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Personalführung in der Polizei: Diskrepanzen von Verfügungsanspruch und Aushandlungsbedarf

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Führung in der Polizei
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Zusammenfassung

Jede Führungsinteraktion ist geprägt durch zwei unterschiedliche Handlungslogiken: a) den formalen Verfügungsanspruch des Vorgesetzten über das nachgeordnete Personal und b) das Aushandlungspotenzial der Mitarbeiter, das sich aus den Erfordernissen der konkreten Aufgabenrealisierung ergibt. Der hierarchische Verfügungsanspruch trifft also immer auf die Interaktionsordnung, d. h. die Kooperationsstrukturen der Mitarbeiter untereinander sowie die aufgaben- und berufsspezifischen Bewältigungsformen mehr oder weniger komplexer Handlungssituationen. Hieraus ergibt sich das typische Führungsdilemma: Führungskräfte können nicht einfach „befehlen“, sondern müssen im Sinne der Aufgabenrealisierung den Mitarbeitern Entscheidungsbefugnisse und Handlungsspielräume einräumen. Der Autor macht in diesem Beitrag deutlich, wie groß der Aushandlungsbedarf, aber auch das Aushandlungspotenzial der Mitarbeiter gerade im Bereich der Schutzpolizei ist.

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Notes

  1. 1.

    Dabei ist der Einsatz mit all diesen Unbestimmtheitsprämissen auch im Polizeialltag insofern ein Sonderfall, als der größte Teil der Arbeitszeit mit stärker routinisierten Tätigkeit zugebracht wird (z. B. mit Büroarbeit auf dem Revier, Aufklärungsarbeit bei Veranstaltungen mit Bürger_innen, Präsenz auf vertrauten Streifenwegen). Aber für die Polizist_innen im operativen Dienst ist dieser Sonderfall nicht nur ein alltägliches Ereignis, mit dem sie jederzeit rechnen müssen, sondern zugleich der „Bewährungsfall“, an dessen Bewältigung sie von Politik und Bürger_innen gemessen werden. Die Organisation ist deshalb in ihren Strukturen und Prozessen darauf ausgerichtet, ihren Mitgliedern in solchen Einsatzsituationen optimales Agieren zu ermöglichen.

  2. 2.

    Es wird nicht behauptet, dass Polizist_innen in ihrer Mehrheit tatsächlich so handeln, sondern dass unter den dargelegten Bedingungen (und nur soweit diese für die Organisation Polizei zutreffen) typischerweise mit Handlungen und Interaktionen der im Folgenden erläuterten Art zu rechnen ist.

  3. 3.

    Anders ist es im Fall von größeren und geplanten Einsätzen (v. a. geschlossener Einheiten), bei denen die Einsatzleiter_innen vor Ort kontaktiert werden können, welche einen unmittelbaren Eindruck von der Situation haben. Ohnehin kann die Argumentation nicht der Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten gerecht werden, dazu wäre empirische Grundlegung unverzichtbar; sie konzentriert sich auf charakteristische Bedingungen im Streifendienst.

  4. 4.

    Eine Sonderstellung nimmt die Regelung der Arbeitszeiten ein, die aufgrund der Anforderungen der polizeilichen Einsatzbereitschaft ein hohes Maß an Flexibilität erfordert. Neben dem regulären Schichtdienst sind es vor allem Überstunden durch ungeplante Einsätze oder besondere Gefahrenlagen, welche hohe Belastungen für die Polizist_innen mit sich bringen und Anlass zur Verhandlung der Arbeitsbedingungen geben.

  5. 5.

    Diese Deutung wird unterstützt durch die Entscheidung mehrerer Bundesländer, die kasernierte Ausbildung in der Bereitschaftspolizei durch eine professionalisierte Fachhochschulausbildung (verbunden mit der Eingruppierung in den gehobenen Dienst) zu ersetzen.

  6. 6.

    Solche Vorschläge hören sich für eine traditionell hierarchische Organisation zunächst utopisch an, könnten aber eine Ausgangsbasis in der gelebten Alltagsorganisation finden. Wie die Kriterien der Kommunikation und der Reflexion auch, verweist die Konzeption verteilter Führung auf die Möglichkeit zur Reduzierung der starken Trennung zwischen formaler Struktur und informeller Kultur innerhalb der Organisation Polizei.

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Pongratz, H.J. (2017). Personalführung in der Polizei: Diskrepanzen von Verfügungsanspruch und Aushandlungsbedarf. In: Barthel, C., Heidemann, D. (eds) Führung in der Polizei. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-10349-1_6

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