Skip to main content

Gute Bilder – böse Bilder. Bildethiken moralischer Kollektive

  • Chapter
  • First Online:
Moralische Kollektive

Part of the book series: Wissen, Kommunikation und Gesellschaft ((WISSEN))

  • 1936 Accesses

Zusammenfassung

Der Beitrag richtet sein das Interesse auf moralische Kollektive, die ‚gute‘ und ‚böse‘ Bilder als kommunikative Referenzen nehmen, um sich zu formieren. In den Fokus des sozialwissenschaftlichen Erkenntnisinteresses rücken damit jene kommunikativen Verständigungs- und Aushandlungsprozesse über gemeinsam akzeptierte oder zurückzuweisende Bildurteile und über intersubjektiv geteilte oder zu verurteilende Bildpraktiken, über die sich ein moralisches Kollektiv konstituiert. Insbesondere bei Bildern der Gewalt, die gesellschaftliche Verbreitung und Aufmerksamkeit finden und angesichts derer auch in den Sozialwissenschaften immer wieder moralische Stimmen laut werden, die nicht selten vorgeben, selbstevident und allgemeingültig zu sein, gilt es die für diese Haltungen konstitutiven Wahrnehmungs- und Deutungsbedingungen wissenssoziologisch in den Blick zu nehmen. Zu welchen konkreten Anlässen sich moralische Kollektive sozial konsolidieren und wann, wo, durch wen und vor allem wie sich moralische Kollektive in gesellschaftlichen Diskursen mit ihren Bildethiken positionieren, gehört zu den aktuellsten Fragen und dringendsten Aufgaben einer (Wissens-)Soziologie der Moral und wird ausgehend vom Fallbeispiel einer ‚Ikone‘ der sogenannten Flüchtlingskrise des Jahres 2015 exemplarisch untersucht.

Sich trotz allem ein Bild zu machendas stellt uns vor die schwierige Aufgabe einer Ethik des Bildes.

Georges Didi-Hubermann: Bilder trotz allem, 2007: 65

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 39.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as EPUB and PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 49.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Notes

  1. 1.

    Für eine frühe, heute klassisch anmutende Studie zur Sexualmoral siehe Schelsky (1955).

  2. 2.

    „So gilt auch hier, was für alle autopoietischen Systeme zutrifft: Beobachten (operatives Unterscheiden) ist nur auf der Ebene der Elemente möglich, und dies nur so, dass der Beobachter über eine Beschreibung verfügt, die die Selbstreferenz der Elemente mitvollzieht und dadurch ihre Zugehörigkeit zum System in Differenz zur Umwelt erkennbar werden lässt. Auch Selbstbeobachtung ist an diese Voraussetzung gebunden“ (Luhmann 1984: 548).

  3. 3.

    Diese Grundregel lösen hermeneutische Verfahren der interpretativen Sozialforschung mit dem am Einstieg in jegliche materiale Analyse strickt zu beherzigenden Prinzip der Kontextfreiheit ein (vgl. grundlegend Oevermann et al. 1979; Soeffner 2004).

  4. 4.

    Hermeneutische Verfahren der wissenssoziologischen Bildinterpretation wie die Konstellationsanalyse (Raab 2017, 2018) oder die Ästhetische Re|Konstruktionsanalyse (Hoggenmüller 2018) nutzen denn auch den durch den ‚reinen’ Blick auf die Form einer bildlichen Darstellung provozierten Bruch mit alltäglichen Sehweisen, die sich primär auf die Inhalte eines Bildes richten.

  5. 5.

    Ebenso wie die Fotografien in Abb. 3, 4 und 5 wurde auch dieses Bild von verschiedenen Medien sehr unterschiedlich aufbereitet, d. h. vor allem zurechtgeschnitten. Die hier für diese Abbildungen verwendeten Varianten sind die zum Abrufungszeitpunkt (16.10.2015) unter der Eingabe „Aylan Kurdi“ häufigsten ‚Treffer‘ bei Google-Bildersuche. Die für Abb. 5 eingesetzte Variante entstammt der Print- und Online-Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 31.10.2015.

  6. 6.

    Aus rechtlichen Gründen ist kein Abdruck des Plakatmotivs möglich. Zur eigenen Anschauung siehe: https://www.presseportal.de/pm/25171/3837544, letzter Aufruf am 04.10.2018.

Literatur

  • Abend, Gabriel (2008): Two main problems in the sociology of morality. In: Theory and Society, 37(2), 87–125.

    Google Scholar 

  • Aulich, Jim (2015): The Life of Images: The Iconography of the Photograph of Aylan Kurdi’s Body and the Turkish Policeman, in: Vis, Farida/Goriunova, Olga (Eds.): The Iconic Image on Social Media: A Rapid Research Response to the Death of Aylan Kurdi. Sheffield: The Visual Social Media Lab, 50–52.

    Google Scholar 

  • Benjamin, Walter (1991/1939): Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. In: Gesammelte Schriften Band I.2. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 471–508.

    Google Scholar 

  • Berger, Peter L. (2011/1963): Einladung zur Soziologie. Eine humanistische Perspektive, Konstanz: UVK.

    Google Scholar 

  • Bergmann, Jörg/Luckmann, Thomas (1999): Moral und Kommunikation. In: Bergmann, Jörg/Luckmann, Thomas (Hrsg.): Kommunikative Konstruktion von Moral. Band 1: Struktur und Dynamik der Formen moralischer Kommunikation. Opladen/Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, 13–36.

    Google Scholar 

  • Böhme, Gernot (1997): Ethik im Kontext. Über den Umgang mit ernsten Fragen. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Chéroux, Clément (2011): Diplopie. Bildpolitik des 11. September. Konstanz: University Press.

    Google Scholar 

  • D’Orazio, Francesco (2015): Journey of an Image: From a Beach in Bodrum to Tqwenty Million Screens Across the World, in: Vis, Farida/Goriunova, Olga (Eds.): The Iconic Image on Social Media: A Rapid Research Response to the Death of Aylan Kurdi. Sheffield: The Visual Social Media Lab, 11–18.

    Google Scholar 

  • Darwin, Charles (2000/1872): Der Ausdruck der Gemütsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren, Frankfurt am Main: Eichborn.

    Google Scholar 

  • Didi-Huberman, Georges (2007): Bilder trotz allem. München: Fink.

    Google Scholar 

  • Durkheim, Émile (1976/1924): Bestimmung der moralischen Tatsache. In: Soziologie und Philosophie. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 84–117.

    Google Scholar 

  • Durkheim, Émile (1984/1895): Die Regeln der soziologischen Methode. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Durkheim, Émile (1992/1930): Über soziale Arbeitsteilung. Studie über die Organisation höherer Gesellschaften. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Friese, Heidrun (2017): Flüchtlinge: Opfer – Bedrohung – Helden. Zur politischen Imagination des Fremden. Bielefeld: Transcript.

    Google Scholar 

  • Giessen, Bernhard (2014): Moral und kollektive Emotionen. Diskurse auf mittlerer Distanz. In: Giessen, Bernhard/Binder, Werner/Gerster, Marco/Meyer, Kim-Claude (Hrsg.): Ungefähres. Gewalt, Mythos, Moral. Weilerswist: Velbrück, 107–119.

    Google Scholar 

  • Goffman, Erving (1974): Anhang: Die Verrücktheit des Platzes. In: Das Individuum im öffentlichen Austausch. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 434–503.

    Google Scholar 

  • Gombrich, Ernst H. (2001/1950): Die Geschichte der Kunst. Berlin: Phiadon.

    Google Scholar 

  • Hennis, Wilhelm (1996): Max Webers Wissenschaft vom Menschen. Tübingen: Mohr Siebeck.

    Google Scholar 

  • Hettlage, Robert/Bellebaum, Alfred (2016): Alltagsmoralen. Die kulturelle Beeinflussung der fünf Sinne. Wiesbaden: Springer VS.

    Google Scholar 

  • Hitzler, Ronald/Leuschner, Corinna Iris/Mücher, Frank (2013): Lebensbegleitung im Haus Königsborn. Konzepte und Praktiken in einer Langzeiteinrichtung für Menschen mit schweren Hirnschädigungen. Weinheim/Basel: Beltz Juventa.

    Google Scholar 

  • Hitzler, Ronald (2016): Eigenverantwortung? Ethische Aspekte sozialwissenschaftlicher Feldforschung. In: Soziologie. Forum der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 45, 3, 441–447.

    Google Scholar 

  • Hoggenmüller, Sebastian (2018): Globalität sehen. Zur visuellen Konstruktion der Einheit der Welt. Universität Luzern: Dissertation.

    Google Scholar 

  • Joller, Stefan (2017): Skandal! Ruf ohne Imperativ? Von kommunikativen Referenzpunkten und moralischen Kollektiven. In: Burzan, Nicole/Hitzler, Ronald (Hrsg.): Theoretische Einsichten. Im Kontext empirischer Arbeit. Wiesbaden: Springer VS, 229–246.

    Google Scholar 

  • Joller, Stefan (2018): Skandal und Moral. Eine moralsoziologische Begründung der Skandalforschung. Weinheim/Basel: Beltz Juventa.

    Google Scholar 

  • Kanter, Heike (2017): Soziologische Blindheit? Was Bilder zum Erforschen von Gesellschaft beitragen können, in: Soziopolis. Gesellschaft beobachten.

    Google Scholar 

  • Kaube, Jürgen (2018): Ist das Kunst oder muss das weg? In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02. Februar, 9–11.

    Google Scholar 

  • König, René (2013/1976): Émile Durkheim. Der Soziologe als Moralist. In: Albrecht, Clemens (Hrsg.): Émile Durkheim. Zur Bestimmung der französischen Soziologie in Deutschland. Wiesbaden: Springer VS, 215–286.

    Google Scholar 

  • Lindner, Rolf (2003): Robert E. Park. In: Kaesler, Dirk (Hrsg.): Klassiker der Soziologie, Band I: Von Auguste Comte bis Alfred Schütz. München: Beck, 213–229.

    Google Scholar 

  • Luckmann. Thomas (2000): Die intersubjektive Konstitution der Moral. In: Endreß, Martin/Roughley, Neil (Hrsg.): Anthropologie und Moral. Philosophische und soziologische Perspektiven. Würzburg: Königshausen & Neumann, 115–138.

    Google Scholar 

  • Luckmann, Thomas (2002): Veränderungen von Religion und Moral im modernen Europa. In: Berliner Journal für Soziologie, 12(3), 285–293.

    Google Scholar 

  • Luhmann, Niklas (1984): Soziale Systeme. Grundriss einer allgemeinen Theorie, Frankfurt am Main: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Luhmann, Niklas (2008): Die Moral der Gesellschaft. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Meyer, Ingo (2017): Georg Simmels Ästhetik. Autonomiepostulat und soziologische Referenz. Weilerswist: Velbrück.

    Google Scholar 

  • Müller, Klaus E. (2012): Die Grundlagen der Moral und das Gorgonantlitz der Globalisierung. Konstanz: UVK.

    Google Scholar 

  • Oevermann, Ulrich/Allert, Tilmann/Konau Elisabeth/Krambeck, Jürgen (1979): Die Methodologie einer ‚objektiven Hermeneutik‘ und ihre allgemeine forschungslogische Bedeutung in den Sozialwissenschaften. In: Soeffner, Hans-Georg (Hrsg.): Interpretative Verfahren in den Sozial- und Textwissenschaften. Stuttgart: Metzler, 352–434.

    Google Scholar 

  • Petrowskaja, Katja (2015): Venus ist wieder da. Kolumne ‚Bild der Woche’. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 31. Oktober.

    Google Scholar 

  • Poferl, Angelika/Keller, Rainer (2017): Die Wahrheit der Bilder, in: Eberle, Thomas S. (Hrsg.): Fotografie und Gesellschaft. Phänomenologische und wissenssoziologische Perspektiven. Bielefeld: Transcript, 305–315.

    Google Scholar 

  • Raab, Jürgen (2008): Visuelle Wissenssoziologie. Theoretische Konzeption und materiale Analysen. Konstanz: UVK.

    Google Scholar 

  • Raab, Jürgen (2017): Fotografie und Phänomenologie. Zur Methodologie einer wissenssoziologischen Konstellationsanalyse. In: Eberle, Thomas S. (Hrsg.): Fotografie und Gesellschaft. Phänomenologische und wissenssoziologische Perspektiven. Bielefeld: Transcript, 381–393.

    Google Scholar 

  • Raab, Jürgen (2018): Visuelle Sinnkonstellationen. Zur Methodologie der sozialwissenschaftlichen Interpretation von Fotografien, in: Müller, Michael R./Soeffner, Hans-Georg (Hrsg.): Das Bild als soziologisches Problem. Herausforderungen einer Theorie visueller Sozialkommunikation. Weinheim/Basel: Beltz Juventa, 210–231.

    Google Scholar 

  • Schelsky, Helmut (1955): Soziologie der Sexualität. Über die Beziehung zwischen Geschlecht, Moral und Gesellschaft. Hamburg: Rowohlt.

    Google Scholar 

  • Schütz, Alfred (2010/1953): Wissenschaftliche Interpretation und Alltagsverständnis menschlichen Handels. In: Zur Methodologie der Sozialwissenschaften. Alfred Schütz Werkausgabe Band IV. Konstanz: UVK, 331–379.

    Google Scholar 

  • Simmel, Georg (1992/1908): Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Soeffner, Hans-Georg (2004): Auslegung des Alltags – Der Alltag der Auslegung. Zur wissenssoziologischen Konzeption einer sozialwissenschaftlichen Hermeneutik. Konstanz: UVK.

    Google Scholar 

  • Soeffner, Hans-Georg (2010): Symbolische Formung. Eine Soziologie des Symbols und des Rituals. Weilerswist: Velbrück.

    Google Scholar 

  • Sofsky, Wolfgang (2011): Todesarten. Über Bilder der Gewalt. Berlin: Matthes & Seitz.

    Google Scholar 

  • Sontag, Susan (2005): Das Leiden anderer betrachten, Frankfurt am Main: Fischer.

    Google Scholar 

  • Stanisavljevic, Marija (2016): Widerständige Kommunikation. Protest im Spannungsfeld von Massenmedien und Ästhetik. In: Österreichische Zeitschrift für Soziologie, 41(2), Schwerpunkt: Bildhandeln und visuelle Politik, 123–148.

    Google Scholar 

  • Tomasello, Michael (2016): Eine Naturgeschichte der menschlichen Moral. Berlin: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Vis, Farida/Goriunova, Olga (Eds.) (2015): The Iconic Image on Social Media: A Rapid Research Response to the Death of Aylan Kurdi. Sheffield: The Visual Social Media Lab.

    Google Scholar 

  • Vowinkel, Annette (2016): Agenten der Bilder. Fotografisches Handeln im 20. und 21. Jahrhundert. Göttingen: Wallstein.

    Google Scholar 

  • Weber, Max (1973a/1904): Die ‚Objektivität‘ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis. In: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre. Tübingen: Mohr Siebeck, 146–214.

    Google Scholar 

  • Weber, Max (1973b/1917): Der Sinn der ‚Wertfreiheit‘ der soziologischen und ökonomischen Wissenschaften. In: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre. Tübingen: Mohr Siebeck, 489–540.

    Google Scholar 

  • Weber, Max (1973c/1922): Kritische Studien auf dem Gebiet der kulturwissenschaftlichen Logik. In: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre. Tübingen: Mohr Siebeck, 215–290.

    Google Scholar 

  • Weber, Max (1985/1921): Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie. Tübingen: Mohr Siebeck.

    Google Scholar 

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Corresponding author

Correspondence to Jürgen Raab .

Editor information

Editors and Affiliations

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2019 Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature

About this chapter

Check for updates. Verify currency and authenticity via CrossMark

Cite this chapter

Raab, J. (2019). Gute Bilder – böse Bilder. Bildethiken moralischer Kollektive. In: Joller, S., Stanisavljevic, M. (eds) Moralische Kollektive. Wissen, Kommunikation und Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-22978-8_15

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-22978-8_15

  • Published:

  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-658-22977-1

  • Online ISBN: 978-3-658-22978-8

  • eBook Packages: Social Science and Law (German Language)

Publish with us

Policies and ethics