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Protest im ersten Jahrzehnt der Bundesrepublik

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Polizei und Protest in der Bundesrepublik Deutschland

Zusammenfassung

Die 1950er Jahre sind im allgemeinen Bewusstsein durch Wiederaufbau, Konsumorientierung und einen wiedererwachenden Fortschrittsglauben geprägt. Öffentlich ausgetragene Konflikte, politische Widersprüche überhaupt, passen nicht in dieses Bild; sie wirken wie Störfaktoren. Doch dieses „unpolitische“ Jahrzehnt ist ein Mythos, wie der Kampf gegen die Wiederbewaffnung, die Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung und die „Halbstarken“-Krawalle zeigen. Dieser Mythos stellt aber selbst das Nebenprodukt einer Politik dar, die sich erst nach heftigen innenpolitischen Konflikten gegenüber anderen Denkmustern durchzusetzen vermochte.

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Notes

  1. 1.

    In einem Interview hatte Konrad Adenauer angesichts des wenige Wochen zuvor ausgebrochenen Koreakriegs erklärt: „Wir müssen die Notwendigkeit der Schaffung einer starken deutschen Verteidigungskraft erkennen. Ich will nicht von einer Armee oder Waffen sprechen, aber diese Streitmacht muss stark genug sein, um jede mögliche, den Vorgängen in Korea ähnelnde Aggression der Sowjetzonenvolkspolizei abzuwehren.“ New York Times vom 17.8.1950.

  2. 2.

    „Ein europäischer Krieg unter unserer Beteiligung wird für uns nicht nur ein nationaler Krieg sein wie für die anderen betroffenen Völker, sondern obendrein ein Krieg von Deutschen gegen Deutsche. Er wird sich, so wie die Dinge liegen, auf deutschem Boden abspielen. […] Aber wir legitimieren unser Deutschland selbst als Schlachtfeld, wenn wir uns in die Aufrüstung einbeziehen.“ Gustav Heinemann, Warum ich zurückgetreten bin, in: Stuttgarter Zeitung vom 18.10.1950.

  3. 3.

    Als christlicher Erbauungskreis getarnt arbeiteten vom 4. bis 9. Oktober 1950 im Eifelkloster Himmerod sechzehn ehemalige Offiziere der Deutschen Wehrmacht eine Denkschrift zur Wiederbewaffnung aus. Die Klausurtagung, auf der frühere Generäle aller drei Waffengattungen vertreten waren, wurde von Generaloberst Heinrich Freiherr von Vietinghoff-Scheel geleitet. Zugegen waren auch die Generalleutnants Adolf Heusinger und Hans Speidel, General Johann Adolf Graf von Kielmannsegg und der Generalstabsoffizier Wolf Graf von Baudissin. Die „Denkschrift des militärischen Expertenausschusses über die Aufstellung eines deutschen Kontingents im Rahmen einer übernationalen Streitmacht zur Verteidigung Westeuropas“, kurz „Himmeroder Denkschrift“ genannt, sollte Keimzelle eines zukünftigen, „mit Wehrfragen befassten Ministeriums“ werden. Das Schwergewicht beim Aufbau der neuen Armee sollte dabei auf die Landstreitkräfte gelegt werden. Dafür waren zwölf Panzerdivisionen und 250.000 Soldaten vorgesehen worden.

  4. 4.

    Der Leiter der neu geschaffenen Einrichtung beschrieb seine Funktion in einem Interview mit der amerikanischen Presseagentur Associated Press (AP) folgendermaßen: „Ich bin kein Verteidigungsminister, wie einige Leute behaupten, ich bin ein Zivilist auf einem halbmilitärischen Posten.“ Zitiert nach: Frankfurter Rundschau vom 4.12.1950.

  5. 5.

    Vgl. Hans Speidel, Aus unserer Zeit. Erinnerungen, Frankfurt/Wien 1977, S. 275 f.

  6. 6.

    Joachim Beckmann (Hrsg.), Kirchliches Jahrbuch 1950, Gütersloh 1951, S. 149.

  7. 7.

    Zentralarchiv der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Bestand 62: Akzidenz-Nr. 1308, Sonderdruck Stimme der Gemeinde, o. J.

  8. 8.

    Beides weist Parallelen zum Tod Benno Ohnesorgs anderthalb Jahrzehnte später auf, als der Germanistikstudent auf einer Demonstration gegen den Schah von Persien in West-Berlin von dem als zivilem Greifer eingesetzten Polizeikommissar Karlheinz Kurras auf dieselbe Weise umgebracht wurde. Zum Ablauf des tödlichen Vorfalls in Essen vgl. Ernst Zander, Die Kampagne gegen die Remilitarisierung in Deutschland, London 1952.

  9. 9.

    Vgl. Wolfgang Kraushaar, Die Protest-Chronik 1949–1959, Eine illustrierte Geschichte von Bewegung, Widerstand und Utopie, Bd. 1: 1949–1952, Hamburg 1996, S. 677 f.

  10. 10.

    Vgl. Kraushaar, Die Protest-Chronik (wie Anm. 9), Bd. 2: 1953–1956, S. 1103, 1105, 1107, 1120, 11255, 1127 ff.

  11. 11.

    Das auf der Kundgebung in der Frankfurter Paulskirche verabschiedete „Deutsche Manifest“ wurde abgedruckt in: Keesings Archiv der Gegenwart vom 29.1.1955, XXV. Jg., S. 4984; Nachdruck in: Christoph Kleßmann, Die doppelte Staatsgründung. Deutsche Geschichte 1945–1955, Göttingen 1982, S. 484–85.

  12. 12.

    Adenauer hatte wörtlich erklärt: „Nun komme ich auf die atomaren Waffen. Hier ist nicht beachtet der Unterschied zwischen den taktischen und den großen atomaren Waffen. Die taktischen Atomwaffen sind im Grunde nichts anderes als eine Weiterentwicklung der Artillerie, und es ist ganz selbstverständlich, dass bei einer so starken Fortentwicklung der Waffentechnik, wie wir sie leider jetzt haben, wir nicht darauf verzichten können, dass auch unsere Truppen – das sind ja beinahe normale Waffen – die neuesten Typen haben und die neueste Entwicklung mitmachen. Davon sind zu trennen die großen atomaren Waffen, die haben wir ja nicht.“ Dokumente zur Deutschlandpolitik, hrsg. vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, III. Reihe, Bd. 3.1, Bonn 1967, S. 577.

  13. 13.

    Da die Sowjetunion über einen erheblichen Vorsprung an konventionellen Waffen verfüge – dies hatte Strauß in einem Interview mit dem Hessischen Rundfunk erklärt – und ihre Streitkräfte sowohl in materieller wie in personeller Hinsicht besser ausgerüstet seien, würde ein Verzicht auf Nuklearwaffen militärisch „eine Preisgabe Europas“ an die UdSSR bedeuten. Sein Standpunkt in der Frage der taktischen Atomwaffen sei der, keine spezielle Ausrüstung für die Bundeswehr, sondern lediglich eine „Gleichberechtigung“ mit den übrigen europäischen Streitkräften der NATO zu verlangen.

  14. 14.

    Robert Lorenz, Die „Göttinger Erklärung“ von 1957. Gelehrtenprotest in der Ära Adenauer, in: Johanna Klatt/Robert Lorenz (Hrsg.), Manifeste. Geschichte und Gegenwart des politischen Appells, Bielefeld 2011, S. 135–168.

  15. 15.

    Vgl. Robert Lorenz, Protest der Physiker: die „Göttinger Erklärung“ von 1957, Bielefeld 2011.

  16. 16.

    Die Tat 9 (1958), Nr. 5 vom 3.2.1958, S. 11.

  17. 17.

    Nach dem im März 1957 in Kraft getretenen NATO-Strategiedokument MC 14/2 war für alle Mitgliedsstaaten verbindlich vorgeschrieben worden, dass auf jeden sowjetischen Militärangriff mit strategischen und taktischen Nuklearwaffen zu antworten sei.

  18. 18.

    Die bundesdeutsche Öffentlichkeit erfuhr von dem Vertrag, der freilich nach dem Machtantritt Charles de Gaulles im Herbst 1958 für null und nichtig erklärt wurde, erst im Sommer 1989, als die Memoiren von Strauß nach dessen Tod erschienen. Vgl. Franz Josef Strauß, Erinnerungen, West-Berlin 1989, S. 313–315.

  19. 19.

    Die im Oktober 1954 unterzeichneten Pariser Verträge sicherten der Bundesrepublik zwar ihre politische Souveränität zu, schränkten aber die damit verbundene Wahrnehmung einer Wiederbewaffnung insofern ein, als ihr die Produktion von ABC-Waffen untersagt wurde.

  20. 20.

    Vgl. Hamburger Abendblatt vom 18.4.1958.

  21. 21.

    Keesings Archiv der Gegenwart vom 30.7.1958, S. 7210.

  22. 22.

    Zur historischen Vorgeschichte des Betriebsverfassungsgesetzes in Deutschland vgl.: Otto Neuloh, Die deutsche Betriebsverfassung und ihre Sozialformen bis zur Mitbestimmung, Tübingen 1956; Hans Jürgen Teuteberg, Geschichte der industriellen Mitbestimmung in Deutschland. Ursprung und Entwicklung ihrer Vorläufer im Denken und in der Wirklichkeit des 19. Jahrhunderts, Tübingen 1961; Werner Milert/Rudolf Tschirbs, Die andere Demokratie. Betriebliche Interessenvertretung in Deutschland. 1848 bis 2008, Essen 2012.

  23. 23.

    Vgl. Kraushaar, Die Protest-Chronik (wie Anm. 9), Bd. 3: 1957–1959, S. 1580 f.

  24. 24.

    Marianne Feuersenger (Hrsg.), Gibt es noch ein Proletariat? Dokumentation einer Sendereihe des Bayerischen Rundfunks, Frankfurt a.M. 1962, mit Beiträgen von Hans Paul Bahrdt, Walter Dirks, Walter Maria Guggenheimer, Paul Jostock, Burkart Lutz und Heinz Theo Risse.

  25. 25.

    Vgl. Kraushaar, Die Protest-Chronik (wie Anm. 9), Bd. 2, S. 1511 f.

  26. 26.

    Thomas Grotum, Die Halbstarken. Zur Geschichte einer Jugendkultur der 50er Jahre, Frankfurt a.M./New York 1994, S. 223.

  27. 27.

    Peter Merseburger, Rebellen ohne Ziel, Hannoversche Presse vom 25.8.1956.

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Kraushaar, W. (2020). Protest im ersten Jahrzehnt der Bundesrepublik. In: Mecking, S. (eds) Polizei und Protest in der Bundesrepublik Deutschland. Geschichte und Ethik der Polizei und öffentlichen Verwaltung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-29478-6_2

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  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

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