Skip to main content

Unbehagen in der kleinsten Fabrik – Queere und feministische Perspektiven auf Familie, Beruf und Karriere

  • Chapter
  • First Online:
Familie – Beruf – Karriere

Zusammenfassung

In diesem Kapitel soll gezeigt werden, wie das heteronormative Verständnis von Geschlecht und Familie neoklassische Ökonomiemodelle prägt. Ein zentrales Konzept ist die vergeschlechtlichte Arbeitsteilung in der Kernfamilie, wo ein sogenannter „Familienernährer“ entlohnter Arbeit am Markt nachgeht (Erwerbsarbeit) während unbezahlte Arbeit zuhause stattfindet (reproduktive Arbeit und Care-Arbeit). Als Ursache werden komparative Vorteile angenommen, die in der Biologie von Frauen und Männern begründet liegen sollen. Einkommens- und Vermögensungleichheiten aber auch disproportionale Arbeitsbelastungen werden mit solchen Modellen als effizient oder naturgegeben gerechtfertigt. Mithilfe queerer und feministischer Perspektiven sollen derartige Annahmen dekonstruiert werden. Machtungleichgewicht, Ausbeutung und Abhängigkeiten bleiben in neoklassischen Modellen der Haushaltsökonomie völlig ausgeblendet. Am Beispiel internationaler Arbeitsteilung in der Care-Arbeit kann deutlich gemacht werden, wie Pflegearbeit hinsichtlich der Kategorien „Geschlecht“, „Klasse“ und „Rasse“ organisiert ist. Analysekonzepte wie Geschlechterperformanz und rassialisierte Rollenzuschreibungen können demnach für die Erklärung von Prozessen und Outcomes in der Haushalts- und Pflegearbeit als Ressourcenbasis für die Erwerbsarbeit unerlässlich sein, um realistischere Modelle und Erkenntnisse auch für diese Sphären der Ökonomie zu entwerfen.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 64.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as EPUB and PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 84.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Notes

  1. 1.

    Queere (und feministische) Perspektiven gehen davon aus, dass die bestehende Geschlechterordnung das Resultat gesellschaftlicher Machtkonstellationen ist. Sie kritisieren den gesellschaftlichen Zwang, dass sich Menschen möglichst widerspruchsfrei in eine Ordnung von binärer Geschlechtsidentität, eindeutig männlichem oder weiblichem Körpergeschlecht sowie einer heteronormativen Beziehungs- und Sexualitätspraxis einordnen sollten (Butler 1991, S. 37 ff.).

  2. 2.

    Frauen und Männer werden in diesem Abschnitt mit * markiert, um auf die Heterogenität dieser Kategorien hinzuweisen. Diesen Kategorien werden u. a. Personen zugeordnet, die sich nicht widerspruchsfrei in die Zwangsordnung Körpergeschlecht/Geschlechtsidentität/Begehren einordnen können oder wollen. Es soll mitgedacht werden, dass z. B. Transgender-Personen oder intersexuelle Menschen kaum Chancen haben, sich in das binäre, hierarchische Geschlechterkonzept erfolgreich einzugliedern, und trotzdem immer der Rubrik „Mann“ oder „Frau“ zugeordnet werden (müssen). Die Markierung mit * wird auch in Pluralformen vorgenommen, wie zum Beispiel in „Migrant*innen“. Dadurch wollen wir darauf hinweisen, dass sich innerhalb der auf diese Weise bezeichnete Gruppe auch Personen befinden (können), die nicht reibungslos in die binäre Zwangsordnung von Geschlecht eingeordnet werden können. Außerdem soll mit der * Markierung in Erinnerung gerufen werden, dass es eine Arbeitsleistung einzelner Individuen ist (Woltersdorff 2012, S. 118), sich entsprechend den „Intelligibilitätsnormen“ des Arbeitsmarkts auf bestimmte Art zuzurichten, um Kompetenz zu signalisieren, aber auch um überhaupt eindeutig als Frauen oder Männer erkannt zu werden bzw. den geschlechtlichen Erwartungen dieser Rollenbilder zu entsprechen, was manchen Menschen leichter fällt als anderen.

  3. 3.

    Globale Pflegeketten; siehe Abschn. 15.4.2.

  4. 4.

    Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender-Personen, Intersex-Personen und sich als queer bezeichnende Personen.

  5. 5.

    Der gesellschaftliche Druck, dass sich jede Person eindeutig entweder als „Mann“ oder als „Frau“ einordnen muss, wird als Heteronormativität bezeichnet.

  6. 6.

    Eine Lösung Geschlechtervielfalt in Modelle einzubeziehen ist Frauen „hineinzuaddieren“, was jedoch nicht das Kernproblem des Fokus auf rein monetär bewertete Tätigkeiten löst (vgl. Behrens et al. 2002).

  7. 7.

    David Ricardo (1772–1823) ist ein britischer Vertreter der Klassischen Nationalökonomie, der insbesondere für seine Außenhandelstheorie mit dem Modell der komparativen Kostenvorteile bekannt ist.

  8. 8.

    An dieser Stelle verwenden wir bewusst kein *, um darauf hinzuweisen, dass Frauen* und Männer* im Rahmen der Neuen Haushaltsökonomik als homogene Gruppen und (im Hintergrund) doch gleichzeitig als stereotype binär oppositionelle Verhaltensmuster gedacht werden.

  9. 9.

    Der Begriff „deviant“ wird ins Deutsche entweder als „(von der Norm) abweichend“ aber auch als „abartig“ oder „pervers“ übersetzt.

  10. 10.

    „Let me emphasize that „deviance“ is used only in a statistical, not in a pejorative, sense“ (Becker 1993, S. 40).

  11. 11.

    Ausnahmen sind Schneeballbefragungen, z. B. in Schönpflug et al. (2015), die aber nur Ausschnitte der Bevölkerung zeigen.

  12. 12.

    Nancy Folbre definiert Caring Labor als Arbeit, „die eine Verbindung zu anderen Menschen beinhaltet. Dazu zählt zu versuchen, Menschen zu helfen und deren Bedürfnisse zu befriedigen. Weitere Formen von Caring Labor sind die Umsorge von Kindern, von alten Menschen, von kranken Menschen oder auch das Unterrichten. Diese Arbeiten sind teilweise bezahlt und teilweise unbezahlt“ (Folbre 2003, [o. S.]).

  13. 13.

    In manchen neoklassischen Modellen wird auch die Verhandlungsmacht innerhalb der Familie als ein Entscheidungsfaktor für das Eintreten in ein bezahltes Arbeitsverhältnis berücksichtigt.

  14. 14.

    „Able-bodied“ kann etwa mit „körperlich leistungsfähig“ übersetzt werden. Damit sei darauf hingewiesen, dass Personen mit Behinderungen häufig nicht als Akteur*innen mitgedacht werden, obwohl sie insbesondere im Bereich der Care-Arbeit in vielen Fällen in der Rolle der Care-Empfangenden entscheidende Akteur*innen darstellen.

  15. 15.

    Die Kategorie „Rasse“ ist ein gesellschaftliches Konstrukt und Ausdruck von historisch gewachsenen, mitunter materiellen Machtverhältnissen. Mit der Bezeichnung „rassialisierte Arbeitsteilung“ wollen wir darauf hinweisen, dass Rassenkonstruktionen einen entscheidenden Faktor zum Beispiel für den Zugang zu Ressourcen oder gesicherten Arbeitsverhältnissen darstellen.

  16. 16.

    „a facade of respectability and obedience“.

Literatur

  • Ahmed, A. M., Andersson, L., & Hammarstedt, M. (2011). Inter- and intra-household earnings differentials among homosexual and heterosexual couples. British Journal of Industrial Relations, 49, 258–278.

    Article  Google Scholar 

  • Albelda, R., Badgett, L., & Schneebaum, A. (2009). Poverty in the lesbian, gay, and bisexual community. The Williams Institute, UCLA. March 2009. http://williamsinstitute.law.ucla.edu/research/census-lgbt-demographics-studies/lgbt-poverty-update-june-2013/. Zugegriffen: 24. März 2016.

  • Apitzsch, U., & Schmidbaur, M. (2011). Care, Migration und Geschlechtergerechtigkeit. http://www.bpb.de/apuz/33149/care-migration-und-geschlechtergerechtigkeit?p=all. Zugegriffen: 4. Apr. 2016.

  • Badgett, L. (2001). Money, myths, and change: The economic lives of lesbians and gay men. Chicago: University of Chicago Press.

    Google Scholar 

  • Badgett, L., & Schneebaum, A. (2015). The impact of wage equality on sexual orientation poverty gaps. http://williamsinstitute.law.ucla.edu/wp-content/uploads/Impact-of-Wage-Equality-on-Sexual-Orientation-Poverty-Gaps-June-2015.pdf. Zugegriffen: 30. Sept. 2016.

  • Barker, D. (2012). Querying the paradox of caring labor. Rethinking Marxism: A Journal of Economics, Culture & Society, 24, 574–591.

    Article  Google Scholar 

  • Bauer, G. (2010). Die 24-Stunden-Betreuung in Österreich. Motive und Beschäftigungsverhältnisse von osteuropäischen Pflege- und Betreuungspersonen. Diplomarbeit, WU Wien. http://www.care-ring.or.at/wp-content/uploads/2010/12/Diplomarbeit_GudrunBauer.pdf.

  • Becker, G. S. (1973). A theory of marriage. Part I. The Journal of Political Economy, 81, 813–846.

    Article  Google Scholar 

  • Becker, G. S. (1993). A treatise on the family. Cambridge: Harvard University Press, Paperback Edition (Erstveröffentlichung 1981).

    Google Scholar 

  • Behrens, D., Haber, G., Richter, C., & Schönpflug, K. (2002). The omission of an intergender contract in Overlapping Generations (OLG) models. In C. Gerschlager & M. Mokre (Hrsg.), Exchange and deception: A feminist perspective (S. 91–104). Boston: Kluwer.

    Chapter  Google Scholar 

  • Bjornhølt, M., & McKay, A. (2014). Counting on Marilyn Waring: New advances in feminist economics. Bradford: Demeter Press.

    Google Scholar 

  • Butler, J. (1991). Der Unbehagen der Geschlechter. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Center for American Progress. (2015). Paying an unfair price. The financial penalty for being transgender in America. http://www.lgbtmap.org/file/paying-an-unfair-price-transgender.pdf. Zugegriffen: 4. Apr. 2016.

  • Charusheela, S. (2003). Empowering work? Bargaining models reconsidered. In D. K. Barker & E. Kuiper (Hrsg.), Toward a feminist philosophy of economics (S. 287–303). London: Routledge.

    Google Scholar 

  • Charusheela, S. (2007). Gender and the stability of consumption: A feminist contribution to post-Keynesian economics. Cambridge Journal of Economics, 34, 1145–1156.

    Article  Google Scholar 

  • Degele, N. (2008). Gender/Queer studies. Eine Einführung. Paderborn: Fink.

    Google Scholar 

  • Delany, S. (1976). Triton. New York: Bantam.

    Google Scholar 

  • Ehrenreich, B., & Hochschild, A. (2004). Global woman. Nannies, maids, and sex workers in the new economy. New York: Holt.

    Google Scholar 

  • Erevelles, N. (2011). Disability and difference in global contexts. Enabling a transformative body politic. New York: Palgrave.

    Book  Google Scholar 

  • Folbre, N. (2003). Caring labor. http://www.republicart.net/disc/aeas/folbre01_de.html. Zugegriffen: 4. Apr. 2016.

  • Galbraith, J. K. (1973). Economics and the public purpose. Boston: Houghton Mifflin.

    Google Scholar 

  • Heymann, T. (2006). Paper Dolls. Produktion: C. Levin, S. Buchthal, T. Heymann. Produktionsland: Israel, Laufzeit: 80 min.

    Google Scholar 

  • Hoppe, H. (1999). Feministische Ökonomik. Berlin: Edition Sigma.

    Google Scholar 

  • ILO. (2013). Resolution I. Resolution concerning statistics of work, employment and labour underutilization. Preamble. http://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/—dgreports/—stat/documents/normativeinstrument/wcms_230304.pdf. Zugegriffen: 4. Apr. 2016.

  • Kreimer, M. (2015). Care und Migration am Beispiel der 24-Stunden-Betreuung in Österreich. In S. Ulrich & K. Neuwirth (Hrsg.), Zum Verhältnis von Reproduktion, Erwerbsarbeit und fairer Budgetpolitik (S. 139–169). Linzer Schriften zu Gender und Recht 56. Linz: Trauner.

    Google Scholar 

  • Kreisky, E. (o. J.). Paradise lost: Das patriarchale Familienmodell in der Krise? Wie mit Familie (Geschlechter-)Politik gemacht wurde/wird. Wie frauenorientierte Familienpolitik zu konzeptualisieren wäre. http://evakreisky.at/onlinetexte/familie_kreisky.php. Zugegriffen: 4. Apr. 2016.

  • Kyrk, H. (1953). Family in the American economy. Chicago: University of Chicago Press.

    Google Scholar 

  • Le Guin, U. (1969). The left hand of darkness. New York: Ace Books.

    Google Scholar 

  • Manalansan, M. F., IV. (2000). Diasporic deviants/divas: How filipino gay transmigrants ‘play with the world’. In C. Patton & B. Sánchez-Eppler (Hrsg.), Queer diasporas (S. 183–203). Durham: Duke University Press.

    Google Scholar 

  • Ott, N. (1992). Intrafamily bargaining and household decisions. Berlin: Springer.

    Book  Google Scholar 

  • Reid, M. G. (1934). Economics of household production. New York: Wiley.

    Google Scholar 

  • Rodriguez, R. M. (2008). The labor brokerage state and the globalization of filipina care workers. Signs: Journal of Women in Culture and Society, 33, 794–800.

    Google Scholar 

  • Samuelson, P. (1958). An exact consumption-loan model of interest with or without the social contrivance of money. Journal of Political Economy, 66, 467–482.

    Article  Google Scholar 

  • Schönpflug, K. (2002). Feministische Ökonomie und das androzentrische Weltbild. Kurswechsel, 2, 32–38.

    Google Scholar 

  • Schönpflug, K. (2008). Feminism, economics and utopia. Time travelling through paradigms. London: Routledge.

    Google Scholar 

  • Schönpflug, K. (2012). Gendered work in a “good society” – a paradox to care about. In J. Marangos (Hrsg.), Alternative Perspectives of a Good Society (S. 33–56). New York: Palgrave Macmillan.

    Chapter  Google Scholar 

  • Schönpflug, K., Hofmann, R., Klapeer, C. M., Huber, C., & Eberhardt, V. (2015). Queer in Wien. Stadt Wien, Studie zur Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender-Personen und Intersexuellen (LGBTIs).

    Google Scholar 

  • Waring, M. (1988). If women counted. A new feminist economics. San Francisco: Harper & Row.

    Google Scholar 

  • Woltersdorff, V. (2012). Der Staat bei der sexuellen Arbeit. In H. Haberler, K. Hajek, G. Ludwig & S. Paloni (Hrsg.), Que[e]r zum Staat. Heteronormativitätskritische Perspektiven auf Staat, Macht und Gesellschaft (S. 117–136). Berlin: Quer.

    Google Scholar 

  • Yeates, N. (2009). Global nursing care chains. New York: Palgrave Macmillan.

    Google Scholar 

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Corresponding author

Correspondence to Karin Schönpflug .

Editor information

Editors and Affiliations

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2018 Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH

About this chapter

Check for updates. Verify currency and authenticity via CrossMark

Cite this chapter

Schönpflug, K., Eberhardt, V. (2018). Unbehagen in der kleinsten Fabrik – Queere und feministische Perspektiven auf Familie, Beruf und Karriere. In: Behrens, D., Kreimer, M., Mucke, M., Franz, N. (eds) Familie – Beruf – Karriere. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-12504-2_15

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-12504-2_15

  • Published:

  • Publisher Name: Springer Gabler, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-658-12503-5

  • Online ISBN: 978-3-658-12504-2

  • eBook Packages: Business and Economics (German Language)

Publish with us

Policies and ethics