Zusammenfassung
Ausgehend von Helmut Plessners Ausführungen zum Körper-Haben und Körper-Sein zeigt der Beitrag unter Zuhilfenahme von Georg Simmels Ansatz zur Soziologie der Sinne, inwiefern das menschliche Gesicht ein Gedächtnis des Körpers darstellt. Der Gedächtnissoziologie werden auf diese Weise weitere ›Klassiker‹ erschlossen. Die Überlegungen zur Gedächtnishaftigkeit des Gesichts lassen sich zwei gedächtnisspezifischen Selektionstypen zuordnen, die als ›Physiognomie‹ und ›Spur‹ bezeichnet werden können. Im Gegensatz zur Stimme ist das Gesicht als Träger der Eindrücke vergangenen Lebens weniger für Täuschungsmanöver instrumentalisierbar – der Blick auf diese Spuren kann Verstehen ermöglichen, bevor auch nur eine Handlung ausgeführt wurde.
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Notes
- 1.
Zur Unterscheidung zwischen explizitem und implizitem Gedächtnis vergleiche etwa Fuchs (2000, S. 268 ff.).
- 2.
Neben Max Scheler und Arnold Gehlen zählt er zu den Hauptvertretern und Mitbegründern der Philosophischen Anthropologie. In seinem Ansatz unterscheidet er sich jedoch von Scheler und Gehlen. Plessner schlägt einen dritten Weg vor, der weder eine rein apriorische (Scheler), noch eine empirische (Gehlen) Beschreibung des Menschen zur Folge hat. Ihm geht es nicht um eine Auflösung des Dualismus, sondern um die Suche nach dem richtigen Verhältnis von Natur-Geist, Körper-Seele, Innen-Außen (vgl. dazu Bek 2011).
- 3.
Zur Unterscheidung zwischen explizitem und impliziten Gedächtnis siehe etwa Fuchs (2000: 268 ff.).
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Haag, H. (2016). Das Gesicht als Gedächtnis des Körpers – eine soziologische Spurensuche. In: Heinlein, M., Dimbath, O., Schindler, L., Wehling, P. (eds) Der Körper als soziales Gedächtnis. Soziales Gedächtnis, Erinnern und Vergessen – Memory Studies. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-09743-1_3
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