Zusammenfassung
Armenfürsorge ist wesentlich aus dem kommunalen Ehrenamt entstanden. Soziale Arbeit und ihre Handlungsfelder sind immer wieder durch bürgerschaftliche Initiativen weiterentwickelt und oft erst nachträglich professionalisiert worden. Ehrenamt, bürgerschaftliches Engagement und Soziale Arbeit haben also eine gemeinsame Geschichte. Gleichzeitig gibt es eine reflexartige Abwehr der Sozialen Arbeit gegenüber dem bürgerschaftlichen Engagement, begründet in der Befürchtung, das Engagement der ‚Laien‘ würde die fachlichen Standards unterspülen und die ohnehin schon geringe Entlohnung unterbieten. Das Verhältnis von Sozialer Arbeit und Engagement ist spannungsreich, aber unauflösbar; in nahezu allen Handlungsfeldern Sozialer Arbeit sind Freiwillige engagiert. Sie sind heute selbstverständlicher Teil des Welfare-Mix, den Soziale Arbeit managen muss. Insbesondere plötzliche Handlungszwänge wie die notwendige Versorgung von Geflüchteten seit dem Sommer 2015 führen den professionellen Strukturen ihre Grenzen vor Augen und sind ohne die spontane Unterstützung durch Freiwillige nicht zu meistern.
Notes
- 1.
Auch unverheiratete Personen weiblichen Geschlechts durften das Bürgerrecht erlangen; wie viele von ihnen in den verschiedenen deutschen Städten dieses Recht tatsächlich wahrnahmen, ist allerdings nicht systematisch erforscht.
- 2.
Der Freiwilligensurvey ist die größte in Deutschland durchgeführte Studie zum freiwilligen Engagement und erscheint im Fünfjahresrythmus.
- 3.
„Akteur“ meint sowohl Personen als auch Organisationen und ist daher genderneutral zu verstehen.
- 4.
Die Übungsleiterpauschale gestattet seit ihrer letzten Novellierung im Jahr 2021 Einzelpersonen einen jährlichen, steuerfreien Verdienst von bis zu 3000 € in gemeinnützigen Einrichtungen. Zuletzt war die Übungsleiterpauschale 2013 auf 2400 € angehoben worden. Die Ehrenamtspauschale gestattet außerdem einen steuerfreien Verdienst von 840 € im Jahr.
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Vandamme, R. (2023). Bürgerschaftliches Engagement und Teilhabe. In: Huster, EU., Boeckh, J. (eds) Handbuch Armut und soziale Ausgrenzung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-37808-0_38-1
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