Zusammenfassung
In den letzten zwanzig Jahren ist die Anwendung von Experimenten in der deutschsprachigen Sozialwissenschaft stetig gewachsen, vor allem da diese die Möglichkeit bieten Ursache-Wirkungszusammenhänge zu entdecken. Mit den Begriffen Kontrolle, Manipulation und Randomisierung lässt sich die Logik experimenteller Forschung zusammenfassen. Kontrolle und Manipulation beinhalten, dass mindestens eine unabhängige Variable systematisch vom Forscher variiert wird. Anschließend wird gemessen, welchen Effekt diese Veränderung auf die abhängige Variable hat. Gleichzeitig wird auf Störvariablen kontrolliert. Dazu werden die Beobachtungseinheiten zufällig auf die Experimental- und Kontrollgruppen verteilt, d. h. randomisiert. Dadurch erlaubt das Experiment Forschern, Kausalzusammenhänge zu entdecken und Daten zu generieren, die bestehende Theorien bzw. deren zugrundeliegenden Grundannahmen verifizieren bzw. falsifizieren.
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Notes
- 1.
Die Ursachen hierfür sind auch in der universitären Ausbildung deutscher Sozialwissenschaftler zu finden. Während an US-amerikanischen Hochschulen das Erlernen und Anwenden von Experimenten einen wesentlichen Bestandteil der methodischen Ausbildung darstellt, spielen diese in Deutschland bislang eine untergeordnete Rolle. So fehlt es vielen Forschenden noch an Wissen und Vertrautheit in der methodischen Anwendung (Faas und Huber 2010, S. 724).
- 2.
Es gibt einige sehr gute Überblicksdarstellungen, die verschiedene Teilbereiche etwa der experimentellen Politikwissenschaft illustrieren, etwa (Faas und Huber 2010; Druckman et al. 2011). Die Anzahl an Publikationen in angloamerikanischen wie auch deutschsprachigen Zeitschriften zeigt, dass die experimentelle Forschung insbesondere in der politischen Einstellungs- und Wahlforschung Anwendung findet (Kubbe 2016).
- 3.
Als Libet-Experimente wurden die Messungen des zeitlichen Abstands bekannt, der zwischen der Nervenaktivität im Gehirn, die einer bestimmten Handbewegung einleitend vorausgeht, und dem erst danach erfolgenden Bewusstwerden der dazu gehörenden Handlungsentscheidung liegt.
- 4.
Unaufmerksamkeitsblindheit bezeichnet die Nichtwahrnehmung von Objekten, die durch die begrenzte Verarbeitungsfähigkeit des menschlichen Gehirns bedingt ist (Simons und Chabris 1999).
- 5.
Dieser bezeichnet die Tatsache, dass − entgegen der damaligen Erwartung − die Zugleistung von unterschiedlichen großen Gruppen beim Tauziehen stets geringer ist als die Summe der einzelnen Leistungen der Versuchsteilnehmer. Dieser Effekt wird auch „Soziales Faulenzen“ genannt, da dieser aufgrund der geringeren Motivation bzw. fehlenden Koordination der Teilnehmer in der Gruppe auftritt. Ähnliche bzw. Folgeexperimente wurden in den 1970er Jahren durchgeführt (Ingham et al. 1974).
- 6.
So manipulierte Lund (1925) Argumente in politischen Debatten, um herauszufinden, inwieweit diese die politischen Einstellungen von Bürgern beeinflussen. In Hartmanns Experiment (1936) in Allentown, Pennsylvania, hingegen wurden für die Wahl 1935 zehntausend Faltblätter mit einem emotionalen und einem rationalen Wahlaufruf der Sozialisten in unterschiedlichen Wahlbezirken verteilt. Auf Grundlage der Wahlergebnisse in den einzelnen Stadtbezirken konnte Hartmann eine stärkere Wirkung der emotionalen Wahlbotschaften als der rationalen Argumente feststellen. Hovland et al. (1949) sowie Stouffer et al. (1949) erforschten die Wirkung von Propagandafilmen auf Soldaten.
- 7.
Kanitsar und Kittel (2015, S. 381) sprechen hier auch von der sogenannten „Isolation “ − als eines der Prinzipien neben der Identifikation, auf denen die experimentelle Methode basiert. Isolation wird definiert als „die Abschirmung des zentralen Zusammenhangs von Drittvariablen.“ Die Identifikation eines kausalen Zusammenhang s erfolgt dabei durch die „systematische Manipulation des Untersuchungsdesigns in den Versuchsgruppen“ (Kanitsar und Kittel 2015, S. 381).
- 8.
Wenn beispielsweise eine Lehrmethode bewertet werden soll, können durch Parallelisierung zwei Studierendengruppen gebildet werden, die hinsichtlich ihrer Note ähnlich sind. Dies kann entweder als paarweise Gleichsetzung von Probanden in Experimental - und Kontrollgruppe (Matching ) oder als Gleichverteilung relevanter Merkmale in Experimental - und Kontrollgruppe (Factor Equation ) erfolgen. Das heißt, es werden die Probanden von vornherein so aufgeteilt, dass das betreffende Merkmal in allen Gruppen ähnlich verteilt sind (z. B. gleiche Geschlechterverteilung in allen Versuchsbedingungen).
- 9.
Zur Auswertung der erhobenen Daten steht eine Vielzahl unterschiedlicher statistischer Auswertungstechniken zur Verfügung, die in Abhängigkeit von der gewählten methodischen Ausrichtung zum Einsatz kommen können. Dabei ist darauf zu achten, dass zur Analyse der Daten möglichst angemessene Modelle eingesetzt und alle für die Problemformulierung relevanten Daten ausgewertet werden. Bei den meisten experimentellen Untersuchungen fallen die Messdaten in Form stochastisch schwankender Zahlenwerte an und müssen dann mit den gängigen statistischen Methoden Tests, etwa Mittelwertvergleiche, ausgewertet werden. Das heißt, der Forscher sollte mit den experimentellen Untersuchungsformen bzw. statistischen Auswertungsverfahren vertraut sein, um die entsprechenden Daten adäquat analysieren können.
- 10.
Folgende weitere webbasierte Plattformen stehen Forschern online für die Durchführung von Experimenten zur Verfügung: EconPort (http://www.econport.org), FEELE (http://projects.exeter.ac.uk/feele/), Vecon Lab (http://veconlab.econ.virginia.edu/), MobLab (http://www.moblab.com/), AEE Lab Experiments Archive (http://www.aton.com.au/activeexperiments.html), Seaweed (http://sourceforge.net/projects/c-weed/), WebLab (https://github.com/tomrutter/WebLab) und jars (https://github.com/s-plum/jars).
- 11.
Siehe hierzu auch Schram (2005, S. 225): „External validity is relatively more important for experiments searching for empirical regularities than for theory-testing experiments. As experimental results are being used more often in the development of new theories, a methodological discussion of their external validity is becoming more important.“
- 12.
Harrison und List (2004) bestimmen den Grad des Naturalismus anhand der Zusammensetzung des Probandenpools, der gegebenen Informationen und Vorkenntnisse der Probanden, der Art des betrachteten Gutes, der Natürlichkeit der Regeln, der Anreizformen sowie der Umwelt der experimentellen Untersuchung.
- 13.
Wenn das Experiment über das Internet durchgeführt wird, wird auch von „Online-Experimenten “ oder „webbasierten Experimenten“ gesprochen. Oftmals wird es auch als spezifische Form des Feldexperiments betrachtet („Online-Feldexperimente“) (Döring 2003).
- 14.
So wird auch oft argumentiert, dass durch Täuschungsversuche im Experiment die Menschenwürde und Selbstbestimmungsrechte der Probanden verletzt werden. Selbst durch eine spätere Aufklärung könnte psychologischer Stress und sogar Langzeitschäden ausgelöst werden, wie etwa ein sinkendes Selbstwertgefühl und Vertrauen in die Umwelt (Hamenstädt 2012; Morton und Williams 2010).
- 15.
Eine Coverstory beinhaltet die Beschreibung eines Erkenntnisziels, das den Versuchsteilnehmern mitgeteilt wird, jedoch nicht dem tatsächlichen Ziel entspricht, um möglichst realitätsnahe Ergebnisse zu erhalten und soziale Erwünschtheit seitens der Probanden zu reduzieren (Dickson 2011). Das Milgram-Experiment (1963), das für das Untersuchungsziel eine Coverstory nutzte, ist in diesem Zusammenhang ein oft genanntes Beispiel.
- 16.
Der Ausdruck „wissenschaftlicher Wert“ ist in Anführungszeichen gesetzt, weil sich dieses Kriterium objektiven Bestimmungen entzieht (Hamenstädt 2012, S. 116).
- 17.
Diese Aufgaben beinhalteten die Bestätigung der Wahlregistrierungslisten, Besichtigung der Wahllokale am Wahltag, Kontrolle der Wahlen, ob sie geheim und sicher durchgeführt wurden, Bestätigung der Stimmenauszählung nach der Wahl, und Gesamtberichterstattung zu Fairness und Transparenz der Wahlen.
- 18.
Die Kontextbeschreibung ist vor allem in der vergleichenden Analyse von Forschungsgegenständen von Bedeutung. So können Beschreibungen der Ergebnisse auf der Mikroebene und Makroebene erste Informationen über die spezifische Situation eines Landes oder Region geben. Zudem besteht dann die Möglichkeit, landesinterne Beziehungsmuster und Zusammenhänge zu bestimmen. Auch die Kontextbeschreibung von Basisindikatoren des (Bundes-)Landes ist hilfreich, da sie ermöglicht Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Untersuchungsländern bereits grob einschätzen zu können (Lauth et al. 2015).
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Kubbe, I. (2017). Experimentelle Forschung – neue Entwicklungen. In: Jäckle, S. (eds) Neue Trends in den Sozialwissenschaften. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-17189-6_4
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