Zusammenfassung
Eine mögliche Sezession Bayerns wird seit vielen Jahren politisch und juristisch diskutiert. In verfassungsrechtlicher Perspektive bringt sie zwei Fragen mit sich, die auf unterschiedlicher rechtlicher Ebene diskutiert und beantwortet werden müssen.
Erstens stellt sich die Frage, ob die Bayerische Verfassung eine mit einer Sezession umzusetzende Forderung nach einer Eigenstaatlichkeit Bayerns beinhaltet. Dies ist zu verneinen, weil Bayern ein Freistaat und gerade kein „Eigenstaat“ ist und aus Bayerns Freistaatlichkeit nicht die Notwendigkeit einer Sezession abzuleiten ist.
Zweitens stellt sich die Frage, ob das Grundgesetz eine bayerische Sezession zulässt. Um dies beantworten zu können, muss zunächst nach einem Sezessionstatbestand im Grundgesetz gefragt werden und sodann, ob – eine hinreichende politische Mehrheit vorausgesetzt – ein solcher Tatbestand durch verfassungsändernde Gesetzgebung eingeführt werden könnte. Ein Sezessionstatbestand findet sich im Grundgesetz nicht, insbesondere ist der die Neugliederung des Bundesgebiets normierende Art. 29 GG weder direkt noch analog auf die Sezession eines Bundeslands anwendbar. Einer möglichen Einführung eines Sezessionstatbestands in das Grundgesetz durch den verfassungsändernden Gesetzgeber stehen der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG unterfallende Prinzipien, insbesondere das Bundesstaatsprinzip und die Volkssouveränität, entgegen. Eine bayerische Sezession würde daher mit einem Bruch mit dem Grundgesetz einhergehen.
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Notes
- 1.
Gleichwohl spielt er eine Rolle bei der Frage der Auslegung des Art. 79 Abs. 3 GG und seinem Verweis auf das Bundesstaatsprinzip. In diesem Sinne bedeutete „Eigenstaatlichkeit“ aber gerade nicht die Auslösung aus übergeordneten Zusammenhängen, sondern eine Ausprägung des Föderalismus (z. B. Verfassungsautonomie der Länder und eigene Einnahmequellen) (Dreier, GG Art. 79 III Rn. 48. Eigenstaatlichkeit wird hier also gerade im Kontext des Überstaatlichen definiert).
- 2.
Siehe zu Kants Begriff der Republik im staatstheoretischen Kontext nur Dreier 2004.
- 3.
Hierzu das berühmte Kant-Zitat aus seiner Spätschrift „Zum ewigen Frieden“ von 1795: „Unter den drei Staatsformen ist die der Demokratie, im eigentlichen Verstande des Worts, notwendig ein Despotism […]“, zitiert nach der Akademie-Ausgabe Bd. 8, S. 341 [351 f.].
- 4.
Art. 142 BV normiert ausdrücklich, dass es keine Staatskirche gibt.
- 5.
Hier gibt es freilich (gerade bayerische) Stimmen, die es für einen Konstruktionsfehler des Art. 29 GG halten, dass nur die territorial betroffenen Bürger (also im Beispiel Berliner und Brandenburger), nicht aber die durch den Länderfinanzausgleich auch finanziell betroffenen Bürger (zum Beispiel Bayern) abstimmungsberechtigt sind.
- 6.
Beispielsweise wird diese Möglichkeit – ohne tragfähige Begründung – von der Bayernpartei vorgeschlagen, siehe https://bayernpartei.de/wp-content/uploads/2018/05/Bayernpartei_Wege-zur-Eigenstaatlichkeit-Bayerns.pdf, S. 6 (Zugegriffen am 31.08.2019); hierzu Doerfert 2016, S. 711.
- 7.
Noch deutlicher wird der am Beschluss beteiligte Bundesverfassungsrichter Peter Huber in seiner Kommentierung zur Präambel im Kommentar von Sachs, in der er die Länder wie folgt charakterisiert: „Sie hängen in ihrer Existenz vielmehr von der durch das (Bundes-)Volk erlassenen föderalen Ordnung des GG ab und sind dem Bund – ungeachtet ihrer eigenen, gegenständlich beschränkten Hoheitsmacht – grundsätzlich untergeordnet“ (Huber, in: Sachs, GG Präambel Rn. 23.).
- 8.
Einhellige Meinung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der verfassungsrechtlichen Literatur, siehe BVerfG 1, 14 (47 f.); 5, 34 (38); Hofmann 2003, Rn. 87; aus der Kommentarliteratur nur Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 III Rn. 21 (Fn. 91 mwN).
- 9.
Dreier, in: Dreier, GG Art. 79 III Rn. 21 fordert unter Verweis auf den Grundsatz der Digesten „Tres faciunt collegium“ eine Mindestzahl von drei Ländern; Isensee 2008, Rn. 295 spricht hingegen davon, dass auch im Wege der Verfassungsänderung die bisherige Zahl der Länder „nicht erheblich verringert“ werden dürfe. Einen nur noch aus zwei Ländern bestehenden Bundesstaat hält er für „das schlechthinnige Zerrbild des grundgesetzlichen Staatstypus“; zustimmend: Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG Art. 79 Rn. 42.
- 10.
Hierzu Scharnagl 2012, S. 74 ff., der das Selbstverständnis von „Bayern und seine(n) Menschen“ mit „Die Gewissheit des Seins“ untertitelt.
- 11.
Diese Fragerei ließe sich noch weitertreiben: Sind Oberländer und Münchner wirklich Teil des gleichen Landesvolks? Sind die Unterfranken mit ihrem Weinanbau wirklich Teil des biertrinkenden Restfrankens? Und was ist mit der Oberpfalz?
Literatur
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Fischer, FA. (2021). Kann Bayern es tatsächlich allein? Eine verfassungsrechtliche Untersuchung der bayerischen Sezession. In: Bergbauer, H., Mann, G. (eds) Neugestaltung der Staatenwelt im 21. Jahrhundert. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-30854-4_13
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