Zusammenfassung
Auch wenn der Begriff des Kollektivs keinen sonderlich prominenten Platz in der Geschichte von Soziologie und Philosophie einnimmt, ist er doch für die forschende Beschäftigung mit Gedächtnis, Erinnern und Vergessen unverzichtbar – vor allem als Adjektiv zur näheren Bestimmung von Begriffen wie Gedächtnis, Identität, Bewusstsein. Er akzentuiert das Soziale und Kulturelle gegenüber dem Individuum, auch wenn die Gefahr, Kollektive zu eigenständig handelnden Wesen zu machen, in der Beschäftigung mit der Vergangenheit besonders groß zu sein scheint. Der Beitrag umreißt die neuere Begriffsgeschichte, setzt sich mit dem Verhältnis von Individuum und Gesamtheit auseinander und erläutert die gegenseitige Abhängigkeit von Gesellung und Vergangenheitsrepräsentation.
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