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Kindheit unter Krankheitsbedingungen

Zu besonderen sozialisatorischen Bedingungen bei Kindern, die während ihres Aufwachsens schwere Krankheitserfahrungen machen

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Handbuch Kindheits- und Jugendsoziologie

Part of the book series: Springer Reference Sozialwissenschaften

Zusammenfassung

In Hinblick auf eine alltagsweltliche Bekanntheit unterscheidet sich das Leben schwerkranker Erwachsener und schwerkranker Kinder nicht. Beide sind in der gesellschaftlichen Wahrnehmung marginalisiert. Worin aber unterscheiden sich die biografischen Situationen von schwerkranken Erwachsenen und Kindern, worin ihre leibkörperlichen Fragilitätserfahrungen bzw. schweren Krankheitserfahrungen?

Zunächst werden die Veränderungen in der Medizin dargestellt, die zu neuen Gruppen kindlicher Patienten geführt haben: Kinder, die, um leben zu können, von Anfang an von medizinischen Maßnahmen abhängig sind. Anschließend werden drei Aspekte diskutiert, die für diese Kinder, ihre Selbstwahrnehmung, die Fremdwahrnehmung durch nahe stehende Personen (Eltern, Geschwister, Freunde) und für ihre Kindheit spezifisch sind: die neuartigen Entwicklungsverläufe und Verlaufskurven, die Form des (Mit)Betroffenseins und das Selbstverstehen als Differenzerfahrung sowie das Fremdverstehen im Modus des Bezeugens, der Zeugenschaft.

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Notes

  1. 1.

    DFG-Projekt „Sozialisationstheoretische Untersuchung zur sozialisatorischen Wirkung von Krankheitserfahrungen bei chronisch schwer kranken Kindern und ihren Eltern“, Laufzeit: 2012–2017 (kostenneutral verlängert).

  2. 2.

    Eine Atemkanüle, die nach einem Luftröhrenschnitt (dauerhaft) eingesetzt wird. Das Kind lernt oft mit dieser Kanüle sprechen, wobei alternative sprachmotorische Anpassungen nötig sind und weitere nicht wenig einschränkende alltägliche Anpassungen die Folge sind.

  3. 3.

    Bei Frühgeborenen treten oft als Folgesymptom der intensivmedizinischen Behandlung morphologische Veränderungen der Gehirnstrukturen auf, die ein selbständiges Abfließen des Liquors verhindern. Der so entstehende Hydrocephalus wird behandelt, indem bleibend ein Shuntsystem intrakorporal eingesetzt wird, der den Liquor in das Körperinnere abgeleitet. Durch das körperliche Wachstum der Kinder müssen diese Shuntsysteme regelmäßig angepasst und „verlängert“ werden. (Siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Cerebralshunt).

  4. 4.

    Hörprothese für Gehörlose, deren Hörnerv nicht funktionsgestört ist, z. T. intrakorporal implantiert.

  5. 5.

    Eine Marknagelung, die bei Kindern mit Osteogenesis imperfecta in den Röhrenknochen der Arme und Beine zumeist etwa im Alter zwischen 2 und 3 Jahren eingesetzt werden, als prophylaktische Maßnahme, um bei den i. d. R. hundertfachen (unvermeidlichen) Knochenbrüchen im Laufe des Lebens eine massive Verschiebung der Knochen zu vermeiden. Diese operative Behandlung ist eine große Strapaze für diese Kleinkinder: die schrittweise durchgeführten Operationen gehen mit massiven Schmerzen und temporären Rückschritten der motorischen Entwicklung einher, sind aber eine der drei Grundsäulen der symptomatischen Behandlung dieser unheilbaren Krankheit. Die Teleskopnägel ziehen sich dann beim Wachstum der Knochen allmählich auseinander.

  6. 6.

    Wie aus der Kultursoziologie der Gefühle bekannt, haben auch Gefühlskulturen soziohistorische Bedingungen des Entstehens. Darüberhinaus ist es kein Zufall, dass die Kinderheilkunde selbst ein Produkt des bürgerlichen Zeitalters bzw. ein Erbe der Aufklärung ist und sich mit der Überzeugung durchsetzte, dass Kinder als Patienten aus eigenem Recht in Abgrenzung zu den erwachsenen Patienten anzusehen sind (Peter 2014).

  7. 7.

    Hier muss auf weitere Literatur verwiesen werden, die im Zusammenhang mit dem genannten DFG-Projekt erscheint bzw. noch erscheinen wird, u. a. Peter 2016; Feith und Marquardt 2017. Vergleiche außerdem: Peter (2013); Peter und Scheid (2014).

  8. 8.

    Das war nicht immer so. Noch in den 1950er-Jahren diskutierte man in der internationalen Forschungsliteratur, ob die (behinderten) Kinder besser zu Hause (Homecare) oder in spezialisierten Einrichtungen aufgehoben sind.

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Peter, C. (2018). Kindheit unter Krankheitsbedingungen. In: Lange, A., Reiter, H., Schutter, S., Steiner, C. (eds) Handbuch Kindheits- und Jugendsoziologie. Springer Reference Sozialwissenschaften. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-04207-3_47

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