Zusammenfassung
Der Beitrag nimmt eine sozial(pädagogisch)e Inblicknahme von LeibKörpern im Kontext historischer Frauenbewegungen vor. Am Beispiel der Verhandlungen von Sexualität in den Frauenbewegungen um 1900 und der Neuen Frauenbewegung um 1970 zeichnen die Autorinnen in ihren Analysen Spannungsfelder von Ermächtigung bzw. Ermöglichung und Zugriff bzw. Eingriff nach. Sie identifizieren hierin Paradoxien, die sie als Kippmomente zwischen Absichten der Ermöglichung und Emanzipation auf der einen Seite, als Übergänge zu Kontrolle und Zugriff auf LeibKörper auf der anderen Seite, fassen. Entlang der Denkfigur der „Grenzbearbeitung“ entwickeln sie eine weiterführende, kritisch-emanzipatorische Perspektive.
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Notes
- 1.
Ein weiteres Kippmoment in den Positionen von Stöcker zur Prostitution (aber auch hinsichtlich der Befürwortung von Verhütungsmitteln ‚für alle Frauen‘) stellen ihre eugenischen Argumente dar (vgl. dazu u. a. Hein 1998).
- 2.
Hier sei auf die Bewegung des Abolitionismus (Abschaffung der staatlich reglementierten Prostitution) verwiesen, die auch in der deutschen Frauenbewegung aufgegriffen wurde.
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Bütow, B., Maurer, S. (2021). Zwischen ‚Zugriff‘ und ‚Ermöglichung‘: Sozial(pädagogisch)e Inblicknahmen von LeibKörper am Beispiel der Verhandlungen von Sexualität in den historischen Frauenbewegungen. In: Schär, C., Ganterer, J., Grosse, M. (eds) Erfahren – Widerfahren – Verfahren. Zürcher Begegnungen. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-30780-6_3
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