Zusammenfassung
Blickt man zurück auf die Anfänge der noch jungen subjektbezogenen Forschungsperspektiven, so lässt sich feststellen, dass diese sich einen (noch) kleinen, aber festen Platz im Kanon der Forschungsperspektiven der Wissenschaft der Sozialen Arbeit erarbeitet haben. Dies zeigt sich vor allem an konkreten empirischen subjektbezogenen Forschungsarbeiten in verschiedenen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit, die Kategorien von Nutzen, Nicht-Nutzen und Nutzung der Angebote Sozialer Arbeit dezidiert beleuchten. Der Beitrag geht der Frage nach, welche Begründungen und Ursachen sich für die Entstehung und Etablierung subjektorientierter Forschungsperspektiven finden, und gibt eine kurze Einführung in das Verständnis und die gemeinsamen Grundlagen des (die Adressat*innenforschung, die sozialpolitische (Nicht-)Nutzungsforschung sowie die sozialpädagogische Nutzer*innenforschung umfassenden) Begriffs ‚subjektorientierte Forschungsperspektiven‘.
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Notes
- 1.
Dies gilt – dem Selbstanspruch folgend – nicht für die sozialpolitische (Nicht-)Nutzungsforschung, die sich explizit gegen die Ableitung von „direkten Schlüsse[n] für Handeln in der Sozialen Arbeit“ (Bareis 2012, S. 312) wendet.
- 2.
An dieser Stelle setzt auch eine Kritiklinie an, die subjektbezogene Forschungsperspektiven in einer Zeit entstehen sieht, in der sozialpolitische Muster auf die Aktivierung der Selbstsorge und Eigenverantwortung der Individuen setzt (Kessl und Klein 2010, S. 78). Dass aktivierende Politikmuster das Verhältnis der Inanspruchnehmenden selbst zu den Angeboten Sozialer Arbeit gänzlich anders konzipieren, als dies subjektbezogene Forschungsperspektiven tun, wird beispielsweise deutlich, wenn Gertrud Oelerich und Andreas Schaarschuch betonen, dass subjektbezogene Forschungsperspektiven unter dem herrschaftskritischen Anspruch entwickelt wurden, alternative Konzepte von Sozialpolitik zu entwickeln (Oelerich und Schaarschuch 2013, S. 85).
- 3.
Mit „unten“ ist explizit keine Abwertung oder Hierarchisierung im Sinne von oben und unten gemeint, sondern es wird auf das expertokratische Machtgefälle verwiesen, welches im Kontext Sozialer Arbeit aufgrund der institutionell verfestigten Strukturen eingegeben ist. Mit „unten“ soll dieses Verständnis offen(er) gelegt werden, indem deutlich wird, dass gegenwärtig weder von Partizipation noch Demokratisierung Sozialer Arbeit gesprochen werden kann.
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van Rießen, A., Jepkens, K. (2020). Subjektorientierte Forschungsperspektiven im Kontext Sozialer Arbeit – oder Möglichkeiten und Chancen der Fokussierung von Nutzen, Nicht-Nutzen und Nutzung Sozialer Arbeit. In: van Rießen, A., Jepkens, K. (eds) Nutzen, Nicht-Nutzen und Nutzung Sozialer Arbeit. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-23250-4_1
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