

  1. 1.

    Massumi entwickelt seine Theorie im Verlauf seiner Arbeiten weiter, dabei relativiert er die genannten Effekte von Affekten. Siehe hierzu auch die folgenden Ausführungen.

  2. 2.

    Ich möchte nur eins der Experimente herausstellen, welches für Massumi exemplarisch ist und dessen Schlussfolgerungen so ähnlich auch in den anderen Experimenten zu finden sind. Im Medienexperiment von Sturm wurde neun Jahre alten Versuchsteilnehmer*innen drei verschiedene Versionen eines Films mit einem Mann und seinem Schneemann gezeigt. Der Mann baut im Film einen Schneemann auf seiner Dachterrasse, wo er in der Abendsonne zu schmelzen beginnt. Nachdem er sich das Schmelzen eine Zeitlang angesehen hat, bringt er den Schneemann auf einen Berg, auf dem kalte Temperaturen herrschen. Hier hört der Schneemann auf zu schmelzen. Daraufhin verabschiedet sich der Mann und verlässt den Schneemann. Sturm variiert den Film, erstens indem eine Stimme aus dem Off sachlich die Handlung wiedergibt und zweitens wird die gleiche Stimme aus dem Off durch Wörter ergänzt, die die emotionale Grundhaltung der Szenen wiederspiegeln. Nachdem die Versuchsteilnehmer*innen eine der Versionen gesehen haben, werden sie gefragt, woran sie sich erinnern können und wie angenehm sie den Film empfanden. Auffällig war für die Forscher*innen und ist für Massumi, dass die Kinder diejenigen Szenen am angenehmsten fanden, die sie gleichzeitig als traurigste einordneten; die größte körperliche Erregung ging von der sachlichen Version aus und nicht von dem Film mit der emotionalen Stimme; die sachliche Version wurde gleichzeitig als unangenehmste eingeordnet und an diese konnten sich die Kinder auch am schlechtesten erinnern. Am angenehmsten wurde der ursprüngliche und wortlose Film empfunden, am besten erinnerten sich die Kinder an den Film mit der emotionalen Begleitstimme und den größten Effekt auf ihrer Haut hatte die ursprüngliche Version. Für Massumi sind die Kinder im Experiment »physiologically split« (Massumi 2002: 24), weil die Sachlichkeit ihr Herz schneller schlagen lässt, ihre Atmung intensiviert und der Widerstand ihrer Haut fallen lässt. Daraus schließt Massumi auf eine »autonomic reaction« (ebd.) der Haut. Massumi zeigt anhand dieses Experiments, dass Sturm entgegen ihrer eigenen Intention weniger kognitive Prozesse, sondern intensive oder affektive untersucht hat. Affekte führen zu den beschriebenen Wirkungen und erhalten von Massumi eine Autonomie und Produktivität, weil sie eigenständig die Effekte in den Kindern auslösen, die nicht logisch hergeleitet werden können. Massumi kommt zu dem Schluss der »primacy of the affective in image perception« (ebd.). Dieses Primat zeigt sich im »gap between content and effect« (ebd.). Die körperlichen Effekte der Bilder sind nicht direkt logisch und zwingend verbunden mit dem Inhalt der Bilder, der diese in einen bedeutungsvollen und intersubjektiven Zusammenhang bringt. Die inhaltliche Bedeutung der Bilder fixiert und beschränkt vielmehr ihre affektive Intensität. Anhand dieses Experiments plausibilisiert Massumi die Unterscheidung zwischen einer Dimension der Qualifikation und einer der Intensität. Diese Unterscheidung ist eine ontologische: Die Qualität und Qualifikation wird von Massumi mit der Aktualität von Emotionen und die Intensität mit dem Virtuellen und Affekten verbunden. Beide Dimensionen sind verkörpert, wobei der Intensität eine besondere Bedeutung zukommt: »Intensity is embodied in purely automatic reactions most directly manifested in the skin […]. […] Intensity is […] a nonconscious, never-to-be-conscious automatic remainder. It is outside expectation and adaptation, as disconnected from meaningful sequencing, from narration, as it is from vital function.« (ebd.: 25).

Literatur

  • Adey, Peter (2008): Airports, mobility and the calculative architecture of affective control. In: Geoforum 39 (1): 438–451.

    Google Scholar 

  • Anderson, Ben (2010): Preemption, precaution, preparedness: Anticipatory action and future geographies. In: Progress in Human Geography 34 (6): 777–798.

    Google Scholar 

  • Berlant, Laurent (2011): Cruel Optimism. Durham/London: Duke University Press.

    Google Scholar 

  • Blackman, Lisa (2012): Immaterial Bodies. Affect, Embodiment, Mediation. London [u. a.]: SAGE.

    Google Scholar 

  • Clough, P. T. (2008). The Affective Turn: Political Economy, Biomedia and Bodies. In: Theory, Culture & Society, 25 (1), S. 1–22.

    Google Scholar 

  • Collins, Randall (2004): Interaction Ritual Chains. Princeton: Princeton University Press.

    Google Scholar 

  • Collins, Randall (2012): Schichtung, emotionale Energie und kurzzeitige Emotionen. In: Randall Collins (Hg.): Konflikttheorie. Ausgewählte Schriften. Wiesbaden: VS Verlag, S. 121–156.

    Google Scholar 

  • Deleuze, Gilles (2007): Differenz und Wiederholung. 3. Aufl. Paderborn: Fink.

    Google Scholar 

  • Durkheim, Émile (1998): Die elementaren Formen des religiösen Lebens. 2. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Goffman, Erving (1956): Embarrassment and Social Organization. In: American Journal of Sociology 62 (3): 264–271.

    Google Scholar 

  • Goffman, Erving (1969): Wir alle spielen Theater: Die Selbstdarstellung im Alltag. München: Piper.

    Google Scholar 

  • Grove, Kevin (2014): Agency, Affect, and the immunological Politics of Disaster Resilience. In: Environment and Planning D: Society and Space 32 (2): 240–256.

    Google Scholar 

  • Hochschild, Arlie Russell (2006): Das gekaufte Herz: Die Kommerzialisierung der Gefühle. Frankfurt am Main/New York: Campus.

    Google Scholar 

  • Katz, Jack (1999): How emotions work. Chicago [u. a.]: University of Chicago Press.

    Google Scholar 

  • Kemper, Theodore D. (1978): A social interactional Theory of Emotions. New York [u. a.]: Wiley.

    Google Scholar 

  • Timm Knudsen, Britta/Stage, Carsten (2015): Global Media, Biopolitics and Affect: Politicizing bodily Vulnerability. New York [u. a.]: Routledge.

    Google Scholar 

  • Leys, Ruth (2011). The Turn to Affect: A Critique. In: Critical Inquiry 37 (3): 434–472.

    Google Scholar 

  • Massumi, Brian (1992): A User’s Guide to Capitalism and Schizophrenia: Deviations from Deleuze and Guattari. Cambridge/London: MIT Press.

    Google Scholar 

  • Massumi, Brian (2002): Parables for the Virtual. Movement, Affect, Sensation. 4. Aufl. Durham/London: Duke University Press.

    Google Scholar 

  • Massumi, Brian (2015a): The Politics of Affect. Cambridge/Malden: Polity Press.

    Google Scholar 

  • Massumi, Brian (2015b). Ontopower. War, Powers, and the State of Perception. Durham/London: Duke University Press.

    Google Scholar 

  • Opitz, Sven (2015): Zeitnotstandsgesetze. Affekte und Recht im Antiterrorkrieg. In: Mittelweg 36 (1–2): 156–170.

    Google Scholar 

  • Peters, Christian Helge (2022a): Das Soziale des Affekts. Affektmodulationen zwischen Virtualität und Aktualität – Eine Sozialtheorie der Affekte und Emotionen im Anschluss an Gilles Deleuze und Brian Massumi. Dissertation an der Universität Hamburg (eingereicht Juni 2020, unveröffentlichtes Manuskript).

    Google Scholar 

  • Peters, Christian Helge (2020b): Singularitäten und neue Massen: Die Wiederkehr der Masse in der Affekttheorie und die medialen Bedingungen affektiver Kollektivierungen. In: Zeitschrift für Kultur- und Kollektivwissenschaft (Schwerpunkt: Kollektivität in der Gesellschaft der Singularitäten) 6 (1). (im Erscheinen)

    Google Scholar 

  • Protevi, John (2009): Political Affect. Connecting the Social and the Somatic. Minneapolis/London: University of Minnesota Press.

    Google Scholar 

  • Russell, J. A. (2003). Core Affect and the Psychological Construction of Emotion. In: Psychological Review 110 (1): 145–172.

    Google Scholar 

  • Seyfert, Robert (2019): Beziehungsweisen. Elemente einer relationalen Soziologie. Weilerswist: Velbrück.

    Google Scholar 

  • Skinner, Burrhus F. (1973): Wissenschaft und menschliches Verhalten. München: Kindler.

    Google Scholar 

  • Simmel, Georg (2013): Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung. In: Georg Simmel (Autor): Gesamtausgabe Bd. 11. 7. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Stäheli, Urs (2007a): Poststrukturalismus und Ökonomie: Eine programmatische Skizze der Affektivität ökonomischer Prozesse. In: Caroline Arni (Hg.): Der Eigensinn des Materials. Erkundungen sozialer Wirklichkeit. Basel: Stroemfeld, S. 503–520.

    Google Scholar 

  • Stäheli, Urs (2007b): Von der Herde zur Horde? Zum Verhältnis von Hegemonie- und Affektpolitik. In Martin Nonhoff (Hg.): Diskurs, radikale Demokratie, Hegemonie. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 123–138.

    Google Scholar 

  • Wetherell, Margaret (2012): Affect and Emotion. A new Social Science Understanding. London [u. a.]: SAGE.

    Google Scholar 

  • Wetherell, Margaret (2015): Trends in the Turn to Affect: A Social Psychological Critique. In: Body & Society 21 (2): 139–166.

    Google Scholar 

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Corresponding author

Correspondence to Christian Helge Peters .

Editor information

Editors and Affiliations

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2022 Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature

About this chapter

Check for updates. Verify currency and authenticity via CrossMark

Cite this chapter

Peters, C.H. (2022). Brian Massumi: Parables for the Virtual. Movement, Affect, Sensation. In: Senge, K., Schützeichel, R., Zink, V. (eds) Schlüsselwerke der Emotionssoziologie. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-37869-1_41

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-37869-1_41

  • Published:

  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-658-37868-4

  • Online ISBN: 978-3-658-37869-1

  • eBook Packages: Social Science and Law (German Language)

Publish with us

Policies and ethics