Zusammenfassung
Die Anfänge des Sports sind in Deutschland überwiegend mit seiner Organisation in Klubs oder Vereinen verbunden. Deren Unterlagen sind, ob durch Unachtsamkeit, Katastrophen oder Kriegseinwirkungen vielfach verloren gegangen. In Ermangelung von Originalquellen bleibt deshalb nur der Weg über die Auswertung zeitgenössischer Publikationen. Der Beitrag stützt sich auf Durchsicht aller Tageszeitungen der Stadt Mannheim für den Zeitraum zwischen 1886 und Ende 1914. Aus den Berichten lässt sich gut nachvollziehen, wie die Stadt in Bewegung kommt, welche Personen oder Gruppen in welchem Maß daran beteiligt sind und wie einzelne „sports“ das soziale Leben der Stadtgesellschaft zu verändern beginnen. Es zeigt sich, wie der Sport „Raum gewinnt“, wie er sich sprachlich etabliert, lokal und regional vernetzt und darüber hinaus national wahrgenommen wird. Andererseits finden sich zahlreiche Belege, wie es den Turnern gelingt, neue Formen der Bewegungskultur zu integrieren. Manche Aussagen der Sportgeschichte erweisen sich dadurch als Klischee.
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Notes
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Die mikroverfilmten Bestände in der Universitätsbibliothek Mannheim sind für diesen Zeitraum nahezu lückenlos überliefert. Für andere Zeitabschnitte wurden weitere (lückenbehaftete) Publikationen herangezogen, z. B. Mannheimer Journal 1868–1869, Neue Badische Landeszeitung 1871 und die Badische Volks-Zeitung 1883–1886, deren Titel ab 21.06.1886 zu General-Anzeiger wechselte.
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Mit den mehr als 10.000 gescannten Artikeln wurden schätzungsweise zwei Drittel aller Veröffentlichungen erfasst. Nicht aufgenommen wurden Annoncen zu Tanzinstituten, für Kegelbahnen oder zu medizinischen Bädern; Artikel zum Pferderennen und Schützenwesen wurden nur bei besonderen Veranstaltungen erfasst.
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Untertitel: Illustrirte Blätter zur Hebung der Wanderlust und des Fremdenverkehrs in Südwestdeutschland.
- 4.
Untertitel: Illustrirte Blätter zur Hebung des Fremdenverehrs in Süddeutschland.
- 5.
Untertitel: Internationale illustrierte Fachzeitschrift für die Gesammtinteressen d. Radfahrsportes u. d. Fahrradindustrie [Wie lange die Zeitschrift bestand, ist nicht bekannt].
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Untertitel: Internationale illustr. Fachzeitschrift für die Gesammtinteressen des Automobilsportes und der Automobilindustrie.
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Watzinger (1984). Dort zahlreiche weitere Beispiele für den Großhandel und das Bankenwesen.
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Walter (1907, Band III, S. 330 ff.).
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GA MA, 04.07.1891. Bericht über die Sitzung des Stadtrates vom 2. 7. Die Begründung (GA MA, 06.07.1891) nimmt Bezug auf einen im Vorjahr stattgefundenen Kongress des deutschen Vereins für Gesundheitspflege in Braunschweig. In seinem dort gehaltenen Vortrag referierte Oberingenieur Andreas Meyer aus Hamburg über Bedeutung von „Baumpflanzung und Gartenanlagen in den Städten“ unter hygienischen Gesichtspunkten. Es sei „Pflicht jeder Stadtverwaltung,… nach dieser Richtung hin ersprießliche Thätigkeit zu entfalten.“
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Gustav von Struve war treibende Kraft hinter den 1845/1846 gegründeten Vereinen: Mannheimer Turnverein, Verein zur Förderung des Volksbadens im Rheine, Verein zur Unterstützung der arbeitenden Klassen. Zum geschichtlichen Zusammenhang, vgl. Wieser (2011, S. 123–154).
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Ankündigung zur Gründung eines Vélocipèdes-Club, wo man sich ganz unbescheiden in eine Reihe mit Paris, London, Bordeaux und Wien, „neuerdings Newyork, Liverpool ec.“ stellte. Zur dauerhaften Gründung von Velozipedistenvereinen kam es jedoch erst 1882 und 1883.
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Zu den Jüngern Neptuns zählten zunächst nur die Ruderer. Schwimmen kam erst um 1900 hinzu. Der erste Ruderverein wurde 1875 von Mitgliedern des Turnvereins als Ruderclub des Turnvereins gegründet, gefolgt vom Mannheimer Ruderverein ‚Amicitia‘ im darauffolgenden Jahr. 1876 trennte sich der Ruderclub vom Turnverein und bestand fortan als Mannheimer Ruder Club 1875.
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Zwei vereinseigene Velocipedbahnen mit regelmäßigen Veranstaltungen werden zu dieser Zeit in Deutschland nicht allzu häufig gewesen sein.
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Bis 1914 konnten vierzehn Vereine gezählt werden.
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Nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Buffalo Bill, der ebenfalls durch Europa tourte.
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Es war eine gemeinsame Initiative des Lawn-Tennis-Klubs mit der Mannheimer Parkgesellschaft. Mitglieder des Klubs hatten Eintritt zum halben Preis. Die Parkgesellschaft unterhielt zusätzlich eine Eisbahn im „Sportpark“, zu der Vereinsmitglieder ebenfalls ermäßigten Zutritt hatten. Annoncen für die Eisbahnen z. B. 20.01.1912. Städtische Rodelbahn, BNN, 20.01.1914; künstliche Eisbahn, BNN, 27.02.1914.
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Annonce mit Zahlen des Geschäftsabschlusses. Die Aktien wurden mit drei Prozent verzinst.
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Siehe z. B. GA MA, 27.08.1886. Wildabschuss in Oberösterreich. GA MA, 20.10.1886. Abstürze in den Alpen, Wölfe in Lothringen. GA MA, 08.07.1890. Seehundjagd beliebter Sport auf Sylt. GA MA, 23.07.1892. Hundesport, Preissuchen. GA MA, 17.05.1899. Brieftaubenflug.
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Das Arbeiterturnen wurde im General-Anzeiger bis auf ganz wenige Ausnahmen ignoriert.
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Die „Engländer“ aus Heidelberg waren Schüler des Heidelberg College.
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Die Fachausdrücke sind im Original graphisch hervorgehoben. Mit den Spezialausdrücken aus der Fußballsprache wollte der Journalist wohl seine Leserschaft beeindrucken.
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Dass der Staub von draußen kam, verursacht durch den zunehmenden Stadtverkehr, wird durch mehrere Zuschriften an die BNN deutlich, z. B. die „Staubplage“, die vom Verkehr auf unbefestigten Straßen herrühre, BNN, 24.04.1914. Das Klischee von den staubigen Hallen hält sich trotzdem hartnäckig.
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Dort die Besprechung des Werkes. Über einen Auftritt in Kaiserslautern: GA MA, 26.03.1896.
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Ein Leistungsvergleich ist selbst bei Vorlage konkreter Daten kaum möglich, weil die Rahmenbedingungen stets unterschiedlich waren. Fußballer betrieben also, wie auch die Turner, den leichtathletischen Mehrkampf.
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Die Halle war anlässlich des Deutschen Turnfestes von 1908 in Frankfurt Ausflugsziel von Turnern aus aller Welt und schaffte es zur Abbildung in Gaschs Handbuch.
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Das Gelände wurde als der schönste Platz Mannheims beschrieben.
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Zu belegen bei Durchsicht der Jahrbücher für Volks- und Jugendspiele (wechselnde Titel seit 1892). Auf Ortsebene ist die Person des Stadtschulrates, Dr. Anton Sickinger, besonders hervorzuheben.
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Der Fußball erfuhr in den nächsten Jahren eine rasante Aufwärtsentwicklung, wie sich an der Mitgliederzahl des VfR nach der Fusion erkennen lässt. 1913 zählte der Verein mit etwa 1100 Mitgliedern zu den größten Deutschlands.
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Hinzuzurechnen wären noch die zwei weiteren Turnvereine im Stadtgebiet und die im Zuge der Eingliederung hinzukommenden Turnvereine der ehemaligen Umlandgemeinden. Die Dominanz des Mannheimer Turnvereins von 1846 wird daran deutlich, dass er sich 1914 mit Genehmigung der Kreisleitung der DT aus dem Städtegau Mannheim-Ludwigshafen ausgliedern und einen eigenen Gau gründen durfte.
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Gut zu dokumentieren beim Radfahren, von den Radrennbahnen der Vereine zum stadteigenen Sportplatz oder beim Schwimmen, vom Stromschwimmen über Wettkämpfe im Hafenbecken und das Training in (privaten) Hallenbädern bis zur Initiative für ein städtisches Hallenbad.
Literatur
BNN: Badische Neueste Nachrichten, Mannheim.
BVZ: Badische Volks-Zeitung, Mannheim.
GA MA: General-Anzeiger, Mannheim.
MJ: Mannheimer Journal, Mannheim.
NBL: Neue Badische Landeszeitung, Mannheim.
Bühn, K. (1921). 25 Jahre Mannheimer Rasensport. Denkschrift zum 25jährigen Jubiläum des Vereins für Rasenspiele Mannheim e. V. Mannheim: Gremm.
Gasch, R. (1920). Handbuch des gesamten Turnwesens und der verwandten Leibesübungen. Wien; Leipzig: Pichlers Witwe & Sohn.
Mannheimer Ruder Club (1950). 75 Jahre Mannheimer Ruder Club 1875. Mannheim: Merkur-Druck.
Turnverein Mannheim (1896). 50 Jahre Turnverein Mannheim von 1846. Mannheim: Dr. Haas’sche Druckerei.
Walter, F. (1907). Mannheim in Vergangenheit und Gegenwart. Band III, Mannheim seit der Gründung des Reiches 1871–1907. Mannheim: Stadtgemeinde.
Watzinger, K. O. (1984). Geschichte der Juden in Mannheim 1650–1945. Stuttgart, u. a.: Kohlhammer.
Wieser, L. (2011). Die „künftige Armee der radikalen Parthei“? – Badische Turner in Vormärz und Revolution von 1848/49. In: M. Furtwängler u. a. (Hrsg.): Nicht nur Sieg und Niederlage. Sport im deutschen Südwesten im 19. und 20. Jahrhundert. (S. 123–154). Ostfildern: Thorbecke.
Wieser, L. (2017). Ra(n)dnotizen aus Mannheim zur Frühzeit des Radsports. In: M. Ehlers, M. Friedrich, H. Stockert (Hrsg.): 200 Jahre Radsportgeschichte. Von Teufelslappen, Sprinterzügen und Nachführarbeit. ISG-Schriftenreihe (S. 29–46). Mannheim: Institut für Stadtgeschichte.
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Wieser, L. (2020). „Sports“ in Mannheim – Tageszeitungen als Quelle der Sportgeschichte. In: Krüger, M., Hofmann, A. (eds) Sportgeschichte in Deutschland - Sport History in Germany. Bildung und Sport, vol 22. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-27822-9_17
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