Zusammenfassung
In der Ökonomik werden Armuts- und Ungleichheitsfragen zusammen thematisiert. Zentral sind Fragen zur Entstehung und Persistenz ungleicher Einkommensverteilungen sowie eine Wirkungsanalyse staatlicher umverteilender Eingriffe. Als Folgefrage stellt sich die nach Zielkonflikten oder auch -harmonien zwischen einer effizienten Allokation und einer fairen Verteilung. Die zwischenzeitliche Position zu eindeutigen Zielkonflikten der beiden Größen ist einer Rückbesinnung auf ökonomische Klassiker gewichen. Zielkongruenzen existieren, wenn es systematische Probleme bei der Marktkoordination gibt. In neueren Entwicklungen wird nicht allein die materielle Versorgung untersucht, sondern auch Verhaltens- und Einstellungsveränderungen durch Armut und Ungleichverteilung thematisiert.
Notes
- 1.
Brodbeck (2005) unterscheidet zwischen Definitionen der Armut als Zustand oder als Prozess, Armut als Zustand wird als überwindbar durch arbeitsteilige Produktion und Tausch gesehen. Armut als Prozess entsteht erst im Zuge kapitalistischer Produktion. Beide Sichtweisen kommen zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen bei der Beurteilung von Marktsystemen und der Stabilität von Armut in der Gesellschaft.
- 2.
Smith hatte noch in erster Linie absolute Produktionsvorteile in die Diskussion gebracht. David Ricardo (1817) konnte später überdies in einer Erweiterung zeigen, dass es auf komparative Vorteile ankommt. Selbst wenn eine Person oder ein Land bei allen Produkten Nachteile bei der Herstellung hat, lohnt sich dennoch Arbeitsteilung und Tausch, wenn jede Person oder jedes Land das herstellt, was sie oder es relativ am besten kann. Bei fairem Tausch bringt das materielle Verbesserungen für alle Beteiligte.
- 3.
Das ist die Sprachwahl in der deutschen Übersetzung des Buches von Adam Smith. Heutzutage würde man häufiger von Bäcker*innen und Metzger*innen schreiben.
- 4.
Die Diskussion um die „beste aller denkbaren Welten“ geht auf Leibniz zurück, der diese Frage im Rahmen seiner Monadenlehre und dem Theodizeeproblem diskutierte. Leibniz, einer der großen Universalgelehrten, ist überdies interessant in seinen pädagogischen Überlegungen, wo es ihm ähnlich wie später Smith um die Weckung und Förderung von Entwicklungspotenzialen ging (z. B. Lauter 2000). Das heutige Leibniz-Netzwerk Bildungspotenziale steht in dieser Tradition und sucht auf individueller, institutioneller und gesellschaftlicher Ebene Ansatzpunkte für Konzepte und Reformideen [https://www.leibniz-bildung.de/ (30.08.2022)].
- 5.
„Langfristig kann das Kapital, das den Lohnfonds bildet, sich verändern; dies hängt von den jeweiligen Sparentscheidungen der Kapitalbesitzer in der Vorperiode ab. Zu einem gegebenen Zeitpunkt ist der Lohnfonds aber fest vorgegeben und damit ebenso die Lohnhöhe, denn der durchschnittliche Lohnsatz ergibt sich aus der Division des Lohnfonds durch die Anzahl der insgesamt beschäftigten Arbeiter. Mögliche Veränderungen im Lohnsatz von Periode zu Periode entstehen durch unterschiedliches Wachstum von Lohnfonds relativ zum Arbeitskräfteangebot. Steigen, z. B. aufgrund der Kapitalakkumulation, der Lohnfonds und damit der Arbeitslohn über einige Zeit an, kommt es nachfolgend zu einem raschen Bevölkerungswachstum (Malthus) und einer Erhöhung des Arbeitskräfteangebots. Durch das Überangebot von Arbeitskräften sinkt der Arbeitslohn wieder auf die Höhe des Subsistenzniveaus zurück“ (Krämer 2018, o. S.).
- 6.
Wesentliche Unterschiede, aber auch einige Gemeinsamkeiten bei den Ansätzen von Smith und Marx diskutiert Kraski (2015).
- 7.
Keynes kritisierte vehement das Say’sche Gesetz, wonach sich jedes Angebot seine eigene Nachfrage schafft. Für eine Naturalwirtschaft ist es tautologisch, in einer Geldwirtschaft kann jedoch über den Finanzmarkt der Kreislauf zwischen Sparen und Investitionen unterbrochen werden. Karl Marx kritisierte Say ebenso und ordnete dessen Theorem abwertend einer „Vulgärökonomie“ zu.
- 8.
Eine vollständige Falsifikation der Marx’schen Überlegungen ist nicht möglich, weil man aus empirischen Untersuchungen zur Entwicklung des Kapitalkoeffizienten nicht ohne weiteres eindeutig auf eine Widerlegung des Gesetzes vom tendenziellen Fall der Profitrate schließen kann (Sinn 1975, S. 691).
- 9.
Ein spezielles Problem im Ricardo-Modell entsteht dann, wenn der Lohnfonds pro Arbeiter größer als die Grenzproduktivität der Arbeit ist. Denn dann wäre der Lohnsatz nach der Lohnfondstheorie höher als die Grenzproduktivität der Arbeit. Wenn das aber der Fall ist, lohnt es sich für die Pächter, den Arbeitseinsatz zu reduzieren. Das verringert zwar der Ertrag, die Lohnkostensenkung ist jedoch größer. Deshalb kann der Lohnsatz die Grenzproduktivität der Arbeit nicht übersteigen. Der Lohn determiniert sich also tatsächlich aus dem Minimum aus Lohnfonds- und Grenzproduktivitätszusammenhängen. Das modifiziert die Arbeitsnachfrage. (Schlicht 1976, S. 30).
- 10.
Smith hat nicht unbedingt den Staat als Anbieter der Bildungsdienstleistungen gesehen, aber eine Steuerung des Bildungsbereichs durch den Staat hielt er auch im Rahmen privater Angebote für notwendig.
- 11.
Bei Effizienzlohnproblemen ist das Marktergebnis ineffizient, weil bei dem höheren Gleichgewichtslohn der Arbeitsmarkt nicht geräumt ist, also nicht alle Bewerber*innen zu den höheren Löhnen einen Arbeitsplatz erhalten. Staatliche Eingriffe wie etwa eine Erhöhung der Steuerprogression können sowohl Gerechtigkeitszielen dienen als auch den Arbeitsmarkt funktionsfähiger machen.
- 12.
Zu einem guten, schnellen Überblick vgl. https://www.uni-regensburg.de/assets/wirtschaftswissenschaften/vwl-arnold/folien/kapitalmarkttheorie/skriptkapitalmarkttheorie.pdf [28.6.2022].
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Kubon-Gilke, G. (2023). Armut aus wirtschaftstheoretischer Perspektive. In: Huster, EU., Boeckh, J. (eds) Handbuch Armut und soziale Ausgrenzung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-37808-0_8-1
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