Zusammenfassung
Mit der Umkehrung des Sammelband-Titels möchte ich die These aufstellen, dass der kommunikative Konstruktivismus die Mediatisierungsforschung benötigt. Wie ich im ersten Teil erläutern möchte, führt der Gedanke der Mediatisierung zu einigen grundlegenden Veränderungen des in den empirischen Forschungen implizierten theoretischen Ansatzes des Sozialkonstruktivismus bzw. der Sozialphänomenologie und erlaubt es, von verschiedenen Phasen der Ausbildung der „kommunikativen Konstruktion“ zu reden. Ich möchte diese Phasen hier kurz skizzieren, muss jedoch einräumen, dass es sich dabei nicht um eine systematische Rekonstruktion handelt. So groß der Beitrag der Mediatisierungsforschung insbesondere zur Grundlagentheorie ist, geht jedoch die Gesellschaftstheorie und -diagnose des kommunikativen Konstruktivismus darüber hinaus. Um dies aufzuzeigen, möchte ich im zweiten Teil auf die Mediatisierungsforschung eingehen und in diesem Zusammenhang die derzeit prägnanteste Gesellschaftstheorie im Mediatisierungsansatz besprechen, wie sie jüngst von Couldry und Hepp (2016) formuliert wurde. Während sich diese Theorie weitgehend auf die Medien und mediale Kommunikation beschränkt und andere Felder, Systeme oder Institutionen lediglich in ihrer Verbindung dazu betrachtet, geht der Mediatisierungsbegriff des kommunikativen Konstruktivismus darüber hinaus und bezieht sich auf alle Formen gesellschaftlichen Handelns, die auch etwa die industrielle Produktion einschließen. Ihre Folge ist die Theorie der Kommunikationsgesellschaft, die ich kurz umreißen möchte. Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass es sich dabei um Hypothesen handelt, für die die Mediatisierungsforschung bedeutende Beiträge leisten kann; als Gesellschaftsdiagnose kann und muss sie aber darüber hinausgehen und auch bestehende und zukünftige Befunde aus vielen anderen Forschungsbereichen einbeziehen.
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Knoblauch, H. (2018). Die Kommunikationsgesellschaft. In: Reichertz, J., Bettmann, R. (eds) Kommunikation – Medien – Konstruktion. Wissen, Kommunikation und Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-21204-9_3
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