Zusammenfassung
Der Beitrag wirft einen subjektiven Blick aus Sicht eines langjährigen leitenden Arztes der Kinderheilkunde auf den Prozess der DRG-Einführung und den Alltag unter DRG-Bedingungen. Es werden die Besonderheiten von Kinderkliniken aufgezeigt, die Erwartungen bei Einführung der DRGs thematisiert und die sich im Krankenhausalltag zeigenden Probleme nach DRG-Einführung kritisch beleuchtet.
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Notes
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Für die ähnlich gelagerte Problematik der Versorgung mit Arzneimitteln für seltene Erkrankungen (so genannte Orphan Drugs) hat der Gesetzgeber zur Unterstützung der forschenden Arzneimittelindustrie eine Förderung ermöglicht, um die Sicherstellung zu ermöglichen, da ansonsten keine kostendeckende Herstellung möglich war (vfa 2018).
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Sicher können auch in anderen Fachgebieten gesellschaftlich bedingte Veränderungen in Ansprüchen, Erwartungen und damit Verhalten beschrieben werden.
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Nicht zufällig tauchte in meiner Erinnerung damals erstmals der Begriff der ‚work-life-balance‘ auf.
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In diesem Zusammenhang sei an die „International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD)“ erinnert, die in ihrer 10. Fassung die Basis der Abrechnung nach DRG darstellt und die ihrerseits selbst von einem ihrer Mitbegründer inzwischen in vielen vor allem psychiatrischen Diagnosen kritisch gesehen wird: vgl. (Frances A 2013).
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„Bei uns gilt der Grundsatz: Am Bett des Patienten wird nicht gerechnet“ sagt Rudolf Mintrop vom Klinikum Dortmund. Und der Vorstandsvorsitzende der christlichen Klinikkette Agaplesion, Dr. med. Markus Horneber, betont im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt: „Unsere Ärzte sind angehalten, ausschließlich das zu tun, was aus ihrer Expertise heraus medizinisch indiziert ist: Wenn eine konservative Behandlung angezeigt ist, darf nicht operiert werden, auch wenn die jeweilige Behandlungsentscheidung mit geringeren Erlösen verbunden sein sollte.“ (Osterloh 2016).
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Kai Wehkamp im Deutschlandfunk: „An sich ist das System fast genial. Es erhebt Ist-Kosten, also echte Kosten in Krankenhäusern, zum Beispiel wie teuer war eine Operation, wie teuer waren die Laborwerte, wie teuer war die Verwaltung, das ganze Drumherum und daraus wird errechnet, wie teuer ein durchschnittlicher Patient mit jenen und jenen Kriterien ist und daraus ergibt sich dann der Preis der DRG, des typischen Behandlungsfalles“ (Liessen 2014).
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Lediglich zur Aufheiterung soll beitragen, dass in den ersten Jahren der DRG- Abrechnung die Differenzierung zwischen einer Verletzung durch den Biss eines Süßwasserkrokodils und dem eines Salzwasserkrokodils (völlig unterschiedliche ICD!) einen ‚running gag‘ auf vielen Fortbildungen darstellte und damit nebenbei auch auf die australische Abstammung des Systems verwies.
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„Der leitende Arzt im Krankenhaus muss sein Fachgebiet visionär explorieren, um abzuschätzen, welche Leistungsbereiche sich in der Zukunft besonders erfolgreich entwickeln werden. Dabei hat er die Nachfrage ebenso wie das Angebot seiner Wettbewerber zu berücksichtigen. Basierend auf den Ergebnissen dieser Analysen muss er seine Leistungen zukunftsfähig ausrichten und dabei unter Umständen auch auf die Erbringung bestimmter Leistungen verzichten, sofern sein Versorgungsauftrag und die Versorgung durch die umliegenden Krankenhäuser dies zulassen. Auch Marketingaspekte spielen eine große Rolle. Er muss für seine Leistungsangebote werben, soweit dies berufsrechtlich zulässig ist. Zusätzlich muss er sich darum kümmern, Talente zu suchen und zu entwickeln, und ausgeprägte soziale Kompetenzen zur Führung seines Teams besitzen. Der Krankenhausarzt steht vor der Herausforderung, seine Leistungen zu vorgegebenen Preisen – DRG-Fallpauschalen – und damit im Rahmen eines ökonomischen Zielkorridors zu erbringen. Ein systematisches Überschreiten dieser Kostenvorgabe wird regulierende Maßnahmen seitens des Trägers auslösen. Insbesondere private Krankenhausträger fassen die durch die Fallpauschale gesetzte Kostenvorgabe sogar noch enger, da sie im Gegensatz zu anderen Krankenhausträgern das Ziel verfolgen, eine Rendite für die Anteilseigner zu erwirtschaften. Viel intensiver als früher bringen sich die Geschäftsführungen in die Ausgestaltung des Leistungsportfolios ihrer Fachabteilungen ein. Dies wird von einem Teil der Ärzteschaft als sehr belastend empfunden, sie sieht ihren Handlungsspielraum unangemessen eingeschränkt“ (Röder und Franz 2014).
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Böhmann, J. (2019). Veränderungen im Alltag einer Versorgungsklinik in 15 Jahren DRG – 40 Jahre Erfahrungen in der Kinderheilkunde. In: Dieterich, A., Braun, B., Gerlinger, T., Simon, M. (eds) Geld im Krankenhaus. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-24807-9_5
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