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Die öffentliche Meinung und ihre Medien als aufsehende Gewalt

Zur Aktualität von René Marcic in digitalen Räumen

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Protestkommunikation: Konflikte um die Legitimität politischer Öffentlichkeit

Part of the book series: Medienkulturen im digitalen Zeitalter ((MEDIZE))

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Zusammenfassung

Dem Salzburger Rechtsphilosophen René Marcic wird zugeschrieben, das Konzept der Vierten Gewalt ab den 1950er-Jahren ins Deutschsprachige gebracht zu haben. Mit dem Gedanken einer aufsehenden Gewalt sind diverse Erweiterungen angesprochen: Zum einen sollten nicht nur Staatsgewalten, sondern auch private Mächte kontrolliert werden. Darüber hinaus sollten hieran nicht nur staatliche Stellen mitwirken, sondern möglichst die gesamte Rechtsgenossenschaft. Dieses Konzept vermag also ebenso die gegenwärtig Mächtigen aus dem Silicon Valley wie auch deren (mediale) Kontrolleure zu erfassen.

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Notes

  1. 1.

    Die Tagung, zu der dieser Beitrag zählt, fand im März 2019 in Salzburg statt, nur Tage zuvor wäre René Marcic 100 Jahre alt geworden. In Salzburg brachte er zudem einen Großteil seines akademischen Lebens zu, an der Universität Salzburg, an deren Wiedererrichtung er mitwirkte, war er 1966/1967 Rektor.

  2. 2.

    „Wir brauchen nur Namen und Schlagworte aufzuzählen: Albert Einstein, Max Planck, Otto Hahn, Werner Heisenberg, die Atombombe, die Kernspaltung, die H-Bombe, die Kernverschmelzung, die Kobalt- und die Uranhülle“ (ebd.).

  3. 3.

    Ganz ähnlich argumentieren sechzig Jahre später Befürworter_innen eines bedingungslosen Grundeinkommens wie Robert B. Reich (2017). Technologischer Wandel setze Zeit für geistreiche Tätigkeiten frei. Um Zeit für das Verstehen solcher Zusammenhänge zu verwenden, bedürfe es einer Absicherung, die von Arbeit allein nicht mehr zu erwarten stünde. Für Alternativen könne sich eine Gesellschaft entscheiden, schließlich werde alles von Gesetzen geregelt, die Menschen sich ausdenken. Zur Historisierung und zu gesellschaftlichen Bedingungen und Folgen einer Orientierung am „Neuen Menschen“ siehe Dickel (2011, S. 83 ff.).

  4. 4.

    Diesbezüglich wird Marcic (1970, S. 177) später deutlicher: „Der unmittelbare Zweck, der sich als Mittel zur Sinnerfüllung erweist, ist die Drosselung, die Mäßigung der Macht, der Staatsmacht wie sonstiger ‚privater‘ Mächte der Gesellschaft, die heute mitunter die Freiheit ärger gefährden als die ‚öffentlichen Gewalten‘.“ Bzw.: „Nicht nur ‚Staatsgewalten‘, sondern auch andere gesellschaftliche Mächte werden unter Kontrolle gehalten. Das ist ein Hauptproblem des Gegenwartsstaates. Ja selbst einzelne, besonders ausgeprägte Persönlichkeiten, vermögende Menschen oder sonst einflußreiche private Personen, können ‚Macht‘ ausüben und müssen kontrolliert werden.“ (ebd., S. 182).

  5. 5.

    Zu vermuten steht, dass der Siegeszug des Begriffspaars von Kontrolle und Kritik durch die den „Fourth Estate“ begründende Formulierung des zeitweiligen Times-Redakteurs Henry Reeve (1855, S. 249 f.) geebnet wurde: „Journalism, therefore, is not the instrument by which various divisions of the ruling classes express themselves; it is rather the instrument by means of which the aggregate intelligence of the nation criticises and controls them all. It is indeed the ‘Fourth Estate’ of the Realm […].“

  6. 6.

    Marcic konzipiert in diesem Werk – sowohl normativ als auch prospektiv – einen „Rechtsstaat von unten“ (ebd., S. 397), der eine Flucht in Vierte Gewalten außerhalb der Verfassungsordnung obsolet macht, weil bzw. wenn diese sich der Verfassungswirklichkeit angepasst habe.

  7. 7.

    Später fasst Marcic (1970, S. 183) als „Medien der öffentlichen Meinung: Presse, Rundfunk, Fernsehen, Film, Theater, Kabarett u. dgl. m.).“ Die „aufsehende Gewalt“ geht auf Marti (1961) zurück.

  8. 8.

    https://www.fastcompany.com/90160486/how-propublica-became-big-techs-scariest-watchdog

  9. 9.

    https://projects.propublica.org/facebook-ads/

  10. 10.

    https://www.propublica.org/article/facebook-blocks-ad-transparency-tools

  11. 11.

    https://www.aclu.org/other/summary-settlements-between-civil-rights-advocates-and-facebook; https://www.propublica.org/article/facebook-ads-discrimination-settlement-housing-employment-credit

  12. 12.

    https://www.propublica.org/article/hud-sues-facebook-housing-discrimination-advertising-algorithms

  13. 13.

    https://techcrunch.com/2019/03/31/why-facebook/

  14. 14.

    https://www.propublica.org/article/facebook-ads-can-still-discriminate-against-women-and-older-workers-despite-a-civil-rights-settlement

  15. 15.

    Hierfür und für die folgenden Zitate: https://www.fastcompany.com/90160486/how-propublica-became-big-techs-scariest-watchdog

  16. 16.

    Luhmann (2002, S. 143) spricht von der „Respezifikation von gesamtgesellschaftlich einleuchtenden, aber zu allgemein geratenen Kriterien“ und dass „der Sinn von Organisation in der Bereitstellung von Respezifikationsmöglichkeiten für zu allgemein geratene Ziele“ liegen könnte (ebd., S. 158).

  17. 17.

    https://www.propublica.org/article/breaking-the-black-box-what-facebook-knows-about-you

  18. 18.

    Am 22. Juli 2019.

  19. 19.

    Bei ProPublica findet sich etwa ein Broadway Stück zu „collateralized debt obligations“ (forderungsbesicherte Schuldverschreibungen): https://vimeo.com/10864430. Zu CumEx-Finanzgeschäften hat das deutsche Correctiv ein Theaterstück initiiert: https://www.lichthof-theater.de/event-reader/events/cum-ex-papers.html.

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Mölders, M. (2021). Die öffentliche Meinung und ihre Medien als aufsehende Gewalt. In: Hahn, K., Langenohl, A. (eds) Protestkommunikation: Konflikte um die Legitimität politischer Öffentlichkeit. Medienkulturen im digitalen Zeitalter. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-31482-8_6

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