Zusammenfassung
Die Corona-Krise kann, bei aller Not und Sorge, auch neue Formen des politischen Bewusstseins und des sozialen Handelns befördern. Dafür spricht, dass man gegen die „Alternativlosigkeit“ der vergangenen Jahre plötzlich wieder in Alternativen denken und handeln kann. Zeiten der Ungewissheit sind zugleich eine Chance, dass Menschen ihr Tun kritisch reflektieren und wachsam gegenüber den Grundannahmen ihrer Gesellschaftsordnung werden. Was also geht und was nicht? Der Beitrag greift diese saloppe Frage auf, indem er Bedingungen und Möglichkeiten der sozialen Handlungsfähigkeit auf individueller wie kollektiver Ebene diskutiert und Implikationen für die sozioökonomische Bildung aufzeigt.
Abstract
The Corona crisis, despite all its distress and concern, can also promote new forms of political consciousness and social action. This is supported by the experience that thinking and acting in alternatives against the “lack of alternatives” in the last decades has suddenly become possible again. Particularly, times of uncertainty can be an opportunity for people to critically reflect on their actions and become alert to the basic assumptions of their social order. So, what is possible and what is not? This paper takes up this casual question by discussing conditions and possibilities of social agency on an individual and collective level and by pointing out implications for socio-economic education.
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Notes
- 1.
Vgl. die für die ökonomische Soziologie klassische Unterscheidung von Max Weber (1980 [1922]), wonach soziales Handeln als ein Verhalten definiert ist, das Akteure mit Bedeutung versehen und das auf andere Akteure gerichtet ist. Ökonomisches Handeln ist dabei eine besondere Form des sozialen Handelns, angetrieben durch das Ziel der Nützlichkeit.
- 2.
Der Politologe Herfried Münkler (2020, S. 307) spricht im geopolitischen Kontext von „autarkiefähigen Räumen“, die nicht mit Nationalstaaten identisch sein müssen.
- 3.
Der Philosoph Peter Sloterdijk (2020) hat diese ambivalente Seite des neuen Miteinanders durch ein „heikles, leicht unheimliches Gegenseitigkeitsbewusstsein“ charakterisiert. Dabei erscheine der Mitmensch wie ein Umkehrbild des Vampirs – „er saugt nicht ab, er flößt etwas ein: Der Nächste könnte unbewusst ein Virenträger sein.“
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Vötsch, M. (2022). Was geht und was nicht!? Ein Essay zur Handlungsfähigkeit in Krisenzeiten – und warum es dafür sozioökonomische Bildung braucht. In: Schröder, LM., Hantke, H., Steffestun, T., Hedtke, R. (eds) In Krisen aus Krisen lernen. Sozioökonomische Bildung und Wissenschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-37780-9_3
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