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1 Entwicklungsanforderungen im Jugendalter

Ausgehend von den vielfältigen Entwicklungsanforderungen, die sich Jugendlichen stellen, wird in diesem Kapitel darauf eingegangen, welche Rolle Peerbeziehungen bei der Bewältigung von Entwicklungsanforderungen spielen und auf welche Entwicklungsdimensionen sie Einfluss nehmen. Daran anschließend wird auf bedeutsame Mechanismen eingegangen, über die Gleichaltrige die Entwicklung von Jugendlichen beeinflussen. Abschließend wird auf die Rolle Gleichaltriger für das Wohlbefinden und die Gesundheit von Jugendlichen eingegangen.

1.1 Entwicklungsaufgaben, kritische Lebensereignisse und Alltagsprobleme

Jugendliche sind mit vielen neuen Anforderungen konfrontiert, die sich einerseits aus den pubertär bedingten körperlichen Veränderungen und andererseits durch vielfältige neue soziale Herausforderungen ergeben, da auch die soziale Umwelt veränderte Erwartungen an Jugendliche heranträgt. Hinzu kommt die zunehmende Fähigkeit zur Selbstreflektion und damit verbunden zum Aufbau des Selbstkonzepts und einer eigenständigen Identität.

Wie schon Havighurst (1953, 1972) konstatierte, gehört zu den typischen Entwicklungsaufgaben im Jugendalter unter anderem (a) die Akzeptanz und der effektive Umgang mit dem eigenen Körper, (b) die Findung und Übernahme von Geschlechtsrollen, (c) der Aufbau neuer und reifer Beziehungen zu Gleichaltrigen des eigenen und des anderen Geschlechts sowie (d) die Loslösung und emotionale Unabhängigkeit von den Eltern und anderen Erwachsenen (s. auch Eschenbeck und Knauf 2018). Neben den Entwicklungsaufgaben stellen sich vielen Jugendlichen weitere Anforderungen durch kritische Lebensereignisse (wie chronische Erkrankungen oder Verlust von Bezugspersonen) sowie durch alltägliche Probleme (wie Streitereien mit Mitschülern oder Klausuren und Hausaufgaben). Dem großen Spektrum an potenziellen Anforderungen steht auf der anderen Seite häufig ein noch unzureichendes Bewältigungspotenzial gegenüber, um die Anforderungen erfolgreich meistern zu können. Aus den Entwicklungsaufgaben, aus kritischen Lebensereignissen und alltäglichen Problemen kann also eine Überlast entstehen, wenn gleichzeitig ein Mangel an personalen und sozialen Bewältigungsressourcen besteht. Dies kann wiederum mit erhöhten Entwicklungsrisiken für betroffene Jugendliche verbunden sein.

1.2 Aufbau von Beziehungen zu Gleichaltrigen als Entwicklungsaufgabe

In dem Maße, in dem Jugendliche ihre Eltern de-idealisieren und die Werte und Normen der Elterngeneration in Frage stellen (Lohaus und Vierhaus 2019), wenden sie sich vielfach Gleichaltrigen zu, die ihnen in vielerlei Hinsicht ähnlicher sind (z. B. im Hinblick auf Kleidungsstil, Sprache, Musikgeschmack, Einstellungen etc.). Hinzu kommt, dass Beziehungen zu anderen Jugendlichen nach eigenen Präferenzen gezielt hergestellt und gestaltet werden können, während dies bei den Beziehungen innerhalb der Familie deutlich schwieriger ist, weil diese Beziehungen nicht frei wählbar sind und über lange Zeiträume entstanden sind, was gleichzeitig bedeutet, dass sie sich bereits weitgehend stabilisiert haben (Laursen und Adams 2018). Hier Veränderungen herbeizuführen, bedeutet Konflikte und Auseinandersetzungen, die im Jugendalter ebenfalls nicht untypisch sind und insbesondere im Übergang zwischen früher und mittlerer Adoleszenz häufig auftreten (Koepke und Denissen 2012). Der Aufbau von Beziehungen zu Gleichaltrigen schafft hier oftmals ein Gegengewicht, um zur Kompensation von Problemen in der Familie (und auch in anderen Sozialsettings wie der Schule) beizutragen (Cooper und Cooper 1992). Der Beziehungsaufbau zu Gleichaltrigen ist (somit) nicht nur eine Entwicklungsaufgabe, die eigene Anforderungen an die Jugendlichen stellt, sondern ebenso eine Ressource, die dazu beitragen kann, Anforderungen in anderen Bereichen zu kompensieren.

1.3 Beziehungen zu Gleichaltrigen als Schutz- und Risikofaktoren

Im Allgemeinen können Beziehungen zu Gleichaltrigen als Schutzfaktoren aufgefasst werden, weil sie durch soziale und emotionale Unterstützung zur Anforderungsbewältigung (z. B. beim Umgang mit Entwicklungsaufgaben) sowie auch zum allgemeinen Wohlbefinden im Jugendalter beitragen können. Dies setzt allerdings in der Regel eine hinreichende soziale Kompetenz voraus, da dadurch ein Beziehungsaufbau leichter gelingen kann (Wentzel und Erdley 1993). Neben mangelnden sozialen Kompetenzen kann es auch weitere biopsychosoziale Charakteristika geben, die es manchen Jugendlichen erschweren, Beziehungen zu Gleichaltrigen aufzubauen. Insgesamt ist der Anteil der Jugendlichen, die angeben, über keinerlei enge Beziehungen zu Gleichaltrigen zu verfügen, eher gering (Claes 1992). Da in diesen Fällen jedoch andere Jugendliche als Quelle sozialer und emotionaler Unterstützung ausfallen, erhöht dies die Gefahr von Entwicklungsrisiken, die gegebenenfalls auf anderen Wegen auszugleichen sind (z. B. durch familiären Rückhalt).

In der Regel ist allerdings davon auszugehen, dass Jugendliche einen großen Teil ihrer freien Zeit mit Gleichaltrigen verbringen und dass sie mehr als andere Altersgruppen um soziale Akzeptanz in der Gleichaltrigengruppe bemüht sind (Brown 2011; Reitz et al. 2014). Es hängt dabei vor allem von der Ausrichtung der präferierten Gleichaltrigen ab, ob der Schutz- oder Risikocharakter der Gleichaltrigenbeziehungen überwiegt. Man kann davon ausgehen, dass prosozial orientierte Gleichaltrige eher Schutzeffekte erzeugen, während antisozial eingestellte Gleichaltrige eher mit einer Intensivierung von Entwicklungsrisiken (im Sinne von aggressivem Verhalten, Alkohol- und Drogenkonsum, frühem Einsetzen sexueller Aktivitäten und niedrigeren Bildungsabschlüssen) assoziiert sind (Sanders et al. 2017). Wenn Gleichaltrigenbeziehungen bestehen, können sie demnach eine ambivalente Wirkung (in die positive und negative Richtung) erzielen (Müller und Minger 2013).

Ob Beziehungen zu anderen Jugendlichen als Schutz- bzw. Risikofaktor wirken können, hängt nicht nur von der sozialen Ausrichtung der Gleichaltrigen ab, sondern auch von der Intensität der Einbindung in ein Gleichaltrigen-Netzwerk. Nach Fussan (2006; s. auch Röhrle 1994) sind dabei als Parameter die Größe des Netzwerks, die Zentralität der Position eines Jugendlichen in einem Gleichaltrigen-Netzwerk sowie die Kontakthäufigkeit zu nennen. So ist die Chance einer Beeinflussung, im positiven wie im negativen Sinn, größer bei einem kleinen bis mittleren Netzwerk, in dem bei hoher Kontakthäufigkeit eine zentrale Position eingenommen wird. Umgekehrt wird der Einfluss in der Regel geringer sein bei einem sehr großen Netzwerk, in dem eine randständige Position bei geringer Kontakthäufigkeit eingenommen wird.

Man kann also zusammenfassend festhalten, dass Jugendliche mit hohen Anforderungen durch Entwicklungsaufgaben, kritische Lebensereignisse und alltägliche Probleme konfrontiert sein können. Angesichts eines häufig noch geringen Erfahrungsschatzes im Umgang mit Anforderungen und Problemen können sich aus Beziehungen zu Gleichaltrigen im positiven Sinne Ressourcen zur Problembewältigung, aber auch Entwicklungsrisiken ergeben. Gleichzeitig ist der Aufbau von Gleichaltrigen-Beziehungen eine Entwicklungsaufgabe für Jugendliche, die ihrerseits Anforderungen an sie stellt, die zu bewältigen sind.

2 Formen von Peerbeziehungen

2.1 Gleichaltrige, Freunde, Cliquen und Subkulturen

Gleichaltrigenbeziehungen sind durch Reziprozität und Gleichberechtigung charakterisiert, wodurch sie sich im Regelfall von Erwachsenen-Kind-Beziehungen (wie Eltern-Kind-Beziehungen) unterscheiden. Sie bieten damit gleichzeitig einen Lernraum zum Aufbau, zur Aufrechterhaltung und gegebenenfalls auch zur Beendigung von Sozialbeziehungen. Das Alter der „Gleichaltrigen“ kann dabei durchaus variieren, entscheidend ist, wer als gleichaltrig wahrgenommen wird. Insgesamt nehmen Gleichaltrigenbeziehungen im Jugendalter an Bedeutung zu, was daran zu erkennen ist, dass mehr Zeit mit Gleichaltrigen verbracht wird und dass die Erwartungen und Meinungen von Gleichaltrigen zunehmend wichtiger werden (Brown und Larson 2009).

Ein Spezialfall der Gleichaltrigenbeziehungen sind Freundschaftsbeziehungen, die nicht nur durch Reziprozität, Gleichberechtigung und Freiwilligkeit, sondern auch ein hohes Ausmaß an Intimität und gegenseitigem Vertrauen charakterisiert sind. Nach Brown und Larson (2009) basieren Freundschaften häufig auf dem Prinzip der Ähnlichkeit (von Interessen, Einstellungen, Werten etc.), wobei jedoch auch Ergänzungseffekte zu beobachten sind. Dies bedeutet, dass Freunde gewählt werden, die über Kompetenzen verfügen, von denen man lernen kann und die die eigene Entwicklung fördern. Freunde stellen eine wichtige (und in der Regel verlässliche) Ressource da, um soziale, emotionale und instrumentelle Unterstützung bei der Bewältigung von Anforderungen zu erhalten. Andererseits können sich Freundschaften eher als familiäre Bindungen wieder auflösen, sodass sich aus den Freundschaftsbindungen auch Entwicklungsrisiken ergeben können (Poulin und Chan 2010). Besondere Probleme können sich vor allem dann ergeben, wenn Jugendliche in nur wenige, aber sehr intensive Freundschaften involviert sind, die dann jedoch zerbrechen.

Von engen Freundschaftsbeziehungen sind Cliquenbildungen unter Jugendlichen zu unterscheiden, die in der Regel größere Gruppen umfassen, zwischen denen enge Kontakte bestehen. Die emotionalen Bindungen zwischen den Gruppenmitgliedern sind weniger eng als bei Freundschaften, wobei jedoch zwischen einzelnen Mitgliedern auch emotionale Bindungen im Sinne von Freundschaften bestehen können. Insgesamt sind die sozialen Beziehungen innerhalb von Cliquen häufig über die Zeit weniger stabil als Freundschaftsbeziehungen (Brown 2004). Cliquen sind für Jugendliche nicht nur eine Ressource zum Erhalt von Hilfe und Unterstützung, sondern schaffen auch eine Möglichkeit, sich Gleichaltrigen mit ähnlichen Interessen und Präferenzen anzuschließen. Gleichzeitig können sich aus den Cliquen gleich- und gegengeschlechtliche Freundschaften entwickeln. Entwicklungsrisiken können sich hier – ähnlich wie bei Freundschaften – aus Konflikten innerhalb von Cliquen ergeben, die zur Auflösung einer Clique oder zum Ausschluss einzelner Mitglieder führen. Während enge Freundschaftsbeziehungen häufiger von Mädchen berichtet werden, sind Jungen häufiger in Cliquen organisiert (Buhrmester 1990).

Subkulturen kennzeichnen Jugendlichen-Gruppierungen mit gemeinsamen Werten, Einstellungen und Lebensstilen (Bobakova et al. 2015), denen sich einzelne Jugendliche zugehörig fühlen, wobei das Zugehörigkeitsgefühl beispielsweise durch einen ähnlichen Kleidungsstil, einen ähnlichen Musikgeschmack oder ähnliche Werte zum Ausdruck gebracht werden kann. Im Unterschied zu Cliquen bestehen nicht notwendigerweise direkte Interaktionen zwischen den Subkulturmitgliedern. Die empfundene Zugehörigkeit zu einer Subkultur kann insofern eine Ressource sein, als sie die Identitätsbildung sowie das Affiliationsbedürfnis Jugendlicher unterstützt.

2.2 Offline- und Online-Beziehungen

Da Internetverbindungen mittlerweile für Jugendliche praktisch flächendeckend und täglich verfügbar sind (z. B. über Smartphones), finden viele Kontakte zwischen Jugendlichen nicht mehr nur in unmittelbaren Face-to-Face-Interaktionen, sondern auch über soziale Online-Netzwerke statt. Vergleicht man Freundschaftsbeziehungen, die ausschließlich offline stattfinden, mit Online-Freundschaften, dann lässt sich konstatieren, dass reine Online-Freundschaften als weniger eng und unterstützend beschrieben werden als reine Offline-Freundschaften (Glüer und Lohaus 2016; Mesch und Talmund 2006). Auch Online-Beziehungen werden (wie Offline-Beziehungen) von Mädchen häufig als enger beschrieben als von Jungen (Valkenburg und Peter 2007), während auf der anderen Seite Jungen wiederum in Online-Beziehungen eine größere Bereitschaft zeigen, über eigene Probleme ins Gespräch zu kommen (Schouten et al. 2007). Während die Kommunikation in sozialen Online-Netzwerken in der Regel verbal unter Zuhilfenahme von Symbolen oder Bildern erfolgt, steht in Offline-Kommunikationen zusätzlich das gesamte Spektrum an Mimik und Gestik zur Verfügung. Dies mag dazu beitragen, dass die Beziehungsqualität bei reinen Offline- und Online-Beziehungen teilweise als unterschiedlich beschrieben wird (Glüer und Lohaus 2016).

Tatsächlich sind reine Offline- bzw. Online-Beziehungen im Alltag allerdings wohl eher die Ausnahme. Deutlich verbreiteter sind gemischte Beziehungen mit Offline- und Online-Anteilen. Hier kann vermutet werden, dass eine Offline-Beziehung durch zusätzliche Online-Interaktionen in sozialen Online-Netzwerken eher gewinnt (Khan et al. 2016). Dadurch steigt einerseits die gemeinsam verbrachte Zeit und andererseits können leichter auch Themen angesprochen werden, die man im direkten Face-to-Face-Kontext vielleicht nicht anzusprechen gewagt hätte.

Mit Online-Kontakten können nicht nur bestehende Beziehungen intensiviert werden, sondern es können auch neue Kontakte aufgebaut werden. Insofern bieten sich über soziale Online-Netzwerke vielfältige Gelegenheiten für Jugendliche, eigene soziale Netzwerke aufzubauen und auszubauen und dadurch zusätzliche soziale Kompetenzen zu erwerben. Mit der Partizipation an sozialen Online-Netzwerken sind jedoch nicht nur Ressourcen, sondern auch Risiken verbunden. In diesem Zusammenhang ist insbesondere das Cyberbullying zu nennen, da mit sozialen Online-Netzwerken auch die Möglichkeit verbunden ist, den Teilnehmenden Schaden zuzufügen (z. B. durch die Verbreitung von Gerüchten, durch Identitätsdiebstahl oder durch das Blocken von Teilnehmern; Glüer und Lohaus 2015).

2.3 Romantische Beziehungen

Eine Sonderform der Freundschaftsbeziehung ist in der Aufnahme einer romantischen Beziehung zu sehen. Während Freundschaftsbeziehungen zu mehreren Freunden bestehen können, sind romantische Beziehungen in der Regel auf einen Partner gerichtet. Nach der Shell-Jugendstudie 2019 gehört es zu den wichtigsten Werten für Jugendliche, über gute Freunde und über eine vertrauensvolle Partnerschaft zu verfügen. In einer festen Partnerschaft sehen sich 5 % der 12- bis 14-Jährigen, 24 % der 15- bis 17-Jährigen, 34 % der 18- bis 21-Jährigen sowie 52 % der 22- bis 25-Jährigen. Es fällt dabei auf, dass die Angaben beim weiblichen Geschlecht höher ausfallen als beim männlichen Geschlecht (Albert et al. 2019). Als Grund für diesen Geschlechtsunterschied wird unter anderem die frühere körperliche Reife von Mädchen diskutiert, die die Wahrscheinlichkeit von Kontakten zu älteren Gleichaltrigen und damit der Aufnahme einer Partnerschaft erhöht (Vierhaus und Wendt 2018). Nach Seiffge-Krenke (2003) steigt die Partnerschaftsdauer mit dem Alter und liegt im Alter von 13 Jahren bei vier Monaten, mit 15 Jahren bei fünf Monaten, mit 17 Jahren bei 12 Monaten und mit 21 Jahren bei 21 Monaten. Ähnliche Daten werden auch von Wendt und Walper (2013) berichtet (s. zusammenfassend Vierhaus und Wendt 2018). Partnerschaften sind damit im Jugendalter vielfach nicht über lange Zeiten hinweg stabil, bieten aber ein wichtiges Lernfeld für den Aufbau sozialer und emotionaler Kompetenzen in engen Beziehungen, wobei auch die Bewältigung der Auflösung einer engen Beziehung dazu gehören kann.

Häufig eng verknüpft mit dem Aufbau von Partnerschaften ist der Aufbau sexueller Beziehungen. Nach einer repräsentativen Befragung zur Jugendsexualität der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA, Bode und Heßling 2015) gaben 6 % der 14-Jährigen an, über Geschlechtsverkehr-Erfahrungen zu verfügen. Die Werte steigen auf 19 %, 39 %, 58 % und 69 % im Alter von 15 bis 18 Jahren an. Da die Werte höher liegen als die Angaben zu den festen Partnerschaften, spricht dies dafür, dass sexuelle Erfahrungen teilweise auch außerhalb fester Partnerschaften gesammelt werden. Insgesamt ist das Jugendalter ein wichtiges Experimentierfeld zum Sammeln erster sexueller Erfahrungen, die die weiteren Einstellungen und Verhaltensweisen im Bereich der Sexualität prägen können und zur Findung einer eigenen sexuellen Identität und Orientierung beitragen (Lohaus und Vierhaus 2019).

2.4 Soziometrischer Status

Das Ausmaß, in dem Jugendliche in Sozialbeziehungen involviert sind und von Gleichaltrigen akzeptiert werden, wird im soziometrischen Status abgebildet. Typischerweise wird der soziometrische Status auf der Grundlage der Häufigkeit, mit der ein Jugendlicher von der Gleichaltrigengruppe als guter Freund benannt wird, bestimmt. Umgekehrt kann ebenso berücksichtigt werden, wie häufig ein Jugendlicher von der Gruppe abgelehnt wird (Wentzel 2003).

Viele Freundschaftsnominierungen bei gleichzeitig wenig Ablehnungen weisen auf einen hohen soziometrischen Status hin, während sich das umgekehrte Muster bei schlecht integrierten Jugendlichen zeigt. Auch kann es sein, dass ein Gruppenmitglied zugleich viele positive als auch viele negative Nominierungen erhält, also einen kontroversen Status in der Gruppe innehat. Wird ein Jugendlicher nicht als Freund genannt, jedoch auch nicht abgelehnt, ist dies ein Indiz dafür, dass er oder sie in der Gruppe wenig beachtet wird. Der soziometrische Status verdeutlicht also die soziale Position eines Jugendlichen in seiner Bezugsgruppe und kann als Maß für den sozialen Rückhalt, den ein Jugendlicher in einer Gleichaltrigengruppe genießt, dienen.

Es gibt viele Hinweise darauf, dass der soziometrische Status als Maß für die soziale Integration mit einer Reihe von Entwicklungsparametern assoziiert ist. So ließ sich beispielsweise zeigen, dass nicht nur zu sozial-emotionalen, sondern auch zu kognitiv-leistungsbezogenen Parametern Bezüge bestehen (Gallardo et al. 2016). Unter den abgelehnten Jugendlichen lässt sich eine Teilgruppe identifizieren, die durch feindliches, störendes oder aggressives Verhalten charakterisiert ist, und weiterhin eine Teilgruppe, die sich sehr zurückgezogen verhält und deswegen von der Gleichaltrigengruppe abgelehnt wird. Die erste Teilgruppe schließt sich nicht selten antisozialen Cliquen an, während die zweite Teilgruppe eher internalisierende Symptome (wie depressive Symptome) entwickelt (Vierhaus und Wendt 2018). Umgekehrt legen Jugendliche mit einem positiven soziometrischen Status häufiger prosoziales Verhalten und hohe soziale Kompetenz an den Tag. Nicht selten ist diese Gruppe auch durch bessere Schulleistungen charakterisiert (Wentzel 2003).

Allgemein lässt sich festhalten, dass die Sozialbeziehungen im Jugendalter viele verschiedene Formen annehmen können. Der soziometrische Status kann dabei ein Indikator für die soziale Integration eines Jugendlichen sein. Er indiziert jedoch nur die Integration in eine spezifische Jugendlichengruppe und vernachlässigt dabei, dass es häufig viele weitere Bezugsgruppen (online und offline, familiäre Beziehungen etc.) geben kann, in denen Jugendliche agieren und die gegebenenfalls ergänzende oder ausgleichende Ressourcen bereitstellen können. Die Gleichaltrigengruppe ist damit eine sehr wichtige, aber nicht unbedingt alles entscheidende Ressource für das Wohlbefinden im Jugendalter.

3 Bedeutsame Entwicklungsdimensionen, auf die Peerbeziehungen Einfluss nehmen

3.1 Selbstkonzept

Im Folgenden soll auf einige wichtige Entwicklungsdimensionen eingegangen werden, bei denen Peerbeziehungen einen großen Stellenwert haben können. Im Gegensatz zu den Entwicklungsaufgaben geht es hier nicht um normative, entwicklungsbezogene Anforderungen, die von einem Individuum typischerweise in einem bestimmten Zeitfenster zu bewältigen sind. Es handelt sich vielmehr um Entwicklungsdimensionen, bei denen sich im Jugendalter (aber auch in anderen Lebensabschnitten) wichtige Veränderungen ergeben können.

Zu den Entwicklungsdimensionen, auf die Gleichaltrigenbeziehungen Einfluss nehmen können, gehört unter anderem das Selbstkonzept, womit die eigene Selbstwahrnehmung bzw. das selbstbezogene Wissen angesprochen ist (Thomsen et al. 2018). Im Jugendalter wird das Selbstkonzept durch die Ausweitung der Informationsquellen sowie zunehmende Fähigkeiten zu Selbstreflexion und Perspektivenübernahme differenzierter und vielschichtiger. Man kann davon ausgehen, dass Jugendliche aus Gleichaltrigenbeziehungen vielfältige Informationen gewinnen, die sie zum eigenen Selbstkonzeptaufbau nutzen. Sie sind dementsprechend stark damit befasst, die Meinungen und das Verhalten anderer Jugendlicher zu analysieren, um dadurch Rückschlüsse über sich selbst und das eigene Verhalten zu ziehen. Viele Jugendliche sehen sich von einem imaginären Publikum umgeben, das sie beobachtet und bewertet (Elkind 1985). Eigene Fehler werden dadurch häufig überdramatisiert, weil davon ausgegangen wird, dass sie das eigene Ansehen in der Gleichaltrigengruppe nachhaltig beschädigt haben können. Insgesamt ist die Aufmerksamkeit stark auf das eigene Selbst gerichtet, wobei gleichzeitig eine starke Vulnerabilität für die Einflüsse von Gleichaltrigen besteht, die eine zentrale Informationsquelle für die Selbstkonzeptentwicklung darstellen (Sebastian et al. 2008).

3.2 Werte und Normen

Aus der Forschung zur Moralentwicklung ist bekannt, dass beim moralischen Urteil deutliche Entwicklungsfortschritte vom Kindesalter zum Jugendalter erkennbar sind. Jugendliche sind in der Regel kognitiv dazu in der Lage, verschiedene Bedürfnisse und Interessen gegeneinander abzuwägen und ihren Urteilen auch allgemeine Regeln und Prinzipien zugrunde zu legen (Lohaus und Vierhaus 2019). Neben Werten, die das moralische Handeln leiten können, kennen sie auch sozial-konventionelle Normen (Turiel 1998), die der Regulation sozialer Interaktionen dienen (z. B. Normen, die im Umgang mit Gleichaltrigen gelten). Allerdings ist aus der Forschung zur Moralentwicklung ebenfalls bekannt, dass keine eindeutigen Beziehungen zwischen der Fähigkeit zur moralischen Urteilsbildung und dem tatsächlichen moralischen Handeln bestehen (Blasi 1980). Nach Blasi (1983) ist von zentraler Bedeutung, dass Werte und Normen in das eigene Selbstkonzept integriert werden, um handlungswirksam zu werden (s. auch Hardy und Carlo 2005). Als Teil des Selbstkonzepts steigt wiederum ihre subjektive Bedeutsamkeit, sodass eine Nicht-Beachtung im tatsächlichen Handeln dazu führen könnte, dass das eigene Selbstkonzept hinterfragt werden müsste. Es ist auch denkbar, dass durch die wahrgenommene Diskrepanz zwischen Selbstkonzept und eigenem Handeln negative Emotionen (wie Schamgefühle) ausgelöst werden (Bandura 1991). Tatsächlich weist auch Krettenauer (2017) darauf hin, dass antizipierte Emotionen das antisoziale und prosoziale Verhalten im Kindes- und Jugendalter vorhersagen. Dies gilt für negative Emotionen (wie Scham oder Schuld) ebenso wie für positive Emotionen (wie Freude oder Stolz). Sowohl die Integration von Werten und Normen in das Selbstkonzept als auch antizipierte Emotionen können also dazu beitragen, dass ein stärkerer Bezug zum tatsächlichen Handeln erfolgt. Der Aufbau von Werten und Normen wird im Jugendalter durch Gleichaltrige beeinflusst, während die Integration in das Selbstkonzept eine Entwicklungsaufgabe des jeweiligen Jugendlichen ist.

3.3 Soziale Kompetenzen und soziale Integration

Nach Hinsch und Pfingsten (2015) bestehen soziale Kompetenzen aus mehreren Komponenten. Dazu gehören (a) berechtigte Interessen anmelden oder unberechtigte Forderungen ablehnen zu können, (b) eigene Gefühle, Bedürfnisse und Wünsche wahrnehmen und angemessen zum Ausdruck bringen zu können sowie (c) erwünschte Kontakte zu anderen aufnehmen und aktiv mitgestalten zu können (s. auch Pfingsten 2020). Hinzu kommt die Fähigkeit, auch die Gefühle und das Verhalten anderer zu verstehen und angemessen darauf reagieren zu können (Booker und Dunsmore 2017). Soziale Kompetenzen sind assoziiert mit einer positiven psychosozialen Anpassung, während als niedrig wahrgenommene soziale Kompetenzen unter anderem mit depressiven Symptomatiken verbunden sind (Lee et al. 2010). Weiterhin finden sich Bezüge zu quantitativen (wie Größe des sozialen Netzwerks) und qualitativen Parametern der Interaktion mit anderen Sozialpartnern. Soziale Kompetenzen werden bereits im Kindesalter aufgebaut, sie erweitern sich jedoch noch einmal wesentlich im Umgang mit Gleichaltrigen in der Adoleszenz. Sie sind ein wichtiger Schlüssel zur sozialen Integration, wobei eine gute soziale Integration zum weiteren Aufbau sozialer Kompetenzen beiträgt. Umgekehrt erschweren geringe soziale Kompetenzen die soziale Integration, wodurch wenig zum weiteren Aufbau sozialer Kompetenzen beigetragen wird. In beide Richtungen sind damit sich aufschaukelnde Kreisläufe denkbar.

Man kann also zusammenfassen, dass Gleichaltrigenbeziehungen vielfältige Effekte auf die weitere Entwicklung von Jugendlichen haben können, wobei hier vor allem auf das Selbstkonzept, auf Werte und Normen sowie auf Sozialkompetenzen und soziale Integration als wesentliche Entwicklungsparameter Bezug genommen wurde. Aus Gleichaltrigenbeziehungen können sich diesbezüglich Ressourcen, aber auch Entwicklungsrisiken ergeben.

4 Bedeutsame Mechanismen, über die Peerbeziehungen Einfluss nehmen

4.1 Modelllernen und soziale Verstärkung

Die sozial-kognitive Lerntheorie nach Bandura (1977) betont die Bedeutung sozialer Einflüsse für das Lernen: Peers beeinflussen sich durch Modelllernen. Durch das Beobachten einer anderen, der Person hinreichend ähnlichen Person, und Nachahmen können komplexe Verhaltensmuster gelernt werden. Hierzu zählen aggressives und prosoziales Verhalten oder auch gesundheitsrelevante Verhaltensweisen wie Rauchen und Alkoholkonsum. Beispielsweise beeinflussen vorgelebte Konsumgewohnheiten von Eltern, Gleichaltrigen, Freunden oder in Medien (als sog. Modelle) die Entwicklung eigener Konsummuster (z. B. Wellman et al. 2016). Der Beobachter kann dabei gänzlich neues, bislang noch nicht gezeigtes Verhalten lernen oder es können nach Beobachten der Verhaltensfolgen bereits gelernte Verhaltensweisen zukünftig seltener bzw. häufiger auftreten (zusammenfassend Edelmann und Wittmann 2019). Das Modell wird die Aufmerksamkeit eines Beobachters eher auf sich lenken, wenn es sozial anerkannt und dem Beobachter ähnlich ist. Das später möglicherweise gezeigte Verhalten wird durch Motivations- und Verstärkungsprozesse mitbestimmt. Unter Jugendlichen ist hier insbesondere auch die soziale Verstärkung relevant. Personen mit einem hohen sozialen Status werden eher nachgeahmt. Förderlich wirkt ebenfalls, wenn das Modell für sein Verhalten positive soziale Konsequenzen erhält (z. B. Prestige, Bewunderung durch andere) bzw. der Jugendliche Aufmerksamkeit, Anerkennung und Wertschätzung durch andere für sich selbst infolge des neu gelernten Verhaltens antizipiert.

4.2 Soziale Einflüsse und Gruppendruck

Wie jeder Mensch suchen auch Jugendliche Kontakt und Nähe zu anderen und möchten oftmals zu einer Gruppe Gleichgesinnter dazugehören. Dabei wählen sie eher andere, die ihnen ähnlich sind (hinsichtlich z. B. Alter, Bildungsniveau, Ethnie, Geschlecht, aber auch gesundheitsrelevanter Verhaltensweisen wie z. B. Rauchen; sog. Freundschaftshomophilie, McPherson et al. 2001). Konformität bezeichnet ferner die Tendenz des Individuums mit den Normen der Gruppe übereinzustimmen. Die Werte und Normen, die Einstellungen und das Verhalten der Gruppe haben dann Einfluss auf das Individuum. Zwei Arten von Einflüssen der Gruppe auf das Individuum werden unterschieden: informative und normative (z. B. Kessels und Hannover 2015). Beim sozialen Informationseinfluss dienen andere als Informationsquelle. Meinung und Verhalten der anderen Gruppenmitglieder werden als Standard für die eigene Meinung und das eigene Verhalten übernommen (Sherif 1935). Dies passiert insbesondere, wenn die Situation unklar und mehrdeutig ist, die Gruppenmitglieder als Experten wahrgenommen werden, die Person sich selbst hingegen als inkompetent wahrnimmt. In Gleichaltrigengruppen werden Jugendliche mit z. B. einem hohen sozialen Status oder mit Vorerfahrungen in einem (für andere noch unsicheren) Bereich wie Umgang mit Alkohol, Zigaretten oder Sexualität als wahrgenommene Experten die übrigen Gruppenmitglieder stärker beeinflussen.

Ferner spielen in Peergruppen auch normative soziale Einflüsse eine Rolle. Menschen passen sich an und verhalten sich konform, um in der eigenen Gruppe gemocht und akzeptiert zu sein (Asch 1956). Dies passiert insbesondere, wenn es für die Person sehr wichtig ist, ein Gruppenmitglied zu sein, sie davon ausgeht, dass abweichendes Verhalten sanktioniert würde und die Mitglieder die Gruppenmeinung konsistent äußern. Soziale Einflüsse (meist normativer Art) können ferner auch über Online-Interaktionen (z. B. Likes, Follower) wirksam werden (Nesi und Prinstein 2019). Da Gleichaltrigenbeziehungen im Jugendalter sehr an Bedeutung z. B. für die eigene Identität gewinnen, ist davon auszugehen, dass Jugendliche häufig eher konform mit den Normen ihrer Gruppe sind (z. B. hinsichtlich ihres Äußeren, ihrer Einstellungen, aber auch hinsichtlich gesundheitsrelevanter Verhaltensweisen wie Rauchen, Alkoholkonsum, Nutzung digitaler Medien). So zeigte am Beispiel des Rauchens eine Meta-Analyse für den Rauchbeginn einen stärkeren Einfluss durch enge Freunde (mit einem größeren Potenzial sozialer Einflussnahme) als durch Peers (Liu et al. 2017). Zudem wurden Kultureffekte deutlich: Der Einfluss durch Gleichaltrige auf das Rauchverhalten war stärker ausgeprägt in kollektivistisch geprägten Kulturen mit einer Betonung von sozialen Beziehungen und Zugehörigkeit (im Unterschied zu individualistisch geprägten Kulturen mit einem stärkeren Fokus auf das Individuum).

4.3 Soziale und emotionale Unterstützung

Andere Menschen wie Familie, Lehrer, aber auch Gleichaltrige und gute Freunde können helfen, Anforderungen zu bewältigen. Bei der sozialen Unterstützung wird zwischen wahrgenommener, erhaltener und gegebener sozialer Unterstützung unterschieden. Subjektiv wahrgenommene Unterstützung bezeichnet die Überzeugung einer Person, bei Bedarf Unterstützung aus ihrem sozialen Netzwerk erhalten zu können. Studien beziehen sich meist auf diese Form der sozialen Unterstützung. Erhaltene Unterstützung umfasst demgegenüber die tatsächlich erhaltene Unterstützung aus Sicht der Person, die unterstützt wurde. Gegebene Unterstützung umfasst die Perspektive der Person, die Unterstützung geleistet hat (s. Knoll et al. 2017). Dabei kann die (wahrgenommene, erhaltene bzw. gegebene) soziale Unterstützung emotional, instrumentell oder informationell sein. Beispielsweise kann Trost oder Zuneigung ausgedrückt werden, beim Lösen des Problems geholfen werden und relevante Information geteilt oder ein Rat gegeben werden.

Positive Zusammenhänge von sozialer Unterstützung (insbesondere wahrgenommener sozialer Unterstützung) mit Wohlbefinden und Gesundheit sind mittlerweile auch für die Altersgruppe von Kindern und Jugendlichen gut dokumentiert (s. die Meta-Analysen von Chu et al. 2010; Rueger et al. 2016). Es werden unterschiedliche Wirkmechanismen diskutiert. Soziale Unterstützung kann sich generell günstig auswirken über z. B. die Stärkung positiver Emotionen, Zugehörigkeit und Wertschätzung. Soziale Unterstützung kann demgegenüber aber auch speziell in Belastungssituationen als Ressource die ungünstigen Effekte von Stress abpuffern (Cohen und Wills 1985). Empirische Belege liegen für beide Wirkannahmen vor (Rueger et al. 2016). Auch ist denkbar, dass soziale Unterstützung über gesundheitsrelevante Verhaltensweisen einen Einfluss hat. Beispielsweise können Familie und auch Freunde dabei unterstützen, sportlich aktiv zu sein (Gill et al. 2018), was wiederum Gesundheit und Wohlbefinden fördert. Mit Blick auf die möglichen Quellen sozialer Unterstützung zeigten sich – für Jungen wie für Mädchen – günstige Effekte für die Unterstützung durch Familie, Gleichaltrige, Lehrkräfte sowie enge Freunde (Rueger et al. 2016). In Abhängigkeit von der Unterstützungsquelle kann soziale Unterstützung aber auch ungünstige Effekte haben. Hierauf verweisen beispielsweise Brezina und Azimi (2018) im Zusammenhang mit der sozialen Unterstützung durch Peers mit deviantem, antisozialem Verhalten.

4.4 Ausgrenzung und (Cyber-)Bullying

Bullying ist ein durch Ausgrenzung und Schikane geprägtes Interaktionsmuster in sozialen Gruppen wie z. B. Schulklassen. Die aggressiven Angriffe erfolgen wiederholt und über einen längeren Zeitraum und richten sich gegen schwächere Schülerinnen oder Schüler, die sich nicht wehren können. Zentrale Definitionskriterien von Bullying sind die Schädigungsintention, der Wiederholungscharakter und das ungleiche Kräfteverhältnis zwischen Täter und Opfer (Olweus 1993, 2013). Letzteres kann aus Unterschieden in körperlicher Stärke, verbaler Gewandtheit oder der sozialen Position in der Peergruppe resultieren. So können auch die Schikanen unterschiedlicher Art sein: physisch (z. B. verprügeln), verbal (z. B. beleidigen) oder relational (z. B. ausgrenzen; Scheithauer et al. 2003). Zudem können die Schikanen über digitale Medien erfolgen (z. B. per Handy, Chat, soziale Netzwerke). Beispiele sind die Verbreitung von Gerüchten oder das Ausschließen aus Online-Gruppen. Bullying über digitale Medien wird als Cyberbullying bezeichnet. Mit Blick auf die Zusammenhänge über die beiden Kontexte (traditionelles Bullying und Cyberbullying) dokumentiert eine Meta-Analyse eine hohe Korrespondenz für die Opfer und die Täter (Modecki et al. 2014).

Bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Bullying hat die gesamte Gruppe einen wichtigen Anteil, nicht nur Täter und Opfer. Nach dem Participant-Role-Ansatz (Salmivalli et al. 1996) sind so gut wie alle Mitglieder einer Schulklasse in irgendeiner Weise involviert. Die Reaktionen der Klassenkameraden können Bullying verstärken (z. B. lachen), passiv sein (z. B. wegsehen) oder Bullying entgegenwirken (z. B. Opfer verteidigen). Bullying ist weit verbreitet. In einer deutschsprachigen Stichprobe mit 198 Schulklassen der 6. und 9. Stufe waren (basierend auf den Angaben von Peers) ein Drittel der Schülerinnen und Schüler als Pro-Bullying-Akteur (Täter, Assistenten, Verstärker), als Opfer oder als Bully-Opfer involviert. Nur etwa 10 % setzten sich als Verteidiger für die Opfer ein (Knauf et al. 2017).

Wichtige Angriffspunkte zum Stoppen von Bullying in Schulklassen sind die Etablierung Gewalt ächtender sozialer Normen, eine Stärkung der Klassengemeinschaft sowie die Mobilisierung bislang untätiger Klassenkameraden (Knauf et al. 2018; s. auch Ma et al. 2019). Nach Zych et al. (2019) zählte (basierend auf Meta-Analysen) zu den Schutzfaktoren ein Schulklima, das positive Interaktionen unter Gleichaltrigen stärkt. Zudem erwiesen sich Peer-Einflüsse (z. B. prosoziale Gleichaltrige, sozialer Status) neben elterlicher Erziehung und persönlichen Kompetenzen als protektiv gegenüber Bullying.

Zusammenfassend können sich Gleichaltrige über unterschiedliche Mechanismen beeinflussen. Vorgestellt wurden Modelllernen und soziale Verstärkung, Gruppendruck und sozialer Einfluss, soziale und emotionale Unterstützung sowie Ausgrenzung und Bullying. Hieraus können – je nach Gruppe – günstige wie auch eher ungünstige Wirkungen auf Wohlbefinden und Gesundheit resultieren.

5 Peerbeziehungen und ihr Einfluss auf Wohlbefinden und Gesundheit

5.1 Psychisches Wohlbefinden

Nach den Daten des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys KiGGS kann die Mehrheit der Kinder und Jugendlichen (etwa 80 %) in Deutschland als psychisch gesund bezeichnet werden; d. h. sie zeigen keine Anhaltspunkte für psychische Auffälligkeiten (Baumgarten et al. 2018). Meta-Analysen oder Überblicksarbeiten zu Assoziationen zwischen Peerbeziehungen und explizit Wohlbefinden oder psychischer Gesundheit liegen unseres Wissens nach nicht vor. Mit Blick auf einzelne Studien zeigte sich z. B. erwartungskonform eine positive Assoziation für Wohlbefinden mit einem unterstützenden Freundschaftsnetzwerk (Almquist et al. 2014). Bereits Havighurst (1972) postulierte, dass eine gelungene Bewältigung alterstypischer Entwicklungsaufgaben mit Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit einhergeht. Demnach sollten soziale Beziehungen mit Gleichaltrigen (als relevante Entwicklungsaufgabe Jugendlicher) einflussreich für Gesundheit und Wohlbefinden sein (s. Roisman et al. 2004).

5.2 Internalisierende Symptomatiken

Internalisierende Auffälligkeiten wie Angst oder Depression nehmen insbesondere für Mädchen im Jugendalter zu (Baumgarten et al. 2018). Die Ursachen sind multifaktoriell und berücksichtigen bio-psycho-soziale Faktoren. So kann eine Überforderung in der Bewältigung alterstypischer Entwicklungsaufgaben (z. B. Aufbau von Beziehungen zu Gleichaltrigen) mit internalisierenden Problemen einhergehen (s. Heinrichs und Lohaus 2011). Zum Einfluss von Freunden und Gleichaltrigenbeziehungen für internalisierende Symptome liegen umfangreiche Studien vor. Im Kindes- und Jugendalter mindestens einen Freund zu haben, erwies sich – für Mädchen wie für Jungen – als protektiv gegen internalisierende Symptome im jungen Erwachsenenalter (nach Kontrolle für kindliche Symptomatik und elterliche Depression; Sakyi et al. 2015). Vertrauensvolle und sichere Peerbeziehungen waren in einer Meta-Analyse mit weniger internalisierenden Symptomen assoziiert, hingegen unsichere Beziehungen (charakterisiert durch Gefühle wie Ärger und Distanz) mit depressiven Symptomen (Gorrese 2016).

Für Ausgrenzung durch Peers und Bullying-Viktimisierung dokumentierten Schoeler et al. (2018) in ihrer Meta-Analyse negative Auswirkungen auf internalisierende und externalisierende Probleme wie auch für akademische Schwierigkeiten. Die Kausaleffekte waren insgesamt niedrig und mit d = .27 am stärksten für internalisierende Symptome. Mit zeitlichem Abstand zum Bullying-Geschehen nahmen die schädlichen Effekte ab. Reijntjes et al. (2010) zeigten in ihrer Meta-Analyse auf der Basis von Längsschnittdaten Wechselbeziehungen zwischen Viktimisierung und internalisierenden Problemen. Demnach festigen internalisierende Symptome den Status der Kinder und Jugendlichen als Bullying-Opfer und sind nicht allein Folge der Schikanen. Mit einem Fokus auf Cyberviktimisierung bestätigt die Meta-Analyse von Fisher et al. (2016) negative Assoziationen mit internalisierenden und externalisierenden Symptomen. Peers können somit ein Risikofaktor für internalisierende Symptome sein. Dies zeigte sich deutlich im Zusammenhang mit Viktimisierung. Jedoch können sich z. B. auch in innigen Freundschaften insbesondere Mädchen beim gemeinsamen Grübeln über Probleme (als Risikofaktor für Depressivität) gegenseitig „anstecken“ (Felton et al. 2019). Freunde und Peers gehen aber auch als Ressource mit einer günstigen Anpassung einher. Als protektiv diskutieren die Autoren (z. B. Gorrese 2016; Sakyi et al. 2015) die Stärkung sozialer und emotionaler Unterstützung, sozialer Kompetenzen und des Selbstwerts. Ähnlich waren gute schulische Leistungen, soziale Kompetenzen, eine gute Eltern-Kind-Beziehung und prosoziale Freunde protektiv beim Durchbrechen der Assoziation von Bullying-Viktimisierung mit internalisierenden Problemen (Ttofi et al. 2014).

5.3 Externalisierendes Problemverhalten

Unter externalisierendem Problemverhalten werden antisoziale Verhaltensweisen wie Aggression und Delinquenz, aber auch selbstverletzendes Verhalten, riskantes Sexualverhalten oder Substanzkonsum subsummiert (z. B. Fisher et al. 2016). Dieser Abschnitt fokussiert antisoziales Verhalten. Aggression ist ein Verhalten, das mit der Absicht ausgeführt wird, Personen oder Sachen zu schädigen, und geht meistens mit einer Verletzung von Normen und Regeln einher. Verstoßen Jugendliche mit ihrem Verhalten gegen strafrechtliche Normen des Landes, ist dies delinquent (z. B. Körperverletzung, Sachbeschädigung). Nach dem Deutschen Jugendinstitut (DJI 2019) ist Jugendgewalt häufig ein vorübergehendes Phänomen, entsteht situativ in der Gruppe und vollzieht sich dabei meist in der zugehörigen Alters- und Geschlechtergruppe, was auf die Bedeutung sozialer Bindungen und devianter Peergruppen als Risikofaktoren hinweist (s. auch Beelmann 2018, für ein kumulatives Entwicklungsmodell).

Kinder und Jugendliche mit externalisierendem Verhalten haben keine generellen Schwierigkeiten, Freundschaften zu schließen. Nach Ackermann et al. (2018) ist jedoch die Form aggressiven Verhaltens einflussreich: offen aggressives Verhalten (z. B. physischer Angriff) ging eher mit einer negativen Freundschaftsqualität (konfliktreich, weniger intim und unterstützend) einher, relational aggressives Verhalten (z. B. andere ausgrenzen) eher mit positiveren Freundschaften (trotz vieler Konflikte). Auch für externalisierendes Problemverhalten resultierten (vergleichbar mit Längsschnittstudien zu internalisierenden Auffälligkeiten) in einer Meta-Analyse Wechselbeziehungen mit Peer-Viktimisierung und Ausgrenzung (Reijntjes et al. 2011). So können externalisierende Verhaltensprobleme wie Aggression der Viktimisierung vorausgehen oder folgen. Basierend auf Querschnittsdaten zeigen sich ähnliche Zusammenhänge mit Cyberviktimisierung (Fisher et al. 2016). Als Schutzfaktoren gut belegt sind Freundschaftsbeziehungen zu prosozialen Gleichaltrigen (z. B. Brumley und Jaffee 2016; Ttofi et al. 2014).

5.4 Gesundheitsverhaltensweisen

In Kindheit und Jugend werden gesundheitsrelevante Verhaltensweisen erlernt und stabilisiert. Hierzu zählen z. B. Ernährung, körperliche Aktivität, Alkohol- und Tabakkonsum oder Sexualverhalten. Dabei sind verschiedene Gesundheitsverhaltensweisen miteinander assoziiert. Beispielsweise identifizierten Busch et al. (2013) bei Jugendlichen vier Bereiche: (a) Risikoverhalten (z. B. Rauchen, Alkoholkonsum, Sexualverhalten), (b) Bullying (Täter, Opfer), (c) problematischer Medienkonsum (z. B. exzessives Videospielen) und (d) körperliche Inaktivität und ungesunde Ernährung. Als Einflussfaktoren sind neben individuellen Faktoren (z. B. Selbstwirksamkeit) auch soziale Faktoren seitens der Familie (z. B. gute Beziehung zu den Eltern, elterliches Monitoring) oder der Gleichaltrigen (z. B. deren Einstellungen, Normen oder Verhaltensweisen) relevant (s. Lohaus et al. 2006). In einem umfangreichen Review sind Montgomery und Kollegen (2020) dem Einfluss sozialer Peer-Netzwerke im schulischen Umfeld auf gesundheitsrelevantes Verhalten wie Alkoholkonsum, Rauchen, körperliche Aktivität und Ernährung nachgegangen. Über alle Gesundheitsverhaltensweisen hinweg zeigten sich Hinweise auf soziale Homophilie (Jugendliche wählten Freunde mit ähnlichen Gesundheitsverhaltensweisen) und/oder sozialen Einfluss (Jugendliche übernahmen Verhaltensweisen ihrer Freunde oder passten ihr Verhalten dem ihrer Freunde an). Für Jugendliche mit günstigen gesundheitsrelevanten Verhaltensmustern wirken demnach Freunde mit ebenfalls günstigem Verhalten (z. B. Nichtrauchen) gesundheitsverhaltensverstärkend. Anders ist die Lage bei Jugendlichen mit gesundheitlichem Risikoverhalten: Hier verstärken (rauchende) Freunde das riskante Verhaltensmuster. Ferner zeigten sich Assoziationen zwischen Beliebtheit in der Gleichaltrigengruppe und Gesundheitsverhaltensweisen. Die Wirkrichtung ist bislang offen: ein Anstieg der Popularität kann Folge bestimmter (Risiko)Verhaltensweisen sein. Auch kann Popularität zu Veränderungen gesundheitsrelevanter Verhaltensweisen führen.

5.5 Schulleistung und Schulerfolg

Gesundheit und Schulerfolg sind wechselseitig assoziiert (Dadaczynski 2012), auch über die Bewältigung alterstypischer Entwicklungsaufgaben Jugendlicher. Rahmenmodelle zu schulischen Leistungen berücksichtigen zahlreiche Einflussfaktoren und beinhalten als Facetten der schulischen Lernumwelt auch peerbezogene Einflüsse (z. B. Tarelli und Zylowski 2012). Empirisch zeigte eine Meta-Analyse einen schwach positiven Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein von Freundschaften in der Schule und der Schulleistung (Schulnoten oder Leistungstests; Wentzel et al. 2018). Als Vermittlungspfade diskutieren die Autoren Möglichkeiten vertiefter kognitiver Verarbeitung, Modelllernen und soziale Verstärkung beim gemeinsamen Lösen schwieriger Aufgaben, Aspekte sozialer und emotionaler Unterstützung, gemeinsame leistungsbezogene Normen und Werte wie auch generell die Assoziation von prosozialem Verhalten mit Selbstkontrolle. Dabei wählten Jugendliche bevorzugt Freunde, die ihnen hinsichtlich ihrer schulischen Leistung ähnlich waren – mit einer Ausnahme: Galt in der Klasse Leistung als uncool, vermieden leistungsstarke Schüler Freundschaften untereinander. Generell vermieden Leistungsstarke jedoch leistungsschwache Peers als Freunde und umgekehrt Leistungsschwache leistungsstarke Peers (Laninga-Wijnen et al. 2019). Freunde können somit insbesondere unter leistungsschwächeren Mitschülern Motivation und Schulerfolg negativ beeinflussen.

Eine weitere Meta-Analyse der Autorengruppe (Wentzel et al. 2020) fand einen mittleren Zusammenhang zwischen sozialem Status und Schulleistung. Sozial akzeptierte und gemochte Klassenkameraden zeigten eine bessere akademische Leistung. Der Zusammenhang war (unabhängig vom Geschlecht der Kinder) stärker für jüngere Schülerinnen und Schüler wie auch für Schülerinnen und Schüler asiatischer Länder (als stärker kollektivistisch geprägte Kultur) im Vergleich zu Schülerinnen und Schülern aus Nordamerika oder Europa. Als Mediatoren waren höhere leistungsbezogene Überzeugungen (wie akademisches Selbstkonzept oder Selbstwirksamkeit), ein stärkeres Engagement (wie Anstrengung oder Kooperation) und weniger negative Emotionen relevant. Mikami et al. (2017) verdeutlichen die Relevanz von Zugehörigkeit und Verbundenheit mit den Klassenkameraden für die Schulleistung. Schüler, die sich ihren Klassenkameraden verbunden und zugehörig fühlten, engagierten sich im Schuljahresverlauf stärker im Unterricht, was wiederum das Gefühl der Zugehörigkeit stärkte, und auch mit einer besseren Leistung am Schuljahresende einherging. Nach den Autoren ermöglicht ein unterstützendes Klassenklima das Suchen von Hilfe und sozialer Unterstützung. Fühlen sich hingegen Schülerinnen und Schüler sozial ausgegrenzt, führt dies eher zu Schwierigkeiten bei der Konzentration und Bearbeitung der schulischen Aufgaben. So zeigten sich Hinweise auf schwach negative Effekte von Bullying-Viktimisierung auf die Schulleistung (Schoeler et al. 2018).

6 Ausblick

6.1 Reziproke Effekte

Gleichaltrige beeinflussen die Entwicklung Jugendlicher. Für alle betrachteten Aspekte zu Gesundheit und Wohlbefinden (internalisierende und externalisierende Auffälligkeiten, diverse Gesundheitsverhaltensweisen und Schulleistung) liegen zahlreiche empirische Befunde zu förderlichen wie auch problematischen Einflüssen durch Peers vor. Wenn auch mehrere Längsschnittstudien existieren, sind Aussagen über die Kausalrichtung der Befunde nicht einfach. Vielmehr ist von komplexen, multikausalen Wechselwirkungen auszugehen (z. B. Reijntjes et al. 2010). Weiter berücksichtigten unterschiedliche Studien unterschiedliche Arten jugendlicher Peerbeziehungen (z. B. Freunde, soziale Peernetzwerke) selten in ihrer Kombination. Jedoch ist auch hier von Wechselwirkungsprozessen und komplexeren Einflüssen auszugehen (z. B. Liu et al. 2017 für enge Freunde im Vergleich zu Peers).

Wie können nun Peerbeziehungen Gesundheit und Wohlbefinden beeinflussen? Mit ihrem Einfluss auf Selbstwert, Selbstkonzept, soziale Kompetenz, soziale Integration oder soziale Unterstützung wurden als Entwicklungsdimensionen empirisch gesicherte Schutzfaktoren für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen angesprochen (Bengel und Rottmann 2009). Ergänzend zu den Gleichaltrigen sind mit Blick auf die soziale Umwelt weitere soziokulturelle Einflussfaktoren mit ihren wechselseitigen Beziehungen für die Entwicklung relevant (Bronfenbrenner und Morris 2006). Beispielsweise zeigten sich Hinweise auf kulturspezifische Zusammenhänge (Liu et al. 2017). Auch Faktoren bezogen auf die Schule (z. B. Schulklima), die Nachbarschaft (z. B. Wohngegend, Kriminalität) oder die Familie (z. B. Eltern-Kind-Beziehung) können eher protektive oder auch schädliche Effekte für die Anpassung Jugendlicher haben (Brumley und Jaffee 2016).

6.2 Eltern-Kind-Beziehung

Für den Aufbau von Gleichaltrigenbeziehungen wie auch für Gesundheit und Wohlbefinden kommt der Familie, speziell der Eltern-Kind-Beziehung, eine besondere Bedeutung zu (s. Walper et al. 2018). So können die Beziehungs-, Bindungs- und Erziehungsqualität, wie sie Familie und Eltern bieten, als Ressourcen oder Entwicklungsrisiken Effekte auf die kindliche Entwicklung und die Bewältigung alterstypischer Entwicklungsaufgaben zeigen (Bengel et al. 2009). Zudem sind die Beziehungen Jugendlicher zu ihren Eltern und auch der Aufbau von Peerbeziehungen vor dem Hintergrund bisheriger Bindungserfahrungen zu sehen (Grossmann und Grossmann 2012). Eine sichere Eltern-Kind-Bindung in der frühen Kindheit kann als Schutzfaktor wirken und Gleichaltrigenbeziehungen im Jugendalter positiv beeinflussen. Ferner schwindet mit der Umgestaltung der Eltern-Kind-Beziehung und dem zunehmenden Einfluss Gleichaltriger im Jugendalter der elterliche Einfluss nicht gänzlich; vielmehr wird der Einfluss Gleichaltriger durch das elterliche Erziehungsverhalten mitbestimmt (Laursen et al. 2015).

6.3 Prävention und Gesundheitsförderung

Im Rahmen von (schulischer) Prävention und Gesundheitsförderung sind Ansätze zur Förderung von Lebenskompetenzen etabliert (s. Knauf et al. 2018). So hat die WHO (1994, 2003) zentrale Kompetenzen beschrieben, die neben kognitiven (z. B. kritisches Denken) und persönlichen Kompetenzen (z. B. Selbstkonzept, Selbstregulation) auch interpersonale, soziale Kompetenzen ansprechen. Zu Letzteren zählen Beziehungsgestaltung, Kommunikation, Empathie, Kooperation und Selbstbehauptung. Aufbau und Stärkung der Lebenskompetenzen (als Ressourcen) unterstützen Jugendliche, mit alltäglichen und entwicklungsbezogenen Anforderungen kompetent umzugehen, gesundheitsförderliches Verhalten zu zeigen und riskantes, gesundheitsschädliches Verhalten zu unterlassen. Lebenskompetenzansätze sind häufig individuumsbezogen und zielen auf die Beeinflussung des Verhaltens (z. B. Übungen zum Ablehnen einer Zigarette). Ergänzend kann eine Berücksichtigung verhältnispräventiver Maßnahmen mit Einbezug der Umwelt Jugendlicher (Schule, Freizeit, Familie) hilfreich sein. Vor dem Hintergrund der starken Bedeutung Gleichaltriger für Gesundheit und Wohlbefinden sollten entwicklungssensitive Präventionsmaßnahmen im Jugendalter Peerbeziehungen und Freundschaften explizit berücksichtigen. Beispiele sind die Stärkung individueller sozialer Kompetenzen, die Förderung prosozialer Peerbeziehungen (z. B. soziale Unterstützung, kooperative Arbeitsformen) oder das Abschwächen negativer Peereinflüsse (z. B. Umgang mit Gruppendruck).