Zusammenfassung
Im folgenden Beitrag geht es um die Frage, wie die Erwachsenenbildung dem Anspruch vom lebenslangen Lernen nicht nur auf der Basis von beruflicher Verwertung oder ausbildungsmäßiger Erfordernis, sondern als gesellschaftliche Leistung für allgemeine Bildungswünsche von Erwachsenen über das berufliche Leben hinaus entsprechen kann. Dabei wird der Fokus besonders auf jene Menschen gelegt, die mit bildungsmäßig ungünstigen Voraussetzungen ihren Lernweg in die Erwachsenenbildung starten. Anhand einiger ausgewählter Theorien, Lernansätze und Bildungsmaßnahmen wird versucht, eine pädagogische Denkrichtung nachzuzeichnen, die über die Zeiten hinweg die Kerngedanken der freien Erwachsenenbildung kennzeichnet: selbstständiges und motiviertes Lernen, ein offener Blick auf gesellschaftliche Entwicklungen und die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel.
Aktuell scheinen neuere Forschungen zur Interesse-Entwicklung diesen Kerngedanken zu stärken. Vor allem bei Maßnahmen, in denen schwierige Ausgangssituationen zu überwinden sind, etwa bei der Vermittlung von Basisbildung, könnte die Weckung und gezielte Weiterentwicklung von Interessen ein positives Lernerlebnis bewirken, das über die Leistungserbringung hinaus zur nachhaltigen und selbstständigen Weiterbildung motiviert. Der Beitrag endet mit einem Ausblick auf mögliche Chancen für das lebenslange Lernen und für partizipative Forschung.
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Notes
- 1.
Das Life History and Biography Network von ESREA führt jährlich Konferenzen durch. Siehe: https://esrea.org/networks/life-history-and-biography/.
- 2.
Bei einer Tagung im Jahr 2019 zum Thema „Erfolgsgeschichte Initiative Erwachsenenbildung: Am richtigen Weg oder in Gefahr!?“ wurde vor allem der zentrale Beitrag der Volkshochschulen betont (vgl. Evers, 2019).
- 3.
Mit seinem Ansatz „Learning by doing“ hat John Dewey in vielen Lerntheorien für selbstständiges Handeln und Denken Eingang gefunden. Diesen Gedanken übernahm Dewey von Georg Kerschensteiner, dessen Bildungsbegriff das „selbstständige Erarbeiten“ prägte. In Anknüpfung an Pestalozzi betonte Kerschensteiner die Wichtigkeit einer Verbindung von geistigem und manuellem Tun. Auch war für ihn der Mensch ein Gemeinschaftswesen mit seinen tiefen sozialen Verflechtungen und auch Verpflichtungen als mitverantwortlicher Staatsbürger.
- 4.
Auf dieser Tagung präsentierten auch die österreichischen Bildungsforscherinnen Kastner, Motschilnig und Cennamo ein Paper über Transformative Learning im Kontext mit Alphabetisierungsforschung: „A lived Journey into Participatory Research in Adult Literacy Education. (Transformative) Learning(s) from a Social Laboratory“.
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Brugger, E. (2021). Vom Bildungsbedarf zum Bildungswunsch: Kann die Erwachsenenbildung durch Interesse-Entwicklung nachhaltiges und eigenständiges Weiterlernen fördern?. In: Egger, R., Härtel, P. (eds) Bildung für alle?. Lernweltforschung, vol 36. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-31054-7_5
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