Schlüsselworter

1 Einleitung

Frauenrechte und Gleichstellung haben international eine bewegte Geschichte erlebt, in der Fortschritte und Rückschritte eng beieinander liegen. Einerseits kam es in diesem Politikbereich in den vergangenen Jahrzehnten zu einem wachsenden Problembewusstsein und zur Entwicklung von Rechtsnormen und Initiativen auf internationaler Ebene – etwa der Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau von 1979 (Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women, CEDAW), der auf der letzten Weltfrauenkonferenz von 1995 verabschiedeten Pekinger Deklaration und Aktionsplattform oder dem Sustainable Development Goal 5 der Agenda 2030 („Gleichstellung der Geschlechter und Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen“). Andererseits sind Frauen und Mädchen in vielen Staaten nach wie vor sexualisierter Gewalt, Benachteiligungen beim Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung und Einschränkungen in der politischen Partizipation ausgesetzt. Besonders dramatisch zeigt sich die Fragilität von Frauenrechten und Gleichstellung derzeit in Afghanistan.

Der vorliegende Beitrag ist eine kritische Analyse und Bewertung von österreichischer Gender-Gleichstellungspolitik im internationalen KontextFootnote 1, einer möglichen „Frauen-Außenpolitik“, von der Einrichtung zuständiger Stellen im österreichischen Außenministerium bis hin zu konkreten Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit (EZA). Er geht also der Frage nach, wie sich Österreich im Laufe der Zweiten Republik im Bereich der internationalen Frauen- und Gleichstellungspolitik engagiert hat. Der Beitrag zeigt, dass Frauenrechte in der österreichischen Außenpolitik schon früh eine feste Rolle eingenommen haben. Die erste österreichische Frauenministerin Johanna Dohnal (SPÖ) und spätere Regierungsmitglieder, die mit Gleichstellungspolitik betraut waren, haben Task Forces ins Leben gerufen wie etwa gegen Menschenhandel in den Ländern des West-Balkans, insbesondere im Kosovo, und sind mutig gegen diskriminierende Codices vorgegangen. In den späten 1990er und ab Mitte der 2000er Jahre können Höhepunkte im österreichischen Engagement für Gleichstellungspolitik verzeichnet werden. Internationale Frauenpolitik ist anerkannte Priorität der Außenministerinnen Benita Ferrero-Waldner (ÖVP, 2000–2004) und Ursula Plassnik (ÖVP, 2004–2008). Impulse gesetzt hat 2017 auch Bundesministerin Karin Kneissl (parteilos), indem sie das Profil der österreichischen Entwicklungspolitik maßgeblich in Richtung eines Gender-Schwerpunkts festigte und einen Fokus auf die Bekämpfung von weiblicher Genitalverstümmelung (FGM) legte (BMEIA 2019a).

Der Beitrag behandelt das Thema der österreichischen Frauen- und Gleichstellungspolitik in vier Schritten. In einem ersten Schritt führt er die Leser*innen an den Politikbereich der Frauenrechte/-politik heran. In einem zweiten Schritt wird auf die Praxis der Gleichstellung in der österreichischen Außenpolitik eingegangen. Der dritte Schritt ist eine Darstellung der Fokuspunkte und konkreten Initiativen Österreichs in diesem Politikbereich. Den vierten und letzten Schritt bildet schließlich eine Zusammenfassung und kritische Bewertung.

2 Frauenrechte als Politikbereich

Abgesteckt durch die Internationale Frauenrechtekonvention (CEDAWFootnote 2) und deren Zusatzprotokolle sowie einer Reihe von UN-Generalversammlungs- und Sicherheitsratsresolutionen umfasst das Politikfeld tatsächlich alle Bereiche des privaten wie öffentlichen Lebens und fordert Staat und Gesellschaft gleichermaßen heraus – von der sozialen, arbeitsrechtlichen, wirtschaftlichen Stellung der Frau bis zu ihrem freien politischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Engagement. Die Geschichte lehrt, dass gleichstellungspolitische Anliegen in einer harten Auseinandersetzung erfochten werden müssen (Ziegerhofer in Fischer 2016, 187–195). Ein Beispiel mit internationaler Ausstrahlung, das Gewaltschutzgesetz (Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie), hat Österreich 1997 etwa zum europäischen Vorreiter in der Wahrnehmung normativer Schutzverantwortung gemacht.

Gleichstellungspolitik als junges Politikfeld im internationalen Kontext ist ein staatliches Steuerungsinstrument mit gesellschaftstransformativem Anspruch. Je nachdem, wie diese Rolle angelegt wird, sind daran massive Eingriffe in die Freiheiten im politischen Leben, aber auch der Privatsphäre geknüpft. In demokratischen Gefügen unterliegen diese „Eingriffe“ aber auch umgekehrt der allgemeinen Rechenschaftspflicht, wie sie bei breitenwirksamen Themen wie der Gleichstellungspolitik in der Medienlandschaft und in Stakeholder-Kreisen stets präsent ist. Ganz anders stellt sich die Problematik in Entwicklungsländern dar. Hier müssen Anerkennung und Grundfesten einer menschenwürdigen Existenz als Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben oft erst geschaffen werden. Gewaltschutz und Achtung der sexuellen und reproduktiven Rechte stehen im Vordergrund, aber auch sozio-ökonomische Ermächtigung, Zugang zu Bildung, eine Stimme in der Gesellschaft zu haben, Kampf gegen „Digital Illiteracy“ und die eminent wichtige Rolle von Frauen in Friedensprozessen.

Diese Bandbreite zeigt, wie groß die Palette gleichstellungspolitischer Arbeitsfelder in allen Politikbereichen ist (ADA 2020). Wie im Aktionsplan III der Europäischen Union (EU) (Vertretung in Deutschland 2020) – ein Paradebeispiel des nachhaltig aktiven Engagements Österreichs für moderne Gleichstellungspolitik in Entwicklungsländern auf EU-Ebene – ausgedrückt, sind damit politische, institutionelle und kulturelle Änderungen und Innovation angesprochen. Ihre vollständige Wirkungsmächtigkeit kann Gleichstellungspolitik nur in einem offenen Diskurs um die Zukunft der Gesellschaft entfalten (de Weck 2020, 125–128).

Nicht nur die Entwicklungen in Afghanistan machen jedoch klar, dass es unterschiedliche Auffassungen und kulturelle Vorstellungen der Reichweite und Interpretation von Frauenrechten gibt. Die rote Linie liegt dabei völkerrechtlich immer bei jener Interpretation von Selbstbestimmung, die ein gleichberechtigtes und partnerschaftliches Zusammenleben der Geschlechter (m/w/d) leitet. Selbstbestimmung im Sinn von Empowerment, Mitbestimmung im öffentlichen Leben, Bildung einschließlich des Zugangs zu Universitäten, Meinungsfreiheit, Land- und Erbrechte gehören zum Kern der menschenrechtsbasierten Materie. Die Stellung der Frau ist integraler Teil der Menschenrechte. Frauenrechte charakterisieren menschliche Würde (UN Women 2016, 2018).

Nun wächst, wie Anne Marie Goetz und Rob Jenkins 2019 feststellen, gerade auch die Außenpolitik erst langsam aus einer vormals männerdominierten Materie heraus (Goetz und Jenkins 2019): Vertreterinnen der Feminist Foreign Policy (Thomson 2020, 424), unabhängige Forscherinnen von akademischen Netzwerken oder herausragende Persönlichkeiten aus der Praxis, Friedensverhandlerinnen und Politikerinnen, weibliche Staatsoberhäupter und Premierministerinnen wie die ehemalige liberische Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf oder aktuell in Finnland, Estland, Litauen oder im Kosovo in einer Zeit des Umbruchs geopolitischer Konstellationen haben das Bild aufgefächert – sie alle stehen heute in „staatsmännischen“ Aufgaben ihre Frau.

Was für alle Politikbereiche gilt, gilt für Frauenpolitik ganz besonders: Politischer Wille unterstützt die vielen wertvollen Bottom-up-Bewegungen. Aber wie sieht die Bilanz dieses Einsatzes vor Ort aus, im Bewusstsein der Europäer*innen, in Entwicklungsländern, in nationalen Gleichstellungs-Gesetzgebungen und auf lokaler Ebene? Afghanistan 2021 hat diese Frage mit Vehemenz neu und intensiviert aufgeworfen.

3 Gelebte Gleichstellungspolitik in und aus Österreich

Jeder feministische Diskurs ist ein Machtdiskurs. Gleichstellungspolitik hat in allen Nationen die Funktion eines beredten Spiegels, an dem sich der Zustand einer Gesellschaft sehr gut ausmachen lässt. Sie ist, um es auf den Punkt zu bringen, ein gesellschaftspolitischer Gradmesser für Kohäsion, friedlichen Interessenausgleich, gelebten Wertekodex, ein Abbild des sozialen Miteinanders. Und damit Machtpolitik. So auch in Österreich.

Dazu einige Beispiele: Eine der wie erwähnt männerdominierten „Hochburgen“ ist der hier relevante friedens- und sicherheitspolitische Diskurs, das staatliche Auslandsengagement und Verteidigungsdoktrinen – auch angesichts einer amtierenden Verteidigungsministerin. Und bis 2005 trifft dies sogar auf den Cercle des Völkerrechts in Österreich zu. Erst danach konnte dieser Trend, der immer noch prägend für den ganzen deutschen Sprachraum ist und durch nur wenige große Ausnahmen wie Anne Peters eine tief greifende „En-Genderung“ erfahren hat, durch die Gründung der bis heute aktiven ersten „Gesellschaft österreichischer Völkerrechtlerinnen“ entschärft werden. Im Außenministerium wurde am 1. September 2021 ein Kreis erfahrener Diplomatinnen ins Leben gerufen, deren erste Vortragende Botschafterin Hannah Liko in ihrer Funktion als Leiterin der Österreichischen Botschaft in Tel Aviv war. Im Lehrgang Global Advancement Programme des Akademischen Forums für Außenpolitik, der bevorzugt von weiblichen Studierenden besucht wird, finden sich jedes Semester Essays zum Thema Gender-Gleichberechtigung und zur Rolle von Frauen in der Diplomatie – zum Beispiel „Das Lebensmodell der Diplomatin“ von Helena Hierzer (2020/21) oder „Geschichte der weiblichen Diplomatie“ von Elif Güneruz (2020/21). Eine weitere bahnbrechende Initiative ist der „Her Disabilities Award“, der jährlich an hervorragende, in ihrem beruflichen Engagement und ihrer Lebensauffassung beispielgebende Frauen mit Behinderungen vergeben wird, wie die Frau des Bundespräsidenten Doris Schmidauer lobend anerkenntFootnote 3 – das macht eine Gesellschaft lebendig.

Gegenüber diesen überwiegend zivilgesellschaftlich getriebenen Aktivitäten ist auch die offizielle österreichische Außenpolitik gefragt, indem sie Innenpolitik bewusst mit internationalen Standards konfrontiert, Kommunikationskanäle für eine Gender-sensitive Auseinandersetzung mit Themen des öffentlichen und privaten Lebens öffnet und in aller Welt Initiativen für eine menschenrechtsbasierte Begegnung auf Grundlage gegenseitiger Wertschätzung setzt. Die österreichische Außenpolitik hat sich dieser sensiblen Frage im Verlauf der Geschichte der Zweiten Republik erfolgreich gestellt und wesentlich zu Agenda- und Standardsetting im internationalen Bereich beigetragen.

Die Bezeichnung für die Art der Steuerung der Politikmaterie als „semi-zivilgesellschaftlich“ durch einzelne Abgeordnete zum NationalratFootnote 4, aber auch Think Tanks wie dem Kreisky-Forum, AIES oder oiip (Steinmeier 2016, Kap. 6) liegt daher nahe. Die Analyse versteht sich daher auch als Beitrag zur Gestaltung österreichischer Außenpolitik in Form eines „Inclusive Governance“ Modells (Werther-Pietsch und Brunner 2020, 3–4) – einem Zusammenwirken von praxisorientierter Forschung, Zukunftslabs der Universitäten, dem öffentlichen Diskurs und sozialen Medien für einen transparenten, evidenzbasierten Aushandlungsprozess von Politik. Um dem Entstehen normativer Lücken und Ungleichheit systemisch entgegenzuwirken, kann multilaterales Systemdenken aus der internationalen Ideengeschichte herangezogen und eine informierte, integrierte und aktive Gleichstellungspolitik zu einem neuen Gleichgewicht von Gesellschaft, Politik und Wissenschaft auf den Weg gebracht werden (Werther-Pietsch 2021, 17–21).

4 Fokus-Bereiche der Österreichischen „Frauen-Außenpolitik“

Ein Überblick über die konkreten Tätigkeiten österreichischer Diplomatie mit Schwerpunkt auf die letzten Dekaden lässt eine Einordnung der Gleichstellungspolitik in das außenpolitische Profil Österreichs zu und eröffnet eine datenbasierte Grundlage für die abschließende Bewertung. In diesem Abschnitt soll die Agenda Österreichs in der „Frauen-Außenpolitik“ vor dem Hintergrund internationaler Einflussfaktoren aufgearbeitet werden. Dazu wurde eine synoptische Darstellung gewählt, die zunächst die normativen Entwicklungen in einen ideengeschichtlichen Rahmen einbettet und die wichtigsten völkerrechtlichen Instrumente benennt. Dem werden österreichische Prioritätensetzungen und Maßnahmen in der jeweiligen Implementierungsphase gegenübergestellt. Tab. 1 zeigt im Ergebnis das Gender-spezifische außenpolitische Engagement Österreichs in Verbindung mit maßgeblichen internationalen gleichstellungspolitischen Trends auf und gibt eine Orientierung für die folgende chronologische Untersuchung.

Tab. 1 Synopse der Initiativen und Einschlussfaktoren auf nationaler und internationaler Ebene

Über die einzelnen Phasen des Engagements konnten vier Fokus-Bereiche identifiziert werden. Diese allgemeine Charakterisierung, die die Leitprinzipien Partizipation, integrierten Ansatz, Fragilität und Nachhaltigkeit umfasst, zieht sich durchgängig durch alle Maßnahmen und Aktivitäten hindurch. Eine kurze Beschreibung entwirft jenes Bild, das Österreich bei seinen Partnern, zum Beispiel im Gender-Net der OECD, in der internationalen Gleichstellungspolitik auszeichnet.

Als internationales Entwicklungsmandat finden sich Gender-Gleichstellung und Empowerment im Sinn von partizipativen Ansätzen in den Sustainable Development Goals (SDG) 5 und 16 wieder. „Meaningful Participation“ als Leitbegriff für wirksame Frauenbeteiligungsmodelle, wie die Expertin des Geneva Graduate Center, Thania Paffenholz, in einer gemeinsamen Studie für UN Women mit vielen Beispielen dokumentiert hat (Paffenholz 2021), zieht sich auch als Schwerpunkt durch die österreichische Positionierung. So steht etwa das Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik im Einklang mit dieser Ausrichtung.

Wie bereits angesprochen, haben weiters Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in der Gleichstellungspolitik immer wieder die Nase vorn. Hingewiesen werden darf zum Beispiel auf die Arbeiten des Think Tank „Foreign Policy Kitchen“ oder auf das „Gender Equality Framework“ 2018 von Care. Dies macht eine holistische Betrachtung, das heißt ein Einblenden der Leistungen nicht-staatlicher Akteure in das Gesamtbild österreichischer Politikbemühungen im Bereich Gleichstellungspolitik erforderlich. Dieser gesamtstaatliche Ansatz ist, was die Ressorts angeht, weitgehend im Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung von Sicherheitsratsresolution 1325/2000 vom 8. August 2007 und Folgepläne abgebildet. Was allerdings österreichweit fehlt, ist die umfassende Darstellung des zivilgesellschaftlichen Engagements.

Die Beschäftigung mit fragilen Situationen und Friedensforschung hat in den letzten 10 Jahren jene Daten hervorgebracht, die so dringend benötigt werden, um in der Öffentlichkeit den so wichtigen evidenzbasierten Diskurs führen zu können (Hess-Sargsyan und Möller-Loswick 2021). Wie etwa, dass Friedensabkommen bis zu 15 Jahren länger halten, wenn Frauen am Verhandlungstisch sitzen. Laurel Stone konnte zudem nachweisen, dass die Erfolgsrate für einen formellen Friedenabschluss dabei um 36 % steigt (O’Reilly et al. 2015, 12). 1990 beteiligten sich 10 % Frauen an Friedensübereinkommen, diese Zahl hat sich bis 2013 auf 45 % erhöht. Dennoch sind nur 13 % der aktiv verhandelnden Personen weiblich, davon 6 % Mediator*innen und 6 % Unterzeichnende (Untersuchungszeitraum ab 1992) (Paffenholz et al. 2015, 24). Die PAX-Friedensdatenbank der Edinburgh Law School mit mehr als 1000 Friedensverträgen im Volltext eröffnet weitere Ansatzpunkte, die erforscht werden könnten, wie die Frage der Wirksamkeitssteigerung von Gender-relevanten Bestimmungen in Friedensprozessen, wenn diese in Verfassungsrang stehen. Österreich hat die Förderung der Rolle der Frauen in Friedensprozessen in einem eigenen Handlungsfeld im Strategischen Leitfaden Sicherheit und Entwicklung vom 4. Oktober 2011 im Sinn des „3C Ansatzes“ (3C, engl. koordiniert, komplementär und kohärent Handeln in fragilen Situationen) zur Aktionslinie gemacht.

Und schließlich ist keine Maßnahme zur Frauenförderung nachhaltig, wenn sie nicht an der Wurzel von Ungleichheit und Diskriminierung anpackt. So sind Armutsbekämpfung, Schaffung von Arbeitsplätzen, Friedenskonsolidierung, Stärkung von sozialer Kohäsion zu einem großen Teil „weiblich“, um wirksam zu sein. Die Gleichstellung der Geschlechter ist wesentliche Voraussetzung für wirtschaftliche, soziale und nachhaltige Entwicklung. Mit dem 2015 verabschiedeten EU-Gender Action Plan II ist das Thema ein wichtiger Pfeiler der europäischen Außenpolitik geworden. Die OEZA Gender-Policy (Dezember 2017) legt die Eckpunkte für die Umsetzung in der internationalen Kooperation Österreichs fest. Die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit (OEZA) verfolgt dazu den bewährten entwicklungspolitischen Twin-track Approach, der gezielte Projekte mit Gender-Mainstreaming kombiniert, ergänzt durch einen begleitenden politischen Dialog. Ein Beispiel für gleichstellungspolitische Vorgaben ist der folgende Abschnitt aus dem Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik 2019–2021:

„Wir setzen uns in unserer bilateralen und multilateralen Zusammenarbeit vor allem für die Förderung von Frauen in folgenden Bereichen ein:

Frauen und Gesellschaft:

  • Abbau geschlechtsspezifischer Diskriminierung und Ungleichheit

  • systematische Verankerung von Frauenrechten und Gleichstellungsthemen im bi- und multilateralen sowie Geber-gemeinsamen entwicklungspolitischen Dialog

Frauen und Gesundheit:

  • Kampf gegen sexuell- und genderbasierte Gewalt sowie weibliche Genitalverstümmelung (Female Genitale Mutilation), besonders in Krisengebieten und fragilen Staaten

  • Maßnahmen der Familienplanung zur Verwirklichung von Selbstbestimmung

Frauen in bewaffneten Konflikten:

Maßnahmen zur Umsetzung VN-Sicherheitsratsresolution 1325 und Folgeresolutionen:

  • Schutz von Frauen in allen Phasen der Konfliktbewältigung

  • besondere Bedürfnisse von Frauen bei Flucht und Migration

  • besondere Rolle und Teilnahme von Frauen in Friedensprozessen

Wirtschaftliche Ermächtigung von Frauen:

  • effizientes Gender-Budgeting auf nationaler, regionaler und Gemeindeebene

  • gleicher Zugang zu menschenwürdiger Arbeit und Sozialschutz, wirtschaftliche Ressourcen und Finanzdienstleistungen sowie Schaffung von Anreizen für Gleichstellungsmaßnahmen in Kooperation mit dem Privatsektor

Frauen und Bildung:

  • (Duale) Berufsbildung für weibliche Lehrlinge

  • Ausbildung im tertiären Bildungsbereich und politische Bildung

Frauen und Mitsprache im öffentlichen Leben:

  • Stärkung der Beteiligung von Frauen an Entscheidungsfindungsprozessen

  • Unterstützung und Miteinbeziehung von Frauenrechtsorganisationen.“

Nur durch die Förderung von Frauen und die Verwirklichung von Gleichberechtigung für alle können inklusive Gesellschaften gebildet und unterstützt werden.

Neue Gender-bezogene Themen, für die sich Österreich in der Frauenstatuskommission (Commission on the Status of Women, CSW) 2021 bis 2025 verstärkt engagieren will, umfassenFootnote 5: 1) Frauen und Energie, 2) Frauen und Umwelt, 3) Umsetzung von „No women no peace“ – der Gender-Anteil in Friedensmissionen soll gesteigert werden, was auch mit den zur Verfügung stehenden Ausbildungsmöglichkeiten zusammenhängt (Smit 2020, 12)Footnote 6 – und 4) Frauen und die Auswirkungen der Covid-19 Pandemie am Arbeitsmarkt, im Besonderen betreffend die Formalisierung von Arbeit gemäß 2015 ILO Recommendation 204 für unbezahlte Pflegearbeit.

All diese Aktivitäten erfordern ausreichend Personalkapazitäten. Darüber hinaus zeigt der Ausweis des Personalstands des Außenministeriums nach Geschlechtern im höheren Dienst eine kontinuierliche Steigerung von etwa 23,9 % im Jahr 2000 auf 41 % im Jahr 2018 auf, mit einem Plateau ab 2007 von ca. 30 bis 33 %. Eine gezielte international ausgerichtete Personalpolitik fehlt zwar, aber Besetzungen von Posten wie die Assistenz der Generaldirektorin von UN Women in New York mit einer ausgewiesenen österreichischen Gender-Expertin, die aus dem BMLV stammt (Scheiblhofer 2019, 118–135), sind ein sporadisches Asset.

5 Konkrete Initiativen der Österreichischen „Frauen-Außenpolitik“ – eine chronologische Analyse

Ratifikationsprofil und Engagement im Agenda-Setting sind in der Frage, wie schlagkräftig Österreich beim Einbringen seiner frauenpolitischen Positionen ist, aussagekräftig. In den genannten vier Fokus-Bereichen konnte Österreich wiederholt eine beispielhafte Rolle spielen – sei es im Aufgreifen von Gender-Budgeting, der Beachtung multipler Behinderungen in fragilen Kontexten, Politiklinien wie Lokalisierung, „Meaningful Participation“ oder Schaffung eines „Civic Space“ im Bereich von Mediation und Demokratisierung durch einen menschenrechtsbasierten Ansatz. Wenn zusammenfassend mit Blick auf die Bewertung des frauenpolitischen Engagements etwas festgehalten werden kann, so liegt dies im hohen Menschenrechtsprofil der österreichischen Außenpolitik verankert, das schon von Pionieren wie Felix Ermacora (ÖVP) oder Manfred Nowak mit globaler Reichweite aufgebaut wurde. Daran mit Gender-spezifischen Anliegen anzuschließen, heißt wohl mehr als nur eine Nische zu besetzen, um im Schwerpunkt Vieler auch die Lead-Stellung „prima inter pares“ einnehmen zu können.

5.1 Wellenförmiges Muster

Eine Durchforstung der Außen- und Europapolitischen Berichte des österreichischen Außenministeriums zeigt dennoch eine wechselnde Leistungskurve. Ab der Jahrtausendwende scheinen die Bemühungen um „Frauenfragen“ regelmäßig in drei Kapiteln auf: Internationale Frauenfragen, internationaler Schutz der Menschenrechte und EZA. Die folgende Analyse belegt die Hypothese eines wellenförmigen Musters dieses Engagements in chronologischer Weise, um so Parallelentwicklungen übersichtlicher darstellen zu können. Konstante in Stellenwert und Substanz bildet dabei die österreichische Entwicklungspolitik, die schon früh Gender-spezifische Policydokumente, Handlungsanleitungen, Mainstreaming und Projektarbeit als „Querschnittsmaterie“ aufweist. Wenig überraschend ist im Geltungszeitraum der Regierungsübereinkommen 2006–2008, 2008–2013 und 2012–2018, auch in Verbindung mit der Schaffung eines Gleichstellungsministeriums in Österreich, eine erhöhte Aktivität festzustellen.

5.2 Frauenpolitische Expertise im Aufbau

Politisch gesehen ist das Jahr 2000 mit der Sondergeneralversammlung der UNO „Frauen 2000: Gleichstellung, Friede und Entwicklung für das 21. Jahrhundert“ („Bejing plus 5“) als Folgekonferenz zur 4. Weltfrauenkonferenz ein „Game-Changer“. Auch wenn die Ergebnisse der Konferenz mit 10.0000 Delegierten und NGO-Vertreter*innen aufgrund bremsender Positionen fundamentalistisch-konservativer Staaten hinter den Erwartungen zurückblieb (APB 2000, 195), engagierte sich Österreich, das durch fähige Diplomatinnen bei der Welt-Frauenkonferenz 1995 an führender Stelle mitverhandelt hatteFootnote 7, mit Erfolg für die „Areas of Concern“. So ratifizierte Österreich im September 2000 das Fakultativprotokoll zur UNO-Frauenrechtskonvention: Mit der Einrichtung eines Individualbeschwerdeverfahrens und eines investigativen Verfahrens vor Ort („Field Missions“) im Fall schwerer und systematischer Verletzung der Konvention durch Vertragsstaaten kommt diesem Menschenrechtsinstrument kritische Bedeutung zu.

Daneben wurden legistische Maßnahmen wie die Aufhebung des österreichischen Vorbehalts zu Art. III und Art. 7 lit. b CEDAW aufgrund Änderung der nationalen Gesetzgebung (Inkrafttreten des Frauenausbildungsgesetzes) und die Erweiterung des Tagungsrahmens und damit einer effizienteren Arbeitsmöglichkeit des CEDAW-Komitees gem. geändertem Art. 20 Abs. 1 CEDAW durchgeführt. Dieser normative Rahmen ist in Österreich bis heute geltendes Recht.

In der Folge wurden im UNO-Rahmen durch die Formation weiblicher Außenministerinnen in der UNO-Generalversammlung Akzente gesetzt, wie die „Erklärung zu Frauen und menschlicher Sicherheit“ auf Initiative von Außenministerin Benita Ferrero-Waldner (ÖVP) in der Generalversammlung 2001 nach den Terroranschlägen von „9–11“, die eine Einbindung von Frauen in staatlichen Wiederaufbau und Demokratieprozesse forderte. Die Mitwirkung an der internationalen Reaktion bis zum Europäischen Rat am 15./16. März 2002 (Europäischer Rat 2002, § 70) auf die Entscheidung eines Sharia-Gerichts im Fall Amina Lawal in Nigeria fällt ebenso in diese Periode starken und sichtbar wahrgenommenen Engagements für Frauen in der österreichischen Außenpolitik.

So wurde im Bereich menschliche Dimension der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) die frühere Bundesministerin für Frauenangelegenheiten Helga Konrad (SPÖ) von der amtierenden OSZE-Vorsitzenden zur Regionalkoordinatorin des Büros für internationale Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) gegen Menschenhandel in Südosteuropa und Vorsitzenden der Task Force Menschenhandel des Stabilitätspakts bestellt. Diese Funktion wurde begleitet und operativ unterstützt von Maßnahmen der OEZA zur Errichtung von „Frauenhäusern“ im Kosovo (2003).

In dieser Phase gewinnt Österreich, besonders durch seine Mitgliedschaft und Vorsitzführung im Human Security Network (HSN), zunehmend Profil im Bereich Kampf gegen Gewalt gegen Frauen, die Unterstützung von Frauen in Konfliktregionen, in Friedensprozessen und die kultursensitive Rolle von Frauen. Dazu gehört zum Beispiel die Mitwirkung in der HSN-Netzwerkstrategie zur Umsetzung der Empfehlungen des UNO Generalsekretärs zur Women Peace and Security (WPS) Agenda 2003 oder die Teilnahme am Frauentheaterfestival in Tornio/Finnland vom 5.–8. Juni 2003. In den Folgejahren rückt die Thematik HIV/AIDS und der Aspekt von reproduktiver Gesundheit stärker in den Vordergrund. Österreich setzt sich etwa in der CSW 2004 für afghanische Frauen und Gender-Mainstreaming als Methode ein. Dem folgen 2005 OEZA Leitlinien zur „Gleichberechtigung und Empowerment von Frauen“. Eine erste Sensibilisierung von Maßnahmen der humanitären Hilfe findet statt, freilich noch ohne die Festlegung systematisch-strategischer Kriterien und deren Umsetzungs-Koeffizienten – ein Ansatz, der in Grundzügen erst in die Humanitäre Strategie 2021Footnote 8 einfließt.

Die Jahre ab 2006 sind geprägt von einer Vertiefung dieses Engagements im EU-Rahmen. Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) wird unter dem Titel „Integration von Menschenrechten in die europäische Sicherheits-und Verteidigungspolitik“ sukzessive Gender-gerecht verbessert. Dies betrifft Berater*innen in Missionen gleichermaßen wie die Nominierung und Entsendung weiblichen Personals seitens der Streitkräfte. Bei der „UN Peacekeeping Ministerial Conference“ vom 29./30. März 2019, also mehr als 10 Jahre später, ist allerdings immer noch ein klares Auseinanderklaffen von politischen Äußerungen und tatsächlichen Zahlen wahrzunehmen. Hier spielt fehlendes politisches Backing für die vielfach mühsamen Anstrengungen auf Arbeitsebene eine zentrale Rolle. Wichtig erscheint die Initiative von Bundesministerin (BM) Rauch-Kallat (ÖVP), keine Toleranz für traditionsbedingte Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu unterstützen. Dieser Punkt wird von Außenministerin Karin Kneissl (parteilos) 2018/2019 wieder aufgenommen und führt wie dargestellt im Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik zu einem Gender-politischen Schwerpunkt (vgl. Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

„Gleichberechtigung und Förderung von Frauen“ – Maßnahmenkatalog (Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik 2019–2021) (BMEIA 2019b)

5.3 Höhepunkt Nationaler Aktionsplan 1325

Bis Ende 2020 haben 89 Staaten weltweit Nationale Aktionspläne (NAPs) zur Umsetzung der UN-Sicherheitsratsresolution 1325/2000 verabschiedet – um nur einen kurzen Blick nach Sub-Sahara Afrika zu machen: Liberia fiel in den frühen 2010er Jahren mit seiner weiblichen Staatsspitze nicht nur durch eine Gender-aktive politische Elite auf. Als eines der ersten afrikanischen Länder mit einem 1325-NAP konnte Liberia auf eine weibliche Polizeieinheit stolz sein.

Aber bereits im Vorfeld der Annahme des NAP 1325 durch die Bundesregierung am 8. August 2007 punktet Österreich durch die Internationale Frauenkonferenz zum Nahen Osten „Women Leaders – Networking for Peace and Security in the Middle East“ am 30./31 Mai 2007 in Wien. Dies schlägt sich auch in personalpolitischen Entwicklungen nieder: 2007 werden erstmals mehr Frauen in den höheren auswärtigen Dienst aufgenommen als Männer.

Gleichzeitig muss international ein Einbruch in der Aufmerksamkeit und Werteteilung in internationalen Gender-Fragen konstatiert werden. Die CSW kann erstmalig keine gemeinsame Haltung zur Unterstützung palästinensischer Frauen erreichen. Informelle Foren wie das HSN, in denen Österreich sehr aktiv ist, gewinnen dadurch an Bedeutung (Athen, 29./30.05.2008). Impulse werden auch von BM Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) als Delegationsleiterin zur CSW 2009 geleistet, dem HSN-Netzwerktreffen in Dublin zu Frauen, Friede und Sicherheit sowie im November 2009 zu 30 Jahre CEDAW.

Ursula Plassnik (ÖVP) wird am 2. Dezember 2008 zur Sonderbeauftragten des österreichischen Außenministeriums für internationale Frauenfragen ernannt, eine Funktion, die sie bis 2011 innehat. Sie reist im März 2007 nach Liberia und im Oktober desselben Jahres lädt Österreich zu einer Konferenz mit 50 Frauen aus 10 südosteuropäischen Ländern ein. Außenministerin Plassnik leistet mit ihrem Einsatz gegen systematische sexuelle Gewalt Pionierarbeit, was auch klar in ihren Schlussworten anlässlich der Konferenz „Women for Peace“ 2016 mit drei Friedensnobelpreisträgerinnen im Grazer Kongress zum Ausdruck kommt.

5.4 Herausforderungen bis heute

10 Jahre nach Annahme der UN-Sicherheitsratsresolution 1325 wird die Materie bahnbrechend mit dem Schutz von Zivilbevölkerung und Peacebuilding verbunden. Für die Folgeresolutionen von UNO-Sicherheitsratsresolution (UNSCR) 1325 war UNSCR 1894/1999, eine maßgebliche Errungenschaft Österreichs, immer noch impulsgebend. Diese Resolution ist grundlegend für den gerade auch durch die Ereignisse in Afghanistan 2021, Mali und dem Ukraine-Krieg 2022 wieder aktuellen Zusammenhang von Sicherheit, Demokratie und Entwicklung: Der „Comprehensive Approach“ (§ 28) betont erstmals die Verbindungen zwischen den einzelnen Politikbereichen und festigt damit die Anliegen der Rolle von Frauen in Krisen- und Konfliktregionen. Dieser „Nexus“ wird 2017/2018 in Form einer OECD DAC Empfehlung zum „Triple Nexus“ („Humanitarian – Devlopment – Peacebuilding [HDP] Nexus“) allgemein anerkannter Leitgrundsatz internationalen Engagements in fragilen Situationen.

Der angesprochene Wertezerfall in der internationalen Debatte zeigt sich in diesem Zeitraum vertiefend in schwierigen Verhandlungen in der UN-CSW zum Begriff „Gender“. So kommt etwa kein Konsens zu Empowerment von Frauen im ländlichen Raum in den Schlussfolgerungen der CSW zustande. Fortschritte können dagegen im Europarats-Übereinkommen zur Verhütung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt (CAHVIO, Istanbul Konvention), ebenso unter leitender österreichischer Beteiligung, erzielt werden. Am 11. Mai 2011 unterzeichnet Staatssekretär Wolfgang Waldner (ÖVP) das Übereinkommen, das erste rechtlich bindende internationale Instrument in diesem Bereich, in Istanbul. Der türkische Austritt 2021 zeigt den weiten Bogen zwischen Höhepunkt und Niedergang internationaler Bemühungen für Frauenrechte und deren oftmalige Überlagerung durch realpolitische, geostrategische Interessen. Ebenso deutlich wird damit, dass der Wertekonsens immer weiter auseinanderbricht. Hier muss grundlegende Überzeugungsarbeit im internationalen Dialog geleistet werden. Dialog wird zum geflügelten Wort, das auch in Folgeperioden von österreichischen Außenministern als Botschaft an die Welt bis hin zu einer besonderen Rolle Österreichs als Platz („Drehscheibe“) für Mediation stark eingebracht wird (Bundeskanzleramt 2020).

Die EZA kann den Stellenwert von Gender-Fragen auch in dieser Periode weiterhin hochhalten. Wissenschaftlich zeigt sich in diesem Zusammenhang das Reformjahr 2015 und die Neugründung von UN Women als besonders fruchtbar (Greindl und Werther-Pietsch 2020, 33). Der damalige österreichische Bundespräsident Heinz Fischer (SPÖ) (2015) setzt sich in seiner Rede anlässlich des von US-Präsident Barak Obama einberufenen „Global Leaders Meeting on Gender Equality and Women’s Empowerment“ in New York für Frauenrechte ein. Ein besonders nachhaltiges Konzept für Frauenförderung wird in der Kultursektion des BMEIA ins Leben gerufen. Mit dem Projekt Kalliope Austria, Frauen in Gesellschaft, Kultur und Wissenschaft, wird nicht nur gezeigt, was Frauen aus Österreich kulturell, künstlerisch, politisch geleistet haben, sondern ein ganzes Förderprogramm unter Einbezug von Partnerländern im Sinn von weiblichem Empowerment geschaffen (BMEIA 2015).Footnote 9

Während der österreichischen Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2018 wurde der Strategische Ansatz der EU zur Umsetzung der WPS-Agenda erarbeitet, der am 10. Dezember 2018 gemeinsam mit Ratsschlussfolgerungen zu Frauen, Frieden, Sicherheit vom Rat verabschiedet werden konnte. Im Juli 2019 wurde er durch einen EU-Aktionsplan für die Periode 2019–2024 komplettiert (BMEIA n. d.). Auf nationaler Ebene gibt der am 3. November angenommene 12. Umsetzungsbericht zum NAP 1325 Aufschluss über die Programme und Projekte der einzelnen Ressorts bis hin zu den österreichischen Botschaften.

Weiters werden in den Jahren 2018 und 2019 verschiedene Themen aus Aktualitätsgründen kurzfristig bearbeitet wie die koreanischen „Trostfrauen“ oder die Mobilität von Frauen in Saudi-Arabien. Die CSW beschäftigt sich mit Frauen in Bergregionen und dem „Gender Gap“ in der Digitalisierung. Der „Women Peace and Humanitarian Fund“ wird zu einem wirksamen Kooperationsinstrument der österreichischen Entwicklungspolitik, das auch in der Afghanistan-Krise 2021 genützt werden kann. Anlässlich der Internationalen Frauen-Konferenz in Wien am 20./21. Februar 2020 zum 20 Jahre-Jubiläum der UNSCR 1325/2000 kam eine „Vienna Declaration“ mit über 70 Grassroots-Frauen aus der ganzen Welt zustande, die in UNO-Gremien wie die CSW 2020 einfloss. Kontinuierliche Zusammenarbeit zählt besonders in Krisensituationen.

Parlamentarische Anfragen und das Engagement Österreichs in Bezug auf Afghanistan 2021 betreffen wiederum das heikle Verhältnis humanitäre Hilfe und EZA und deren politische Konditionalität. Der internationale HDP-Ansatz ist zwar wegweisend, befindet sich aber erst selbst in der Testphase (3C Appeal 2010, 3C Konferenz 2021, Oststeirischer Hof, 22.–24. November 2021; Partnership for Peace, OECD DAC & UN Roundtable on the HDP Nexus, Paris, 17. Mai 2022).

6 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Drei Schlussfolgerungen können mit Blick in die Zukunft gezogen werden. Erstens konnten Lokalisierung, Inklusion, gesellschaftlicher Gestaltungsraum, integrierter Ansatz, Gewaltschutz in fragilen Kontexten („HDP“-Szenarios) und ein besonderes Augenmerk auf multiple Behinderungen, also behinderte Frauen in Krisen- und Konfliktsituationen, als kontinuierliche thematische Schwerpunkte der österreichischen „Frauen-Außenpolitik“ identifiziert werden. Zweitens ist es auffallend, dass weibliche Außenministerinnen das Thema um ein Stück mehr weitergebracht haben als ihre männlichen Amtskollegen. Trotzdem ist Österreich von einer „Feminisierung der österreichischen Außenpolitik“ weit entfernt (Dolinsek 2021). Neben den wegweisenden Tätigkeiten von UN Women AustriaFootnote 10 könnte jedoch die von Österreich mitgetragene Verpflichtungserklärung „Global Acceleration Plan (GAP)“ anlässlich des Generation Equality Forums von UN Women, das im März in Mexiko und Ende Juni 2021 in Frankreich stattfand, Impulsgeber für eine „Bejing plus“-Ära sein.

Drittens ist, ähnlich wie in anderen Politikbereichen, auch das außenpolitische Prisma der Gleichstellungspolitik einem zunehmenden Multistakeholder-Ansatz auf verschiedenen Ebenen, also einer „Außenpolitik der Gesellschaften“ (Steinmeier 2016, 104) verpflichtet. Damit werden Entwicklungen im „Soft Law“-Bereich harten „Core Conventions“ vorgezogen, die Linien zwischen offizialisierten Arbeitskanälen und Impulsen aus den sozialen Medien verwischt. Gerade in einer solchen „Melange“ (de Weck 2020, 222–226) sind ein klares Auftreten und die Nutzung der modernen IT-Möglichkeiten durch Staatskanzleien und Außenministerien eminent wichtig. Österreich kann hier in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand Gleichstellungspolitik ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt werden. Das hängt wie beschrieben von der besonderen Priorisierung durch einzelne Vertreter*innen der Ressortspitze, mehr aber noch mit dem nachhaltig engagierten, vernetzten Team (w/m/d) rund um das Referat „Internationale Frauenfragen“, der Sektion Entwicklung und der Austrian Development Agency (ADA) zusammen. Dieses duldet keinen Stillstand im Engagement für Frauen in der österreichischen Außenpolitik.

Internationale Gleichstellungspolitik zeigt sich somit aus gesellschaftspolitischer Sicht nicht als bloße „Schwerpunktnische“. Viel eher darf für das zukünftige Engagement mit einem demokratiepolitisch nach wie vor gültigen und dem Menschenrechtsansatz verbundenen Appell geendet werden: „Gender is a must“.

Weiterführende Quellen

The University of Edinburgh. n. d. „Peace Agreements Database (PA-X)“. Abgerufen am 23.09.2021, https://www.peaceagreements.org.

Zur empirischen Auswertung von Friedensabkommen.

Koester, Diana. 2014. „Statebuilding, Gender Equality and Women’s Rights“. In All Human Rights for All: Vienna Guidebook on Peaceful and Inclusive Societies, Hrsg. von Manfred Nowak und Ursula Werther-Pietsch, 127–149. Wien/Berlin: nwv.

Aufsatz zu Gleichstellungsproblematik in fragilen Kontexten.

Werther-Pietsch, Ursula. 2019. Schriftenreihe der Landesverteidigungsakademie. Bd. 3, Inclusive Peace. Frauen als Akteurinnen in Friedensprozessen. Wien: Bundesministerium für Landesverteidigung.

UN-Sicherheitsratsresolution 1325 mit Praxisbeispielen.