Zusammenfassung
In vorliegendem Beitrag widme ich mich der diskursiven Konstruktion von Heterotopien im deutschen Bildungssystem. Hierfür integriere ich das Modell der Rechtfertigungsordnung in die Wissenssoziologische Diskursanalyse. Am Beispiel der Studienstiftung des deutschen Volkes, dem größten und ältesten Begabtenförderungswerk in Deutschland, zeigt sich eindrucksvoll, wie sich diese seit ihrer Gründung im Jahr 1925 als eine Heterotopie präsentiert.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Similar content being viewed by others
Notes
- 1.
Defert (2013, S. 74) weist darauf hin, dass Foucault den Begriff der Heterotopie erstmals in „Die Ordnung der Dinge“ nutze. Die dortige Auslegung unterscheidet sich jedoch von jener des Radiobeitrags. „Heterotopie“ bezieht sich in „Die Ordnung der Dinge“ nicht auf Räume, sondern auf Ordnungen, die den herrschenden Klassifikationen entgegengesetzt werden (Klaas, 2014, S. 264).
- 2.
- 3.
- 4.
- 5.
Es ist mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Rekonstruktion von Rechtfertigungsordnungen eine Offenheit im Forschungsprozess erfordert, das heißt auch, dass die von Boltanski und Thévenot (2007) sowie von Boltanski und Chiapello (2003) herausgearbeiteten Rechtfertigungsordnungen nicht einfach an das Material herangetragen werden können. Im Gegenteil: Rechtfertigungsordnungen müssen anhand des Materials rekonstruiert werden.
- 6.
In der Weimarer Republik basiert das Verständnis von der Ermöglichung von akademischer Freiheit zudem auf Tradition, Hierarchie und Abstammung. Im Mittelpunkt steht die „Verteidigung der Tradition der akademischen Freiheit“ (Böker, 2021).
- 7.
Zum Umgang der Studienstiftung mit Sozialstatistiken vgl. Böker (2022).
- 8.
Literatur
Adam, K. (1997). Der große Unterschied und seine viel zu kleinen Folgen. In Studienstiftung (Hrsg.), Jahresbericht 1996. Fakten und Analysen (S. 11–14). Bonn: Studienstiftung des deutschen Volkes.
Böker, A., & Horvath, K. (2018). Ausgangspunkte und Perspektiven einer sozialwissenschaftlichen Begabungsforschung. In A. Böker & K. Horvath (Hrsg.), Begabung und Gesellschaft. Sozialwissenschaftliche Perspektiven auf Begabung und Begabtenförderung (S. 7–26). Wiesbaden: Springer VS.
Böker, A. (2018). Begabtenförderung als Krisenintervention. Die Rechtfertigung von Begabtenförderung durch die Studienstiftung des Deutschen Volkes. In A. Böker & K. Horvath (Hrsg.), Begabung und Gesellschaft. Sozialwissenschaftliche Perspektiven auf Begabung und Begabtenförderung (S. 183-206 ). Springer VS.
Böker, A. (2021). Über die Rechtfertigung von Begabtenförderung. Eine Diskursanalyse am Beispiel der Studienstiftung des deutschen Volkes. Wiesbaden: Springer VS.
Böker, A. (2022). Chancengleichheit in der Begabtenförderung? Eine Untersuchung zum Umgang mit Sozialstatistiken am Beispiel der Studienstiftung des deutschen Volkes. In H. Bremer & A. Lange-Vester (Hrsg.), Neue Entwicklungen im Feld der Hochschule. Konstanz: Springer VS (im Erscheinen).
Boltanski, L., & Chiapello, È. (2003). Der neue Geist des Kapitalismus. Konstanz: UVK.
Boltanski, L., & Thévenot, L. (2007). Über die Rechtfertigung. Eine Soziologie der kritischen Urteilskraft. Hamburg: Hamburger Edition.
Boltanski, L. (2010). Soziologie und Sozialkritik. Berlin: Suhrkamp.
Borland, J. H. (2003). The death of giftedness: Gifted education without gifted children. In J. H. Borland (Hrsg.), Rethinking gifted education (S. 105–124). New York: Teachers College Press Columbia University.
Bourdieu, P. (2001). Die konservative Schule. In M. Steinrücke (Hrsg.), Wie die Kultur zum Bauern kommt. Über Bildung, Schule & Politik (S. 25–52). Hamburg: VSA-Verlag.
Brake, A., & Büchner, P. (2012). Bildung und soziale Ungleichheit. Eine Einführung. Stuttgart: Kohlhammer.
Defert, D. (2013). Raum zum Hören. In M. Foucault (Hrsg.), Die Heterotopien. Der utopische Körper: Zwei Radiovorträge (S. 67–92). Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Eigen, M. (1984). Mozart – Oder unsere Verlegenheit im Umgang mit dem Genie. In Studienstiftung des deutschen Volkes (Hrsg.), Jahresbericht 1983 (S. 36–71). Bonn: Studienstiftung des deutschen Volkes.
Ferber, C. v., Gebhardt, F., & Pöhler, W. (1970). Begabtenförderung oder Elitebildung? Ergebnisse einer soziologischen Erhebung der Forschungsstelle des Sozialwissenschaftlichen Seminars der Technischen Universität Hannover über das Förderungsprogramm der Hochbegabtenförderungswerke. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Foucault, M. (2013). Die Heterotopien. Der utopische Körper: Zwei Radiovorträge (S. 7–22). Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Haerten, H. (1954). Die Studienstiftung des deutschen Volkes. In P. v. Aubel & R. Tillmanns (Hrsg.), Ordnung als Ziel (S. 51–63). Stuttgart: Kohlhammer.
Haerten, H. (1973). Die Studienstiftung des deutschen Volkes 1925 bis 1970. Unveröffentlichtes Manuskript.
Keller, R. (2011). Wissenssoziologische Diskursanalyse. Grundlegung eines Forschungsprogramms. Wiesbaden: VS.
Keller, R. (2018). The sociology of knowledge approach to discourse: An introduction. In R. Keller, A.-K. Hornidge, & W. J. Schünemann (Hrsg.), The sociology of knowledge approach to discourse. Investigating the politics of knowledge and meaning-making (S. 16–47). Abingdon: Routledge.
Kerbusk, S. (2009). Wer hat, dem wird gegeben. In Die Zeit, Nr. 40. Online verfügbar unter: https://www.zeit.de/2009/40/C-Begabtenfoerderung. Zugegriffen: 16. Dez. 2019.
Klass, T. (2014). Heterotopie. In C. Kammler, R. Parr, U. J. Schneider, & E. Reinhardt-Becker (Hrsg.), Foucault-Handbuch (S. 263–266). Stuttgart: Metzler.
Klöppel, U. (2010). Foucaults Konzept der Problematisierungsweise und die Analyse diskursiver Transformationen. In A. Landwehr (Hrsg.), Diskursiver Wandel (S. 255–263). Wiesbaden: VS.
Litt, T. (1930). Zur Auslese der Begabten. In Studentenwerk (Hrsg.), Vierteljahrshefte der studentischen Selbsthilfearbeit (S. 181–185). Leipzig: Quelle & Meyer.
Lübbe, H. (1979). Differenzierungsfolgen der Chancengleichheit. In Studienstiftung des deutschen Volkes (Hrsg.), Jahresbericht 1978 (S. 134–140). Bonn: Studienstiftung des deutschen Volkes.
Margolin, L. (1994). Goodness personified. The emergence of gifted children. New York: Aldine de Gruyter.
Martini, P. (1954). Ansprache des Rektors der Rheinischen Friedrich Wilhelms-Universität Bonn. Deutsche Universitätszeitung, 9(21), 6.
Middendorff, E., Isserstedt, W., & Kandulla, M. (2009). Das soziale Profil in der Begabtenförderung. Ergebnisse einer Online-Befragung unter allen Geförderten der elf Begabtenförderungswerke im Oktober 2008. Hannover: Hochschul-Informations-System.
Paeckelmann, W. (1927). Die Studienstiftung des Deutschen Volkes. In Studentenwerk (Hrsg.), Vierteljahrshefte der studentischen Selbsthilfearbeit (S. 74–82). Leipzig: Quelle & Meyer.
Paeckelmann, W. (1954). Aus den Anfängen der Studienstiftung. In P. v. Aubel & R. Tillmanns (Hrsg.), Ordnung als Ziel (S. 63–69). Stuttgart: Kohlhammer.
Rahn, H. (1975). Fördern oder nur verwalten? Probleme des Studienbeginns. In Studienstiftung des deutschen Volkes (Hrsg.), Jahresbericht 1974 (S. 108–140). Bonn: Studienstiftung des deutschen Volkes.
Rahn, H. (1980). Schullernen und Erfahrungslernen als Bildungsfaktoren. In Studienstiftung des deutschen Volkes (Hrsg.), Jahresbericht 1979 (S. 145–157). Bonn: Studienstiftung des deutschen Volkes.
Raiser, L. (1958). Der Dienst der Studienstiftung für die Hochschule. Bonn: Studienstiftung des deutschen Volkes.
Renzulli, J. S. (1978). What makes giftedness? Reexamining a definition. Phi Delta Kappan, 60(3), 180–184.
Roth, G. (2005). Studienstiftung. Neue Herausforderungen und neue Antworten. In Studienstiftung (Hrsg.), Jahresbericht 2004. Fakten und Analysen (S. 11–21). Bonn: Studienstiftung des deutschen Volkes.
Schnakenberg, J. (1979). Chancen und Gefahren für Begabte in naturwissenschaftlichen und technischen Studiengängen. In Studienstiftung des deutschen Volkes (Hrsg.), Jahresbericht 1978 (S. 154–171). Bonn: Studienstiftung des deutschen Volkes.
Sikorski, H. (1930). Überfüllung der Hochschulen und Begabtenförderung. In Studentenwerk (Hrsg.), Vierteljahrshefte der studentischen Selbsthilfearbeit (S. 185–189). Leipzig: Quelle & Meyer.
Soden, H. v. (1928). Drei Jahre Studienstiftung des deutschen Volkes. In Studentenwerk (Hrsg.), Vierteljahrshefte der studentischen Selbsthilfearbeit (S. 15–22). Leipzig: Quelle & Meyer.
Spiegler, T. (2015). Erfolgreiche Bildungsaufstiege. Ressourcen und Bedingungen. Weinheim: Beltz.
Staiger, A. (2004). Whiteness as giftedness: Racial formation at an urban high school. Social Problems, 51(2), 161–181.
Studienstiftung. (1973). Tätigkeitsbericht 1972. In Studienstiftung des deutschen Volkes (Hrsg.), Jahresbericht 1972 (S. 7–17). Bonn: Studienstiftung des deutschen Volkes.
Studienstiftung. (1974). Tätigkeitsbericht 1973. In Studienstiftung des deutschen Volkes (Hrsg.), Jahresbericht 1973 (S. 5–17). Bonn: Studienstiftung des deutschen Volkes.
Vester, M. (2015). Die Grundmuster der alltäglichen Lebensführung und der Alltagskultur der sozialen Milieus. In R. Freericks & D. Brinkmann (Hrsg.), Handbuch Freizeitsoziologie (S. 143–187). Wiesbaden: Springer VS.
Wild, W. (1972). Die Ferienakademie der Studienstiftung. In Studienstiftung des deutschen Volkes (Hrsg.), Jahresbericht 1971 (S. 107–117). Bonn: Studienstiftung des deutschen Volkes.
Ziegler, A. (2010). Hochbegabte und Begabtenförderung. In R. Tippelt & B. Schmidt (Hrsg.), Handbuch Bildungsforschung (S. 937–951). Wiesbaden: VS.
Zimmermann, R. (1996). Welche Bildung brauchen Studenten für die Zukunft? In Studienstiftung (Hrsg.), Jahresbericht 1995. Fakten und Analysen (S. 11–22). Bonn: Studienstiftung des deutschen Volkes.
Zimmermann, G. (2013). Bildung. In Studienstiftung des deutschen Volkes (Hrsg.), Jahresbericht 2012 (S. 4–6). Bonn: Studienstiftung des deutschen Volkes.
Zimmermann, R. (2014). Weitergeben. In Studienstiftung des deutschen Volkes (Hrsg.), Jahresbericht 2013 (S. 4–6). Bonn: Studienstiftung des deutschen Volkes.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2022 Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature
About this chapter
Cite this chapter
Böker, A. (2022). Begabtenförderung als Heterotopie im deutschen Bildungssystem. In: Bosančić, S., Keller, R. (eds) Diskurse, Dispositive und Subjektivitäten. Theorie und Praxis der Diskursforschung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-31557-3_2
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-31557-3_2
Published:
Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-658-31556-6
Online ISBN: 978-3-658-31557-3
eBook Packages: Social Science and Law (German Language)