Keywords

1 Einleitung: Das Innovationslabor als Experimentierraum für Kollaboration

Technologisch-ökonomische Konnotationen bestimmen heute überwiegend das weltweite Verständnis von Innovation. Historische Studien zeigen jedoch, dass der Begriff und das Konzept von Innovation in der Geschichte der Menschheit in sehr unterschiedlichen Bedeutungen verwendet wurden – positiv wie negativ besetzt (Godin 2015). Die Forschung über Innovation hat sich in den letzten Jahrzehnten stark ausgeweitet und lenkt heute mehr als je ihre Aufmerksamkeit auf Innovationen, die nicht in erster Linie mit dem Aufkommen technologischer Artefakte zusammenhängen, sondern sich auf Phänomene wie kulturelle, institutionelle, systemische, integrative und soziale Innovation beziehen (Gillwald 2000; Howaldt und Jacobsen 2010; Ziegler 2020). Insbesondere der Begriff der sozialen Innovation hat in Politik und Forschung an Bedeutung gewonnen – zunehmend beeinflusst dies auch die Ausgestaltung von Innovationspolitik, nicht nur in Europa, sondern weltweit (Hassel et al. 2019; Howaldt 2019).

Aus sozialwissenschaftlicher Perspektive lassen sich soziale Innovationen als neue gesellschaftliche Praktiken und Institutionen verstehen (Howaldt und Schwarz 2010). Dabei entwickeln unterschiedliche Akteure neue Handlungsweisen mit dem Ziel, Probleme oder Bedürfnisse in einem spezifischen gesellschaftlichen Kontext besser zu lösen, als dies auf der Grundlage etablierter Praktiken möglich ist. Von einer Innovation wird dann gesprochen, wenn neue Praktiken in einem spezifischen gesellschaftlichen Kontext akzeptiert sind, d. h. durch vielfältige gesellschaftliche und oftmals politische Prozesse etabliert wurden. Soziale Innovationen des 20. Jahrhunderts sind beispielsweise Wohngemeinschaften, Homeoffice, Carsharing, Tauschläden sowie die progressive Steuergesetzgebung oder Kurzarbeit. Es besteht inzwischen Konsens in Politik, Wissenschaft und Öffentlichkeit, dass soziale Innovationen entscheidend sind, um gegenwärtige und zukünftige gesellschaftliche Herausforderungen wie die Alterung der Gesellschaft und den Klimawandel zu bewältigen. Denn durch technologische Innovation allein lassen sich diese komplexen Problemstellungen nicht lösen (Howaldt und Jacobsen 2010). Ein erweitertes Innovationsverständnis betont damit die transformative Bedeutung sozialer Innovation für gesellschaftlichen Wandel (Howaldt 2019).

Eine spannende Forschungsfrage ist vor diesem Hintergrund, wie die vielfältigen Kontexte der Entwicklung neuer Praktiken in der Gesellschaft aussehen und welche Rolle dabei Orte und Prozesse spielen, die auf die Ermöglichung sozialer Innovation fokussieren (Wascher 2021). Internationale Erfahrungen zeigen, dass bereits einige Städte soziale Innovationen als einen Treiber sozialer Kohäsion, institutionen- und sektorübergreifender Kooperation und komplexer Problemlösungen begreifen und entsprechende Infrastrukturen fördern. Ein Innovationslabor allein kann dabei nie eine soziale Innovation hervorbringen, aber es kann Möglichkeitsräume bereitstellen, in denen neue Praktiken entwickelt werden, die das Potenzial haben, zu einer sozialen Innovation heranzureifen. Beispiele dafür sind Social Innovation Labs, Impact Hubs, Living Labs oder Inkubatoren für Sozialunternehmen – Einrichtungen mit ganz unterschiedlichen Profilen, aber allesamt sichtbare Orte für ein kreatives Zusammenwirken und eine Form der Koproduktion vieler unterschiedlicher Akteure.

Im Projekt „Kommunale Labore Sozialer Innovation“ (KoSI-Lab) wurden zwei Labore sozialer Innovation (SI-Labs) in den Städten Dortmund (Neuentwicklung eines Labors) und Wuppertal (Weiterentwicklung einer bestehenden Organisation) modellhaft entwickelt. Dazu wurde in einem realexperimentellen Ansatz in den Reallaboren Dortmund und Wuppertal erforscht, welchen Beitrag kommunale SI-Labs als neue Kooperationsmodelle und Unterstützungsinfrastrukturen zwischen Verwaltung und Zivilgesellschaft leisten können. In diesem Beitrag wird daher ein doppelter Laborbegriff verwendet: Zum einen geht es darum, mit dem Begriff des Reallabors einen Forschungsansatz der transdisziplinären (Nachhaltigkeits-)Forschung, d. h. das Forschungsformat des Projekts, zu beschreiben. Zum anderen war es Kern des Projekts KoSI-Lab, den Ansatz des Innovationslabors – verstanden als designbasierten Kooperationsprozess unterschiedlicher gesellschaftlicher Akteure – zu erproben, mit dem Ziel, Nachhaltigkeitsinnovationen lokal zu entwickeln und umzusetzen. Hierbei geht es um die Beschreibung des Forschungsgegenstands im Projekt.

Mit Bezug zur Fördermaßnahme „Kommunen innovativ“ lag der Fokus im Projekt KoSI-Lab auf der Schaffung von geeigneter Infrastruktur für Koproduktion. D. h. es ging darum zu untersuchen, wie Orte und Prozesse gestaltet sein müssen um die Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu unterstützen, damit Probleme vor Ort gelöst werden können und bestenfalls neue Verantwortungsgemeinschaften entstehen. Wie eingangs in diesem Sammelband ausgeführt, ergeben sich im Zusammenhang von Koproduktion somit auch Fragen der Governance, insbesondere im Bereich kollaborativer Governance.

Das folgende zweite Kapitel ordnet daher kommunale Innovationslabore zunächst in den Kontext von Politik- und Verwaltungsinnovation sowie nachhaltigkeitsbezogener Innovationspolitik ein und beschreibt sie damit als Instrument einer transformativen urbanen Governance. Mit dem Begriff der transformativen Governance werden neuartige Verantwortungsverteilungen, Prinzipien, Verfahrensweisen und materielle Kriterien beschrieben, die entwickelt werden, um den gesellschaftlichen Transformationsprozess zu steuern (WBGU 2011, 2016). Transformation bezieht sich dahin gehend auf die Gestaltung des Wandels hin zu einer nachhaltigen Entwicklung. Auch eine nachhaltigkeitsbezogene Forschungs- und Innovationspolitik ist in diesem Zusammenhang bedeutsam, vor allem in Bezug auf die Förderung geeigneter Innovationsinfrastrukturen. Im dritten Kapitel werden anschließend Labore sozialer Innovation in ihren wesentlichen Elementen als Organisationen, Prozesse, Räume und Netzwerke vorgestellt. Die Erkenntnisse basieren auf der Durchführung internationaler Fallstudien, die im Rahmen des Projekts KoSI-Lab parallel zur Entwicklung der beiden Reallabore Dortmund und Wuppertal durchgeführt wurden. Im vierten Kapitel wird daran anknüpfend gezeigt, wie in den beiden Kommunen Nachhaltigkeitsinnovationen auf den Weg gebracht wurden und wie die kommunalen Innovationslabore verstetigt werden konnten.

2 Räume für Koproduktion als Teil einer transformativen Governance

2.1 Die Rolle kollaborativer Governance

Auch wenn der Begriff der Kollaboration im deutschsprachigen Raum wenig Anwendung findet, erfährt er im englischsprachigen Diskurs über neue Innovationsparadigmen zunehmend an Bedeutung (Ansell und Torfing 2014; Ziegler 2020). Soziale Innovationen entstehen überwiegend kollaborativ, d. h. im Zusammenwirken bislang häufig getrennt agierender Akteure, beispielsweise in Form neuer Netzwerke oder Partnerschaften. Das Adjektiv kollaborativ unterstreicht dabei die Zusammenarbeit höchst unterschiedlicher Akteure, die teilweise sehr konträre Positionen einnehmen können (Ziegler 2020). Die Unterschiedlichkeit kann sich an vielen Kriterien festmachen, beispielsweise an den zugehörigen gesellschaftlichen Bereichen (Öffentliche Verwaltung, Privatwirtschaft, organisierte Zivilgesellschaft), an den zu betrachtenden Politikfeldern (Gesundheit, Bildung, Verkehr, Landwirtschaft etc.), Entscheidungsspielräumen und persönlichen Merkmalen wie Geschlecht, Herkunft etc.

Die kollaborative Zusammenarbeit verschiedener Akteure lässt sich zu einem gewissen Maße begleiten und steuern – auch im Bereich der Politikgestaltung. Die Themen Collaborative Governance und Public Sector Innovation gewinnen daher international in Praxis und Wissenschaft in den letzten Jahren stetig an Bedeutung (Bason 2018; Mulgan 2019; OECD 2019; Sørensen und Torfing 2016). Sie sind auch auf der Ebene von Innovationsprozessen innerhalb der Kommunalpolitik und Kommunalverwaltung von hoher Relevanz.

Internationale Studien zu Public Sector Innovation und Policy Design liefern dazu sowohl theoretische als auch zum Teil angewandt-methodische Erkenntnisse zur Durchführung von Innovationsprozessen mit dem Ziel der Entwicklung sozial innovativer Initiativen innerhalb oder mit Bezug zum öffentlichen Sektor (Bason 2018; Junginger 2017; McGann et al. 2018). In Deutschland ist dies insgesamt noch ein junges, aber wachsendes Praxis- und Forschungsfeld (Hill 2016; Paulick-Thiel et al. 2020). Erfahrungen aus dem Bereich Open Government in Deutschland zeigen beispielsweise Möglichkeiten und Herausforderungen innovativer Politikgestaltung. Open Government meint die Öffnung der Politikgestaltung für die Interessen, Anforderungen und Fähigkeiten einer breiten Zivilgesellschaft auch auf kommunaler Ebene. Wesentliche Merkmale beziehen sich dabei allgemein auf das Thema Politik- und Verwaltungsinnovation und weisen auf die Bedeutung von – wie auch immer gestalteten und bezeichneten – Formen von Experimentierräumen hin (Beck und Stember 2019; Neutzner 2019). Politik- und Verwaltungsinnovation sind freiwillige Leistungen einer Kommune, womit häufig eine fehlende normative Selbstverpflichtung verbunden ist (Neutzner 2019). Vor allem im Bereich Organisation und Kooperation zeigt sich, dass es nicht um klassische administrative Veränderungsprozesse geht, sondern vielmehr um Haltungen und Orientierungen der Mitarbeitenden, die mit ergebnisoffenen Prozessen umgehen können. Vielfach werden gute Projektansätze durch eine unzureichende fach- und organisationsübergreifende Koordination und Zusammenarbeit innerhalb der Kommunalverwaltung behindert (Beck und Stember 2019; Mayer-Ries 2018). Das systemische und integrative Denken, das u. a. auch im Zusammenhang mit Open Government ein Schlüsselcharakteristikum entsprechender Handlungsansätze ist, steht im Kontrast zum „Silo-Denken“ (Mayer-Ries 2018). Politik- und Verwaltungsinnovation im Sinne des öffentlichen Gestaltens muss daher zugänglicher werden für Einflüsse von außen auf organisationsinterne Entwicklungen (Paulick-Thiel et al. 2020). Dazu müssen Entwicklungen, Abläufe und Rahmenbedingungen transparent gemacht werden. Die Öffnungsaufgaben in Bezug auf Organisationskultur und Veränderungsbereitschaft sind dabei eine große Herausforderung. Allerdings sind die Vorzüge innovativer Kommunen deutlich sichtbar, und eine hohe Veränderungsbereitschaft, die damit einhergeht, lässt darauf schließen, dass zukünftige Herausforderungen von diesen Kommunen besser bewältigt werden können (Neutzner 2019).

Zukünftige Herausforderungen drücken sich u. a. durch einen Änderungsbedarf der Bereitstellung kommunaler Leistungen aus. Je nach zu gestaltender kommunaler Leistung und den Rahmenbedingungen der Verwaltungsentwicklung wird die kollaborative Zusammenarbeit zur Lösung solcher Herausforderungen dabei unterschiedlich (gut) gestaltet sein. Dem Engagement von politischen Führungspersonen, tragfähigen Netzwerken sowie dem kreativen Potenzial der Stadtgesellschaft kommt gerade in Kommunen mit angespannter Haushalts- und Finanzlage besondere Bedeutung zu. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es das Ziel ist, nachhaltige Lösungen für den Erhalt von Infrastruktur und Diensten zu finden und Projekte für eine zukunftsfähige Stadt zu entwickeln. Koalitionen zwischen privaten, öffentlichen und zivilgesellschaftlichen Interessen erhöhen die Gestaltungsmöglichkeiten öffentlicher Akteure, weil dadurch neue Ressourcen in der lokalen Raumproduktion erschlossen werden. Diese neuen Kooperationen erfordern jedoch auch ein verändertes Verwaltungshandeln und neue Formen der „städtischen Governance“ (Aderhold et al. 2015; Walter und Zimmer 2017). Laborkontexte eröffnen vor diesem Hintergrund die notwendigen Gestaltungsspielräume, entwickeln Veränderungsprozesse ergebnisoffen und ermöglichen Innovation. Sie bieten Plattformen für Koproduktion.

Offen bleibt dabei allerdings, wie diese neuen Formen städtischer Governance unterstützt und gefördert werden können und auf welche Innovationen sie sich fokussieren. Eine gezielte Forschungs- und Innovationspolitik, auch auf kommunaler Ebene, ist daher ein wichtiger Bestandteil transformativer urbaner Governance (BBSR 2020; WBGU 2016).

2.2 Kommunale Innovationspolitik für eine nachhaltige Entwicklung

Obwohl sowohl die deutsche Bundesregierung als auch einige Landesregierungen seit vielen Jahren über Nachhaltigkeitsstrategien verfügen, liegt die tatsächliche politische Relevanz einer nachhaltigen Entwicklung weit unter dem nötigen Maß, um die Bekenntnisse und Verpflichtungen aus internationalen Vereinbarungen wie den Agenda-2030-Zielen für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs), dem Pariser Klimaschutzabkommen oder der Konvention über Biologische Vielfalt zu erreichen (Boetius et al. 2020). Das wissenschaftliche Wissen über globale Megatrends, insbesondere die Veränderungen des Erdsystems, ist immens, und zahlreiche Empfehlungen für eine nachhaltige Stadtentwicklung wurden daraus abgeleitet (BBSR 2020; UFZ 2019; WBGU 2016). Im gesellschaftlichen Diskurs ergibt sich dadurch eine hohe Diskrepanz zwischen dem, was integrierte kommunale Nachhaltigkeitsstrategien beinhalten sollten (ausgehend von den SDGs) und dem, wie einzelne Aspekte der Globalen Nachhaltigkeitsziele thematisiert werden (Klima, Mobilität, Bildung, Armut, Wohnen, Stadt-Land usw.). In einer Studie im Auftrag des Interministeriellen Arbeitskreises der Bundesregierung „Nachhaltige Stadtentwicklung in nationaler und internationaler Perspektive“ (IMA Stadt) wird gezeigt, dass Kommunen bei der Umsetzung aller 17 Globalen Nachhaltigkeitsziele eine wichtige Rolle spielen (Assmann et al. 2018) und diese als zusammenhängendes System betrachtet werden sollten, in dem Verbindungen und Wechselwirkungen zwischen den Zielen systematisch herausgearbeitet werden (Burger et al. 2017). Die Nationale und Europäische Stadtentwicklungspolitik müsste dazu die Rahmenbedingungen für die Handlungsfähigkeit von Kommunen, insbesondere den Kapazitätsaufbau, stärker fördern (BBSR 2020; WBGU 2016).

Diese Aufgabe erfordert zum einen, dass Kommunen befähigt werden, ihre Nachhaltigkeitsbestrebungen und -innovationen durch geeignete politische Rahmensetzungen, insbesondere Förderprogramme und Mechanismen für den Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen Kommunen, umzusetzen (BBSR 2020). Zum anderen braucht es eine gezielte Forschungs- und Innovationspolitik, die unter anderem auch die Bedeutung der Einrichtung von forschungsbasierten Reallaboren (Singer-Brodowski und Schneidewind 2019) und wissenschaftlich begleiteten Modellprojekten betont:

„Um lokale Transformationsprozesse besser zu durchdringen und damit zielgerichteter unterstützen zu können, bedarf es einer stärkeren Verzahnung von Wissenschaft und kommunaler Praxis. Hierfür sind neue Formen der Kooperation und ein verbesserter Wissenstransfer notwendig. Erprobung innovativer Kooperationsformate und Partnerschaften an der Schnittstelle von Wissenschaft und Praxis, wie etwa die Förderung eines ‚Chief Scientific Adviser‘ in Kommunen, welcher lokale Transformationsprozesse mitgestaltet und wissenschaftlich begleitet oder der Ausbau von Reallaboren und Experimentierfeldern mithilfe des Instruments ‚Gute Praxis‘.“ (BBSR 2020, S. 7)

Kommunale Nachhaltigkeitsinnovationen setzen daher zu einem großen Teil eine entsprechende Innovationspolitik voraus, die es ermöglicht, Ressourcen in personeller und finanzieller Hinsicht für die Umsetzung nachhaltigkeitsbezogener Maßnahmen und Strategien einsetzen zu können. In einem aktuellen Impulspapier des Hightech-Forums über Nachhaltigkeit im Innovationssystem wird gefordert:

„[…] Nachhaltigkeit in all ihren Dimensionen konsequent als handlungsleitendes Ziel der Forschungs- und Innovationspolitik (FuI-Politik) zu berücksichtigen und gleichzeitig Hürden für nachhaltige Innovationen zu beseitigen“ (Boetius et al. 2020, S. 2).

Vor allem in der internationalen Nachhaltigkeits- und Transformationsforschung werden diese Themen unter dem Begriff Transformative Innovation Policies diskutiert (Kuhlmann und Rip 2018; Schot und Steinmueller 2018). Ausgehend von den von der EU formulierten Grand Challenges, d. h. der Vielfalt an globalen Herausforderungen wie dem Klimawandel, dem demografischen Wandel, der Ressourcenknappheit u. v. w., wird festgestellt, dass das derzeitige Verständnis sowie die eingesetzten Instrumente und Praktiken der Innovationspolitik nicht ausreichen, um große Herausforderungen anzugehen. Aufgrund der Heterogenität der Problemstellungen im Sinne von wicked problems (Danken et al. 2016), sind die entsprechenden Problemlösungen nicht über die bisherige Ausrichtung von Forschungs- und Innovationspolitik zu erreichen. Daher wird gefordert, neue Ansätze der Forschungs- und Innovationspolitik zu entwickeln, die unter anderem auch soziale Innovation umfassen (Kuhlmann und Rip 2018). Auch in dieser Debatte spielt der Begriff der Kollaboration eine wichtige Rolle. Neue transformationsorientierte innovationspolitische Ansätze erfordern die Beteiligung verschiedener Akteure, denn die Perspektiven darauf, was das Problem ist bzw. was es ausmacht und was mögliche Lösungen darstellen könnten, unterscheiden sich zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen. Daher sind offene, flexible und anpassungsfähige innovationspolitische Instrumente nötig, die vor allem ein Experimentieren, Lernen, Reflexivität und Reversibilität umfassen (Kuhlmann und Rip 2018). Für eine Nachhaltigkeitstransformation des Innovationssystems gilt es daher, alle Akteure des Innovationssystems einzubeziehen und entsprechende Kooperationsformen zu entwickeln (Kuhlmann und Rip 2018). Dies gilt nicht nur für internationale und nationale Innovationssysteme, sondern auch für die Entwicklung regionaler und lokaler Innovationssysteme, z. B. auf Ebene der Kommune.

Wichtige Fördermaßnahmen in dieser Hinsicht sind unter anderem das Programm „Zukunftsstadt“ sowie die Fördermaßnahme „Kommunen innovativ“ im Rahmen der Forschung für Nachhaltige Entwicklung (FONA) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Die schwedische Innovationsagentur Vinnova fördert beispielsweise mit Viable Cities ein ähnlich ausgerichtetes Programm, in dem die kollaborative Zusammenarbeit städtischer Akteure unterstützt wird und transdisziplinäre Projekte als wichtiges Vehikel zur Unterstützung der Innovationskapazität von Kommunen angesehen werden. Diese Programme sind gekennzeichnet durch Prinzipien verantwortlicher Forschung und Innovation (Responsible Research and Innovation).

Zu einer Innovationspolitik für Nachhaltigkeitstransformationen auf lokaler Ebene gehört neben dem inhaltlichen Zielkorridor einer nachhaltigen Entwicklung und der Governance-Dimension auch die Frage des Zugangs zu bzw. nach den Voraussetzungen für Innovationsförderung. Die Ausrichtung auf Nachhaltigkeitsinnovationen erfordert eine intensive Auseinandersetzung mit den oben beschriebenen Agenden sowie Zeit und Mut, damit zu experimentieren und die nötigen Mittel dafür zu akquirieren. Kleineren Kommunen und Kommunen in strukturschwachen Regionen fehlt es oftmals an Personal, Unterstützung und Partner*innen, um die nötigen Kapazitäten der erforderlichen (Dritt-)Mittelakquise aufzubauen (BBSR 2020; Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung & Wüstenrot Stiftung 2020). Dieser Herausforderung trägt unter anderem die dritte Förderphase von „Kommunen innovativ“ Rechnung, die sich explizit an Kommunen in strukturschwachen Regionen richtet.

Insgesamt lässt sich schlussfolgern, dass vor Ort lokale Innovationssysteme gestärkt werden müssen, um Ermöglichungsräume für Nachhaltigkeitsinnovationen zu schaffen. Hier spielt auch die Bereitstellung von Infrastrukturen für gesellschaftliche „Experimentierräume“ zur Entwicklung sozialer Innovationen eine wichtige Rolle (Aderhold et al. 2015).

3 Innovationslabore als kollaborative Räume zur Entwicklung neuer Praktiken

Der Laborbegriff kann vieles bezeichnen. Von physisch abgegrenzten Räumlichkeiten, in denen klar definierte Experimente ablaufen, bis hin zu virtuellen Kooperationsplattformen, in denen Akteure an einer gemeinsamen Problemstellung arbeiten. Labore sozialer Innovation sollen hier verstanden werden als Orte und Prozesse, die unterschiedliche Akteure darin unterstützen, durch methodengestütztes gemeinschaftliches Bearbeiten einer komplexen Fragestellung zur Entwicklung neuer gesellschaftlicher Praktiken, d. h. zur Entstehung sozial innovativer Initiativen, beizutragen (Wascher et al. 2018). Sie können sowohl als einzelne Prozesse auftreten oder gebündelt im Sinne von Innovationszentren, in denen fortwährend verschiedene Prozesse zur Entwicklung sozial innovativer Initiativen angestoßen werden können.

Um detaillierte Erkenntnisse zur Entwicklung von Laboren sozialer Innovation zu erhalten, wurden im Projekt KoSI-Lab europäische und internationale Fallstudien über elf bestehende und drei nicht mehr bestehende Labore und Zentren sozialer Innovation durchgeführt (Wascher et al. 2018). Aus dieser Fallstudienarbeit konnten erste Erkenntnisse zu wesentlichen und kritischen Elementen der Entwicklung von Laboren sozialer Innovation abgeleitet werden, die im Folgenden tabellarisch dargestellt sind (vgl. Tab. 1).

Tab. 1 Elemente zur Gestaltung kollaborativer Räume für soziale Innovation Quelle: Eigene Darstellung

3.1 Das Labor als Organisation

Im Zuge der Fallstudienarbeit konnten vier idealtypische Organisationsformen identifiziert werden. Zur besseren Veranschaulichung werden hier jeweils Beispiele aus dem deutschsprachigen Raum angeführt. Die europäischen und internationalen Fallstudien, die innerhalb des Projekts untersucht wurden, sind in Kurzportraits im KoSI-Lab-Fallstudienbericht dargestellt (Wascher et al. 2018). Idealtypisch lassen sich folgende vier Labortypen unterscheiden:

Labore für sozialunternehmerische Innovation bieten einen gemeinsamen Arbeitsort für Initiativen, die sich mit gesellschaftlichen Fragestellungen befassen und die für die Gründung oder Weiterentwicklung ihrer Organisation Unterstützung benötigen. So entstehen z. B. neue Vereine oder gemeinnützige Unternehmen. Labore für sozialunternehmerische Innovation basieren daher häufig auf Geschäftsmodellen, die Angebote von Co-Working-Spaces und Gründungszentren mit der Förderung von Social Entrepreneurship verbinden (Bsp. Impact Hub Ruhr, Social Impact Labs).

Labore für soziale Innovation an Hochschulen und Forschungseinrichtungen fördern Projekte von Studierenden und Mitarbeitenden, in Zusammenarbeit mit außerhochschulischen Akteuren. Zielstellung ist es, Bildung und Innovation eng zu verknüpfen und Erkenntnisse aus der Wissenschaft gemeinschaftlich anzuwenden, zu reflektieren und ggf. weiterzuentwickeln. Es geht dabei vor allem um inter- und transdisziplinäre Zusammenarbeit, damit sozial innovative Initiativen entstehen können (Bsp. WITI Innovationslabor Speyer, DEZENTRALE – Gemeinschaftslabor für Zukunftsfragen Dortmund).

Labore für zivilgesellschaftliche Innovation sind Räume und Prozesse, die viele Akteure, z. B. aus einer Stadt oder einem Bezirk, in einen gemeinsamen Arbeitsprozess bringen, um konkrete, neue Maßnahmen zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen zu entwickeln, beispielsweise für das Quartier. Diese Labore werden überwiegend von gemeinnützigen Organisationen getragen, die auf eine breite Beteiligung mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen sowie Bürger*innen setzen (Bsp. KoFabrik Bochum, colabor Köln).

Labore für Politik- und Verwaltungsinnovation sind meist Organisationseinheiten der öffentlichen Verwaltung, die ressortübergreifende Zusammenarbeit fördern. „GovLabs“ (Government Labore) bringen Innovationen in Verwaltungsabläufe. Diese Innovationen können nach innen gerichtet sein, d. h. innerorganisatorische Prozesse betreffen, aber auch nach außen gerichtet sein und ermöglichen so verbesserte Verwaltungsabläufe für die unterschiedlichsten Stakeholder, d. h. Bürger*innen, aber auch Unternehmen und zivilgesellschaftliche Akteure (Bsp. GovLab Arnsberg, GovLabAustria).

Die verschiedenen Organisationsformen unterscheiden sich hinsichtlich des gesellschaftlichen Bereichs, in dem sie tätig sind, bzw. ihrer Trägerschaft (Privatwirtschaft, Politik/Verwaltung, Wissenschaft/Forschung sowie Zivilgesellschaft). Darüber hinaus unterscheiden sie sich in ihrer inhaltlichen Ausrichtung (z. B. Förderung von Sozialunternehmertum, Verwaltungsmodernisierung, bürgerschaftliche Beteiligung). Nicht selten finden sich Elemente aus den vier Labortypen auch in Kombination. Ein Mix der unterschiedlichen Lab-Ansätze bzw. die Kooperation mit ähnlich interessierten Akteuren wird von vielen Organisationen als sehr wichtig angesehen (z. B. Social Entrepreneurship-Förderung verknüpft mit der Bereitstellung von Co-Working-Arbeitsplätzen sowie die Unterstützung von Multi-Stakeholder-Kollaborationsprozessen). Denn dies trägt dazu bei, ein lokales Ökosystem für soziale Innovation aufzubauen und dadurch die Wirkung einzelner Projekte insgesamt zu stärken.

Abgesehen von der Ausrichtung unterscheiden sich Labore sozialer Innovation auch hinsichtlich ihrer Rechtsform und Organisationsstruktur. Sie bilden zum Teil eigenständige Organisationen, z. B. als Verein, Genossenschaft oder gGmbH, oder sind Teil einer bestehenden Organisation in Form von Stabsstellen oder intraorganisationalen Netzwerken. Darüber hinaus können Labore sozialer Innovation auch als interorganisationale Netzwerke, zum Beispiel als Partnerschaft verschiedener Träger, organisiert werden.

Labore sozialer Innovation etablieren u. a. eine neue Arbeitskultur, für die Legitimität erst hergestellt werden muss, da sie oftmals von den bewährten Arbeitsroutinen einer Organisation abweicht. Wenn das Labor als neue Organisationseinheit in eine bestehende Organisation eingebettet werden soll, ist dazu die Unterstützung der Geschäftsführung meist zwingend erforderlich. Gibt es keine „Rückendeckung“ durch das Top-Management, egal ob im öffentlichen, privaten oder Nonprofit-Sektor, so wird das Laborteam seine Arbeitsweisen nicht erfolgreich etablieren können. Dies beinhaltet vor allem auch, dass das Labor als Organisationseinheit ein Mandat von übergeordneter Stelle erhält, z. B. durch (politische) Legitimation der Geschäftsführungsebene. Bei Laboren, die als eigenständige Organisation aufgebaut sind, ist die Legitimation durch eine bestimmte Community wichtig. Damit ist die gesamte Gemeinschaft des Ökosystems sozialer Innovation gemeint. Dies sind ggf. das Management, die Mitarbeitenden, die Fördermittelgebenden, die im Netzwerk Beteiligten und vor allem diejenigen Personen, die die Leistungen des Labors in Anspruch nehmen sollen.

3.2 Das Labor als Prozess

Die Kernkompetenz von Laboren sozialer Innovation liegt in ihrer Expertise zur Gestaltung von Arbeitsprozessen, die auf spezifischen Designs zur Durchführung von Innovationsprozessen basieren. D. h. es werden Prozesse der Zusammenarbeit initiiert, an deren Ende möglichst neue Handlungsweisen als prototypische Lösungen für konkrete Probleme resultieren. Gleichzeitig wird in der Literatur über Innovationslabore und -zentren betont, dass es keinen einfachen Weg gibt, kollaborative Zusammenarbeit im Sinne eines effektiven sektorübergreifenden Prozesses zu erreichen, d. h. Koproduktion zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Akteuren durch diese Formate herzustellen (Wascher 2021).

Die Entwicklung neuer Ideen innerhalb eines kreativen Problemlösungsprozesses kann aber durch Kreativitätstechniken und Problemlösungsmethoden unterstützt werden. Ansätze und Methoden, die in Laborprozessen verwendet werden, basieren teilweise auf Methoden des Produktdesigns (z. B. dem Ursprung des Design Thinking), Prototyping, Inkubation und Skalierung (Murray et al. 2010) sowie auch Ansätze im Bereich Service-Design, Human-Centred Design und Systemisches Design (Junginger 2017). Hierzu gehören Methoden wie Stakeholderanalysen, die Bildung von Zukunftsvisionen, Szenarioentwicklung, Personas u. v. w. (Puttick 2014; Westley und Laban 2015). Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Hand- und Methodenbüchern für Innovationsprozesse, unter anderem – für den Bereich Politik- und Verwaltungsinnovation – das OECD Observatory for Public Sector Innovation (https://oecd-opsi.org/toolkit-navigator/), das Repository der von der britischen Innovationsagentur nesta initiierten Plattform States of Change (https://states-of-change.org/) sowie das Handbuch Öffentliches Gestalten (Paulick-Thiel et al. 2020).

Die ausgearbeiteten Innovationsprozesse sind dabei die Grundlage zur Ermöglichung von Koproduktion zwischen teilweise höchst unterschiedlichen Akteuren. Denn ein wichtiges Element dabei ist die Arbeit in interdisziplinären und damit in multiperspektivischen Teams. Hintergrund ist die Erkenntnis, z. B. aus der Forschung zu kollektiver Intelligenz und Diversität, dass die Problemlösungskompetenz einer Gruppe höher ist, die sich nicht nur aus fachspezifischen Expert*innen, sondern aus sehr unterschiedlichen Fachkompetenzen und Wissenszugängen zusammensetzt (wissenschaftliches Wissen als auch Erfahrungswissen aus dem Arbeits- und Lebensalltag). Die Aufgabe der Koordination und Moderation ist es daher, die heterogene Gruppe der Stakeholder erfolgreich in ihrer Arbeit an der Fragestellung zu begleiten. Ausgangspunkte sind dabei sowohl die jeweiligen (möglichen) institutionellen und persönlichen Interessen als auch unterschiedliche Systemlogiken der Teilnehmenden, die im Prozess berücksichtigt werden müssen.

Daraus lässt sich die Bedeutung eines Erwartungs- und auch Enttäuschungsmanagements ableiten. Denn für diese Form von Innovationsprozessen ist es wichtig, Vertrauen in der Gruppe herzustellen. Gleichermaßen ist es unrealistisch, von den Beteiligten zu erwarten, ihre jeweiligen persönlichen und institutionellen Interessen bei der Entwicklung von Lösungsmöglichkeiten außer Betracht zu lassen. Nicht zuletzt ist es darüber hinaus wichtig, bei den Teilnehmenden dafür zu werben, dass Innovationsprozesse zur Entwicklung neuer Handlungsweisen nicht linear verlaufen, sondern verschiedene Dynamiken beinhalten können. Dazu gehören auch Rückkopplungs- und Überarbeitungsschleifen sowie das Verwerfen von Ideen, die aus verschiedensten Gründen nicht weiterverfolgt werden können.

Für erfolgreiche Innovationsprozesse sind vor allem aufseiten des Organisationsteams Kompetenzen für Moderation und Begleitung systemischer Prozesse sowie Mediation erforderlich. Die Expertise für die Prozessentwicklung und -begleitung muss aber nicht allein beim Organisationsteam liegen. Vereinzelt wird zusätzliches Know-how über Beratungsaufträge hinzugezogen. Labore sozialer Innovation verfügen häufig über Teams mit hoher Diversität, d. h. eine Vielzahl an unterschiedlichen persönlichen und beruflichen Hintergründen. So wird ein Kompetenzpool geschaffen, der ein großes Leistungsspektrum abrufen kann (Amatullo 2015; Puttick et al. 2014).

Generell ist für Innovationsprozesse eine Standardisierung kaum möglich. Die Prozessentwicklung und -begleitung müssen je nach Kontext, finanziellem Umfang und politischen Abwägungen auf die einzusetzenden Methoden für ein Problem und die Auswahl der beteiligten Stakeholder abgestimmt sein. In diesem Zusammenhang ist eine besonders wichtige Frage, wie die Mandatierung für die Durchführung eines Innovationsprozesses erfolgt und wer die zu behandelnden Problemstellungen bestimmt (Steen et al. 2018).

3.3 Das Labor als Raum

Für viele Labore ist der „Raum“ ein zentrales Element der Zusammenarbeit und der Förderung von Innovation. Dies umfasst den physischen Raum, in dem gearbeitet wird, aber auch den Standort, d. h. die Nachbarschaft und Umgebung. Organisationen, die über eigene Räumlichkeiten verfügen, gestalten diese häufig nach Prinzipien kreativer Arbeit. Dies bezieht sich auf räumliche Konzepte, die sowohl große, offene Räume bieten, in denen sich Menschen informell treffen und austauschen können (Küchen, Cafés, Foyers, Lounges), als auch kleinere, geschlossene Räume für die Zusammenarbeit (Büros und Seminarräume). Kreative Arbeitsbereiche der Organisation sind auch für andere Akteure interessant und werden nach Möglichkeit vermietet. Labore, die eher als Netzwerk existieren und keinen festen Standort haben, mieten häufig solche „kreativen Orte“ zur Durchführung von Veranstaltungen an. Der physische Raum und Standort eines Labors kann auch Teil einer Markenstrategie sein. Dennoch sind viele Phasen innerhalb von Innovationsprozessen nicht physisch an einen Laborraum gebunden, sondern umfassen Aktivitäten an einer Vielzahl von Orten außerhalb des Büros (z. B. Feldarbeit, Exkursionen) (Tiesinga und Berkhout 2014).

3.4 Das Labor als Netzwerk

Im Vergleich der Labore zeigt sich, dass die Beteiligung in verschiedenen Netzwerken für die erfolgreiche Etablierung der Organisation oder der Organisationseinheit, aber auch für die Durchführung der einzelnen Innovationsprozesse sehr wichtig ist. Ist das Labor als eine Organisationseinheit aufgebaut, muss sich das Lab vor allem gut innerhalb der eigenen Organisation vernetzen, um als kompetenter Ansprechpartner zur Durchführung von Innovationsprozessen wahrgenommen zu werden und anerkannt zu sein. Die Kommunikation nach innen ist dabei ein eigenständiger Aufgabenbereich, der Mittel und Kompetenz erfordert. Häufig müssen zur Kommunikation über die Aufgaben des Labs neue Wege der Ansprache und Begriffe gefunden werden. Dafür ist ein gutes Kommunikationsdesign des Labs nötig (inklusive ggf. „Corporate Design“ für Website, Berichte, Präsentationen etc.). Für den Großteil der Organisationen ist auch eine Vernetzung am Ort und in der Stadt sehr wichtig, um Teil eines lokalen Ökosystems sozialer Innovation zu werden oder dieses maßgeblich mit aufzubauen. Neben einem städtischen und regionalen Netzwerk ist für viele die internationale Vernetzung in der Gemeinschaft von Laboren sozialer Innovation von großer Bedeutung. Kommunikation und Verankerung nach innen und außen sind die maßgeblichen Faktoren des Gelingens oder Scheiterns von Innovationslaboren (Junginger 2017).

Im folgenden Kapitel wird der Aufbau zweier Labore sozialer Innovation im Rahmen des Projekts KoSI-Lab veranschaulicht. Dabei werden vor allem die eben umrissenen Elemente der Organisation, des Prozesses, des Raumes und der Netzwerke betrachtet.

4 Koproduktion von Nachhaltigkeitsinnovationen im Projekt KoSI-Lab im Rahmen transdisziplinärer Forschung

4.1 Der Reallaboransatz und die transdisziplinäre Wissensintegration

Transdisziplinarität meint die Bewältigung realweltlicher Probleme in Kooperation zwischen Forschenden aus verschiedenen Disziplinen mit gesellschaftlichen Akteuren (Bergmann et al. 2010). Eine besondere Form transdisziplinärer Forschung ist die transformative Nachhaltigkeitsforschung (Bergmann et al. 2021; Defila und Di Giulio 2018). Sie ist zum einen transdisziplinär angelegt, indem sie unterschiedliche Wissenschaftsbestände integriert; ist nachhaltigkeitsbezogen, indem sie sich explizit normativ an der Idee einer nachhaltigen Entwicklung orientiert, und ist transformativ in Bezug auf die Generierung von umsetzbarem Wissen, d. h. die Entwicklung und Anwendung von Lösungen für konkrete Nachhaltigkeitsherausforderungen (Bergmann et al. 2021; Schäpke et al. 2018; Singer-Brodowski und Schneidewind 2019). Reallabore können als ein spezifisches Format transdisziplinärer und transformativer Forschung beschrieben werden. Mit diesem Forschungsformat werden erkenntnisbezogene Ziele (Forschungsziele) sowie auch transformative Ziele (Praxisziele) verfolgt. In diesem Sinne sind Reallabore partizipativ, d. h. auf die Beteiligung von Praxisakteuren angelegt (Defila und Di Giulio 2018). Realexperimente wiederum sind die Interventionen in Reallaborkontexten. Ihr Setting ist insofern experimentell, als das Design, Durchführung sowie Dokumentation und anschließende Aus- und Verwertung offen sind für die kollaborative Zusammenarbeit verschiedener Akteure:

„Realexperimente sind ergebnisoffen angelegt. Durch diese Prozessoffenheit wird ein größeres Maß an Flexibilität und Aufwand benötigt, als dies in anderen Forschungsvorhaben der Fall ist; Planbarkeit ist nur begrenzt gegeben. Dies wird dadurch verschärft, dass ein Realexperiment in einer nicht zu kontrollierenden, eben realweltlichen Umgebung, stattfindet. Äußere politische Umschwünge, neue lokale Gegebenheiten, aber auch gruppeninterne Prozesse machen sie zu sensiblen und hochdynamischen Unternehmungen.“ (Trenks et al. 2018, S. 235)

In diesem Sinne lässt sich das Forschungsprojekt KoSI-Lab als transdisziplinäres und transformatives Projekt in einem Teilbereich urbaner Governance einordnen. KoSI-Lab wurde geleitet von der Sozialforschungsstelle der Technischen Universität Dortmund. Weitere wissenschaftliche Partner waren das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie sowie das ILS – Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung, Dortmund. Praxispartner in Wuppertal waren zum einen die Stabsstelle Bürgerbeteiligung und Bürgerengagement der Stadt Wuppertal sowie die Ehrenamtsagentur Zentrum für gute Taten e. V. In Dortmund war die kommunale Wirtschaftsförderung Praxispartner. Dem transdisziplinären Ansatz entsprechend wurden die Arbeitspakete im Projekt entlang den Dimensionen Problemkonstitution, Partizipation gesellschaftlicher Akteure, Wissensintegration und Übertragbarkeit der Ergebnisse entwickelt und umgesetzt (Lux et al. 2019; Nagy et al. 2020). Um die Reallaborkontexte in beiden Städten zu konstituieren, wurden zu Beginn des Projekts die (Forschungs-)Fragen gemeinsam mit allen Partner*innen reformuliert. Darüber hinaus wurden Aufgaben und Verantwortungen im Arbeitsprozess bestimmt, sowie Erwartungen, Möglichkeiten und Grenzen des Projektkontextes diskutiert. Die wissenschaftlichen Partner*innen des Projekts entwickelten Vorstudien in Form von Projektberichten zu den Themen nachhaltige Stadtentwicklung, demografischer Wandel sowie Labore sozialer Innovation und Ökosysteme sozialer Innovation im urbanen Raum (Schultze et al. 2019). Des Weiteren erstellten die wissenschaftlichen Partner*innen in Absprache mit den Praxispartner*innen für beide Städte eine Kartierung bereits existierender, sozial innovativer Initiativen in Dortmund und Wuppertal. Die Erkenntnisse aus den Vorstudienberichten und der Kartierung flossen dann in die Vorbereitung von Stadtdialogen sowie in die Konzeptentwicklung für das KoSI-Lab Dortmund und das KoSI-Lab Wuppertal ein (Schultze et al. 2019). Im Zuge der Konzeptentwicklung wurden die Realexperimente für einzelne Innovationsprozesse innerhalb der KoSI-Labs vorgedacht. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass auch die Konzeptentwicklung selbst als Realexperiment verstanden werden kann.

4.2 Realexperimente im KoSI-Lab Wuppertal und KoSI-Lab Dortmund

Im Folgenden werden die im Forschungsprojekt KoSI-Lab durchgeführten Realexperimente kurz dargestellt. Eine ausführliche Beschreibung findet sich in der Projektabschlusspublikation Drehbuch für den Aufbau kommunaler Labore sozialer Innovation (Wascher et al. 2019) sowie in den einzelnen Projektberichten (Hasselkuß et al. 2018; Schmitt et al. 2019; Schmitt und Reutter 2019). Da sowohl das KoSI-Lab Wuppertal als auch das KoSI-Lab Dortmund verstetigt werden konnten, geht die Betrachtung der initiierten sozial innovativen Initiativen über den eigentlichen Projektkontext hinaus und veranschaulicht die Entwicklungen bis Mitte 2020. Um den jeweiligen Innovationscharakter in Bezug auf eine nachhaltige kommunale Entwicklung zu verdeutlichen, werden die Realexperimente hier in ihrem Beitrag zu einem spezifischen Ziel und Teilziel der Globalen Nachhaltigkeitsziele sowie der darauf bezogenen SDG-Indikatorik zugeordnet (Assmann et al. 2018; Martens und Obenland 2017).

Übergeordnet lässt sich feststellen, dass bereits die Konzeptentwicklung der beiden KoSI-Labs als neue Struktur in Kooperation zwischen einem zivilgesellschaftlichen Partner und der Öffentlichen Verwaltung (KoSI-Lab Wuppertal) sowie die Entwicklung innerhalb einer kommunalen Wirtschaftsförderung (KoSI-Lab Dortmund) für sich genommen als Nachhaltigkeitsinnovation eingeordnet werden können. KoSI-Labs stellen als Instrument einer kollaborativen, urbanen Governance einen Beitrag zu SDG 16 Inklusive Gesellschaften und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufbauen, insbesondere SDG 16.7 Entscheidungsfindung auf allen Ebenen bedarfsorientiert, inklusiv, partizipatorisch und repräsentativ gestalten dar.

4.2.1 Das Kommunale Labor sozialer Innovation in Wuppertal (KoSI-Lab Wuppertal)

Das KoSI-Lab Wuppertal ist eine Neuentwicklung eines Arbeitsbereichs des Zentrums für gute Taten e. V., der Freiwilligenagentur Wuppertal. Es bietet eine Anlaufstelle für Menschen und Initiativen, die eigene, gemeinwohlorientierte Ideen für und in Wuppertal umsetzen möchten. Das KoSI-Lab-Team Wuppertal berät, begleitet, moderiert und organisiert dabei Innovationsprozesse unter Berücksichtigung der frühzeitigen Zusammenarbeit unterschiedlichster Akteure wie Bürger*innen, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik (Schmitt et al. 2019). Der Fokus der Realexperimente ergab sich hier vor allem vor dem Hintergrund, dass zivilgesellschaftliches Engagement ein wichtiger Treiber einer nachhaltigen Entwicklung ist und Kommunen eine wichtige Rolle in der Förderung dieses Potenzials übernehmen können (Hasselkuß et al. 2018). Im Rahmen der Projektlaufzeit des Forschungsprojekts zwischen 2016 und 2019 wurden im KoSI-Lab Wuppertal vier Innovationsprozesse zur Generierung nachhaltigkeitswirksamer Praktiken entwickelt.

Der Pilotprozess des KoSI-Labs war die Errichtung einer Sitzbank in einem Quartier mit steilen Anstiegen. Besonders ältere Menschen sind in einer solchen Umgebung auf Möglichkeiten des Ausruhens angewiesen, wenn sie auch ohne Auto mobil bleiben möchten. Das KoSI-Lab Team unterstützte erfolgreich den Such- und Findungsprozess zwischen Bürger*innen und Stadtverwaltung, sodass auch weitere bürgerschaftlich initiierte Sitzbänke aufgestellt werden können (Schmitt et al. 2019). Dies ist ein Beitrag zu SDG 11 Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig gestalten und zielt insbesondere auf das Teilziel SDG 11.2 Zugang zu sicheren, bezahlbaren und nachhaltigen Verkehrssystemen. Dabei sollen v. a. auch die Bedürfnisse von Menschen in prekären Situationen, Frauen, Kindern, Menschen mit Behinderungen und älteren Menschen berücksichtigt werden.

Der zweite KoSI-Lab Prozess befasste sich mit dem Aufbau einer Quartiersmobilstation. Dies meint eine Kombination verschiedenster Mobilitätsangebote, z. B. Fahrradgaragen zum sicheren und abschließbaren Parken von Fahrrädern und Pedelecs sowie Fahrradabstellplätze mit der Möglichkeit, das Fahrrad zu sichern, Carsharingplätze, Taxi-Stellplätze und eine unmittelbare Anbindung zum ÖPNV. Hier hat das KoSI-Lab Team insbesondere den Austausch zwischen der Stadtverwaltung und der Bürger*inneninitiative „Mobiler Ölberg“ begleitet mit der erfolgreichen Umsetzung der ersten Quartiersmobilstation im Rahmen von mobil.NRW. Auch dieser Innovationsprozess ist ein Beitrag zu SDG 11.2 Nachhaltige Verkehrssysteme. Der Fokus liegt dabei vor allem auf der Erhöhung der Anteile des Fußverkehrs, Radverkehrs und ÖPNV am gesamten Verkehrsaufkommen mit Bezug zur Erreichung von Klimaneutralität in Kommunen.

Die Entwicklung und Umsetzung eines Pfandsystems für Mehrwegbecher statt der Nutzung von „Coffee-to-go“-Wegwerfbechern war Ziel des dritten Innovationsprozesses. Das KoSI-Lab Team unterstützte hier die Vernetzung zwischen Organisationen der Zivilgesellschaft, der Stadtverwaltungen im Bergischen Städtedreieck (Wuppertal, Solingen, Remscheid), der Abfallwirtschaftssysteme und der Bäckerinnung. Im Herbst 2019 konnte der „MEER-WERT-BECHER“ erfolgreich eingeführt werden. Dieser Innovationsprozess ist ein Beitrag zu SDG 12.5 Abfallaufkommen durch Vermeidung, Verminderung, Wiederverwertung und Wiederverwendung deutlich verringern.

Das vierte im Rahmen des KoSI-Lab Wuppertals durchgeführte Realexperiment innerhalb der Projektlaufzeit befasste sich mit der Wiederbelebung leerstehender Ladenlokale. Das Team unterstützte hier v. a. eine bürgerschaftliche Initiative gegen Leerstand von Gewerbeimmobilien im Stadtbezirk Heckinghausen. Es wurden neue Konzepte zur Gewerbenutzung entwickelt, eine Werbekampagne und weitere Aktionen umgesetzt. Dieser Prozess ist ein Beitrag zu SDG 11.3 Verstädterung inklusiver und nachhaltiger gestalten und Kapazitäten für eine partizipatorische, integrierte und nachhaltige Siedlungsplanung und -steuerung verstärken.

Zusammenfassend ergeben sich folgende zentrale Ergebnisse für das KoSI-Lab Wuppertal (vgl. Tab. 2):

Tab. 2 Elemente des KoSI-Lab Wuppertals im Zentrum für gute Taten e. V. (Quelle: Eigene Darstellung)

4.2.2 Das Kommunale Labor sozialer Innovation in Dortmund (KoSI-Lab Dortmund)

Das KoSI-Lab Dortmund konnte während der Projektlaufzeit 2016 bis 2019 zunächst zur Entwicklung einer Stabsstelle soziale Innovation innerhalb der kommunalen Wirtschaftsförderung Dortmund beitragen und ist seit Mitte 2019 konstituiert als Team Social Innovation Center (SIC-Do) innerhalb der Wirtschaftsförderung (Stadt Dortmund 2019). Ausgehend von ersten Überlegungen während der Konzeptentwicklung zu einem möglichen KoSI-Lab Dortmund als Organisation wurden verschiedene Optionen in der Kommunalverwaltung und innerhalb der Wirtschaftsförderung sowie mit unterschiedlichen Akteuren der Stadtgesellschaft diskutiert. Im Ergebnis musste sich das Konzept den Möglichkeiten und Grenzen vor Ort anpassen und sich im Prozess der Arbeit stets neu definieren. KoSI-Lab Dortmund hat daher für die eigenen Rahmenbedingungen ein dynamisches Verstetigungskonzept unter dem Titel Social Innovation Center Dortmund entworfen (Schultze et al. 2019).

In der Konzeptentwicklung zum KoSI-Lab Dortmund als Prozess wurde des Weiteren ein halbstandardisiertes Innovationsverfahren entwickelt, das als Grundlage zur Durchführung eines Pilotprozesses diente (Wascher et al. 2019). Als Thematik für den Pilotprozess wurde die Schulbegleitung, d. h. die schulische Begleitung durch Inklusionshelfende für Kinder und Jugendliche, als stadtgesellschaftliche Herausforderung ausgewählt. Die Mandatierung des Prozesses erfolgte in mehreren Schritten (Schultze et al. 2019). Das KoSI-Lab-Team Dortmund begleitete dabei einen Austausch zwischen Stadtverwaltung, Trägerorganisationen von Schulbegleitung sowie zivilgesellschaftlichen Initiativen. Dieser Innovationsprozess kann dem SDG 4 Hochwertige Bildung zugeordnet werden mit Fokus auf SDG 4a Bildungseinrichtungen bauen und ausbauen, die kinder-, behinderten- und geschlechtergerecht sind und eine sichere, gewaltfreie, inklusive und effektive Lernumgebung für alle bieten.

Bereits währen der Projektlaufzeit wurden Ideen für weitere inhaltliche Aktionsfelder des Social Innovation Center Dortmund entwickelt. Nach Ende des KoSI-Lab-Forschungsprojekts wird im SIC-Do unter anderem an folgenden Projekten gearbeitet:

Im Bereich „Schule & Wirtschaft“ startete im August 2020 das Programm „Mit Hauptschulabschluss durchstarten in die duale Ausbildung“. Es ist einzuordnen als Beitrag zu SDG 8.6 Den Anteil junger Menschen, die ohne Beschäftigung sind und keine Schul- oder Berufsausbildung durchlaufen, erheblich verringern sowie SDG 4.4 Die Zahl der Jugendlichen und Erwachsenen wesentlich erhöhen, die über die entsprechenden Qualifikationen einschließlich fachlicher und beruflicher Qualifikationen für eine Beschäftigung oder Selbstständigkeit verfügen.

Für den Bereich „Arbeit & Quartier“ liegt der Fokus auf der Weiterentwicklung der Dortmunder Quartiersbüros „BergAUF“ in Eving und „Meilenstein“ in Marten. Dies ist ein Beitrag zu SDG 11.3 Verstädterung inklusiver und nachhaltiger gestalten und die Kapazitäten für eine partizipatorische, integrierte und nachhaltige Siedlungsplanung und -steuerung verstärken.

Für den Bereich „Work & Care“ ist das Projekt „Betriebsnahe Kinderbetreuung auf PHOENIX West“ in Umsetzung. Dies ist ein Beitrag zu SDG 4.2 Sicherstellen, dass alle Mädchen und Jungen Zugang zu hochwertiger frühkindlicher Erziehung, Betreuung und Vorschulbildung erhalten, damit sie auf die Grundschule vorbereitet sind.

Darüber hinaus wurde bereits 2013 das CSR-Netzwerk Dortmund gegründet mit dem Ziel, gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen wahrzunehmen und die Region Dortmund zu stärken. Seit 2019 ist das CSR-Netzwerk als Verein „Bewusst wie e. V.“ konstituiert und ein wichtiger Netzwerkbaustein für das SIC-Do innerhalb der Wirtschaftsförderung. Dies ist ein Beitrag zu SDG 12.6 Die Unternehmen, insbesondere große und transnationale Unternehmen, dazu ermutigen, nachhaltige Verfahren einzuführen und in ihre Berichterstattung Nachhaltigkeitsinformationen aufzunehmen.

Zusammenfassend ergeben sich folgende zentrale Ergebnisse für das Social Innovation Center Dortmund (SIC-Do) (vgl. Tab. 3):

Tab. 3 Elemente des Social Innovation Center Dortmund. (Quelle: Eigene Darstellung)

4.3 Reflexion der Chancen und Herausforderungen der erprobten Realexperimente im Kontext der Reallabore Dortmund und Wuppertal

Für die Reflexion über die Realexperimente im Projekt KoSI-Lab wurden verschiedene Methoden genutzt (Trenks et al. 2018). Unter anderem gab es eine jährliche Supervision, d. h. eine Befragung durch die Wissenschaftler*innen des ILS im Rahmen von Fokusgruppengesprächen mit den Projektteilnehmer*innen. Darüber hinaus wurden die Protokolle projektinterner Arbeitstreffen genutzt sowie die Veranstaltungsdokumentation öffentlicher Veranstaltungen und Workshops sowie der Runden Tische in Wuppertal (Wascher et al. 2019).

Für die Reflexion der Realexperimente in Wuppertal lässt sich festhalten, dass zum einen die kollaborative Zusammenarbeit aller Beteiligten des KoSI-Lab Projektteams, d. h. zwischen dem Zentrum für gute Taten e. V., der Stadtverwaltung Wuppertal und dem Wuppertal Institut, ein zentraler Faktor für den Projekterfolg war. Dies gilt auch bezogen auf die Kooperation mit dem gesamten Projektverbund (Praxispartner*innen Wuppertal und Dortmund und wissenschaftliche Partner*innen) sowie den Vertreter*innen der zivilgesellschaftlichen Initiativen vor Ort. Kollaborative Zusammenarbeit meint hierbei, dass die besonderen Akteurskonstellationen und unterschiedlichen Perspektiven gebündelt werden konnten (aus Zivilgesellschaft, Verwaltung und Wissenschaft) (Schmitt und Reutter 2019). Die einzelnen Innovationsprozesse des KoSI-Labs Wuppertal konnten so durch den Zuspruch von Stakeholdern, Begünstigten und der Allgemeinheit eine breite Akzeptanz finden. In der experimentellen Erprobung wurde deutlich, dass dabei vor allem die gesellschaftlichen Bedarfe verschiedener zivilgesellschaftlicher Initiativen und weiterer Akteure als Ausgangsbasis für Innovationsprozesse von Belang sind.

„Die erfolgreich umgesetzten bzw. angestoßenen Aktivitäten veranschaulichen, was an Potenzial freigesetzt werden kann, wenn sich die verschiedenen Akteur*innen vernetzen und gemeinsame Ziele verfolgen. Das KoSI-Lab Projekt hat also einen Bedarf gedeckt, den die an sozialer Innovation beteiligten Akteur*innen vorher nicht gedeckt haben bzw. nicht decken konnten.“ (Schmitt und Reutter 2019, S. 18)

Ähnliche Ergebnisse haben sich auch in Dortmund gezeigt. Kommunale Innovationslabore brauchen Vertrauen und Rückhalt in der Stadtgesellschaft und ein robustes Mandat für die intendierten Prozesse. Dabei braucht es kommunale Infrastrukturen und eine verlässliche Institutionalisierung. Dies bezieht sich u. a. auf die Herstellung der Voraussetzungen zur Einrichtung solcher Innovationsräume, d. h. insbesondere die Zustimmung kommunaler Entscheidungsträger*innen. Darüber hinaus beinhaltet es auch die notwendige Unterstützung kollaborativer Arbeitsprozesse durch entsprechende Methodenkompetenz der Mitarbeitenden. Die Ergebnisse dieser Innovationsprozesse wiederum benötigen ein sozial innovatives Umfeld, in dem Ideen weiterentwickelt werden können und sich als soziale Innovation in einer Stadtgesellschaft verbreiten können. Für das KoSI-Lab Dortmund lässt sich feststellen, dass kommunale Innovationsprozesse, die auf sozial innovative Initiativen ausgerichtet sind, neue Lern- und Beteiligungsmöglichkeiten für Akteure schaffen. Auch wenn dies Verwaltungsentscheidungen nicht ersetzen und ggf. nur zum Teil verändern kann, können trotzdem Versuchsräume entstehen, durch die Akteure neue Perspektiven in den städtischen Diskurs um konkrete Herausforderungen einbringen können (Wascher, Elias, Reutter et al. 2019). Die Idee, mit dem Social Innovation Center Dortmund ein Innovationsmanagement zwischen öffentlicher Verwaltung und Stadtgesellschaft auf den Weg zu bringen, hat damit nach Projektabschluss eine konkrete Form angenommen.

„Und vor allem hat es gezeigt: Ob als Labor, Stabsstelle oder Social Innovation Center, um die Entwicklung sozialer Innovationen an den stadtgesellschaftlichen Herausforderungen auszurichten, sind kommunale Infrastrukturen unabdingbar. Diese können dann auch vor Ort eine Koordinierungsfunktion für die vielfältigen Ansätze übernehmen.“ (Stadt Dortmund 2019, S. 33)

Zukünftig soll das Social Innovation Center Dortmund daher die Bearbeitung von identifizierten, komplexen stadtgesellschaftlichen Problemen koordinieren bzw. mit unterstützen. Dafür schafft das SIC-Do-Team Diskussionsräume und moderiert Prozesse für das gemeinschaftliche Erarbeiten von Lösungen in multiperspektivischen Gruppen. Abhängig vom jeweiligen konkreten Problemzusammenhang sind Vertreter* innen und Beschäftigte der öffentlichen Verwaltung und der Privatwirtschaft ebenso beteiligt wie zivilgesellschaftliche Organisationen sowie Wissenschaft und Forschung, insbesondere die Dortmunder Hochschulen.

Zentrales Ergebnis aus der Erprobung ist, dass es gelungen ist, in beiden Städten, Dortmund und Wuppertal, eine entsprechende kommunale Infrastruktur für „Orte der Koproduktion“ zu etablieren.

5 Innovationslabore als Instrument einer transformativen Governance in Kommunen

Ausgehend von der eingangs beschriebenen Einordnung kommunaler Innovationslabore in den Kontext von Politik- und Verwaltungsinnovation sowie nachhaltigkeitsbezogener Innovationspolitik, wurde gezeigt, dass Nachhaltigkeitsinnovationen vor allem dann koproduktiv erfolgreich auf den Weg gebracht werden können, wenn dafür eine geeignete Infrastruktur zur Verfügung steht. Denn intermediäre Einrichtungen, wie Labore oder Zentren sozialer Innovation, tragen dazu bei, soziale Innovationsprozesse zu initiieren, zu moderieren und methodisch zu gestalten. Sie unterstützen darin, komplexe Probleme zu bewältigen, insbesondere solche, für die (zunächst) keine klare formale Zuständigkeit gegeben ist. Labore sozialer Innovation als kollaborative Räume bieten Gelegenheit und Methoden, um Herausforderungen zu begegnen, die sich insbesondere aus dem breiten Themenspektrum zur Förderung nachhaltiger Kommunen ergeben. Durch neue Kooperationsformen zwischen städtischen Akteuren können diese Herausforderungen, wie etwa die Weiterentwicklung kommunaler Mobilitätssysteme oder die Revitalisierung von Immobilienleerständen, erfolgversprechend und zukunftsfähig bewältigt werden. Innovationslabore leisten so einen Beitrag zu einer kollaborativen Governance in Kommunen. Im Sinne einer partizipativen Governance und vor dem Hintergrund der Möglichkeiten und Grenzen von Bürger*innenbeteiligung (Neunecker 2016) muss kommunale Governance verstärkt die Kooperation zwischen den verschiedensten institutionellen Akteuren fokussieren (darunter die organisierte Zivilgesellschaft, Privatwirtschaft, aber v. a. auch diverse Organisationen der Kommunalverwaltung selbst).

Bei der Einrichtung von Innovationslaboren und den darin geförderten Innovationsprozessen müssen bereits in der Phase der Problemidentifikation und Mandatierung ausdrücklich auch Schwerpunkte auf die Entwicklung gesellschaftlicher Praktiken für nachhaltige Stadtentwicklung gelegt werden, um eine Wirkung in Bezug auf nachhaltige Kommunen erreichen zu können. Dies bezieht sich zum einen auf die Auswahl der Themenstellung für einen Innovationsprozess, gleichzeitig aber auch auf die Rahmenbedingungen und Finanzierungsmöglichkeiten, über die der Innovationsprozess gefördert werden kann.

Selbstverständlich macht „ein Innovationslabor für Nachhaltigkeitsinnovationen“ für sich genommen keine nachhaltige Stadtgesellschaft aus. Aber jedes Labor bzw. jeder Experimentierraum für Nachhaltigkeitsinnovationen ist ein – wenn auch kleiner – Baustein in einem Konglomerat an nachhaltigkeitsbezogenen Initiativen einer Kommune. Um das Transformationspotenzial einzelner Nachhaltigkeitsinnovationen zu erhöhen, müssen Kommunen verstärkt die Wechselwirkungen zwischen Nischenlösungen, d. h. separat vorangetriebenen Vorhaben (z. B. Einzelprojekte, spezifisch zeitlich begrenzte Förderprogramme und Initiativen), strategisch unterstützen und vernetzen (BBSR 2020; Wirth und Levin-Keitel 2020). Darüber hinaus muss eine Anbindung der Nachhaltigkeitsexperimente an lokalpolitische Entscheidungsmechanismen möglich werden, vor allem auch in Bezug auf langfristige Strategien der Kommunalverwaltung und -politik (Mukhtar-Landgren et al. 2019). Beispiele sind integrierte kommunale Masterpläne sowie andere systemperspektivisch kombinierte Formen ordnungsrechtlicher, planerischer, informativer und fiskalischer Maßnahmen und Instrumente (Aderhold et al. 2015). Eine wichtige Frage der Forschung zu transformativer urbaner Governance lautet daher, ob und wie es gelingen kann, dass Innovation und nachhaltige Entwicklung stärker im Bereich kommunaler Pflichtaufgaben und freiwilliger Leistungen wahrgenommen und ggf. verankert werden können (WBGU 2016). Die Einrichtung geeigneter kommunaler Innovationsinfrastrukturen ist dabei ein wichtiger Schritt.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass eine gezielte Innovationspolitik für die Entwicklung nachhaltiger Kommunen notwendig ist. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil der Befähigung von Kommunen, Transformationspfade einschlagen zu können und diese in breiter Partnerschaft und mit koproduktiven Elementen umzusetzen. International wird diese Form der Befähigung unter den Stichworten Transformative Literacy und (Urban) Transformative Capacity diskutiert (Schneidewind 2013; Wolfram et al. 2019). Es geht dabei um die Ermöglichung von Lernumgebungen, durch die Nachhaltigkeitstransformationen initiiert und verbreitet werden können. Die Schaffung vielfältiger Diskussionsräume in Städten, u. a. in Form von Innovationslaboren und -zentren, ist dabei ein Bestandteil einer transformativen Governance.

Der transformative Effekt zivilgesellschaftlicher wie auch kommunaler Aktivitäten kann durch die Verknüpfung mit wissenschaftlicher Expertise verstärkt werden (WBGU 2016). Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen wird hier eine besondere Rolle zugetragen, denn sie verfügen über interdisziplinäre Expertise und sind in vielfältige Wissensräume eingebunden (WBGU 2016; Wolfram et al. 2019). Das Wissen um die Entwicklung und erfolgreiche Durchführung transdisziplinärer Forschungsprojekte wächst, und es wird für interessierte Wissenschaftler*innen zunehmend einfacher, auf Erkenntnisse zu einer gelungenen Verbindung von Forschungs- und Praxisdesigns in solchen Projektkontexten zurückzugreifen (Bergmann et al. 2021; Defila und Di Giulio 2018). Wege der Transformation hin zu nachhaltigen Kommunen müssen nicht notwendigerweise wissenschaftlich begleitet oder gar durch Wissenschaftseinrichtungen initiiert werden. Aber verschiedene transdisziplinäre Forschungsprojekte können diesen Prozess in einer Kommune wesentlich unterstützen. Denn Kommunen können ohne geeignete innovationspolitische Rahmensetzungen, die sowohl nachhaltigkeitsbezogene Zielkorridore (mit)formulieren und entsprechende Ressourcen bereitstellen, die diversen Barrieren hin zu einer nachhaltigen Transformation kaum allein bewältigen (BBSR 2020; BMBF 2015; WBGU 2016).