Zusammenfassung
Rund 26.000 Unternehmen haben 2013 in Deutschland Insolvenz angemeldet. Jedoch spielen sich die meisten Unternehmenskrisen außerhalb der amtlichen Statistik ab, die lediglich die gerichtlichen Insolvenzverfahren erfasst. Da angesichts der zunehmend volatileren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und des schärferen Wettbewerbs kein Unternehmen gegen eine krisenhafte Entwicklung gefeit ist, sollten sich Manager rechtzeitig, also auch ohne konkreten Anlass, mit den theoretischen Grundlagen und den Instrumenten der Krisenbewältigung befassen.
Die Sanierung von Unternehmen vollzieht sich nicht nur in der Schnittmenge zwischen den Disziplinen Rechtswissenschaft und Betriebswirtschaft, sondern auch im Spannungsfeld zwischen strategischer Neuausrichtung und gesetzlicher Insolvenz. In dieser Konstellation erfordert die Lösung einer Unternehmenskrise von allen Beteiligten ein umfassendes Verständnis dieser Problemlage. Voraussetzung dafür sind wesentliche Kenntnisse sanierungsrelevanter ökonomischer und juristischer Erfordernisse sowie der Grundlagen, Methoden und Implikationen eines ganzheitlichen Krisenmanagements. Dieses Wissensfundament zu legen und dabei gleichzeitig einen Bogen zu spannen, der die einzelnen Elemente dieser Publikation zusammenhält, ist der Anspruch dieses Beitrags. Zunächst werden Charakteristika und Erklärungsansätze der Unternehmenskrise geschildert. Darauf aufbauend folgt eine detaillierte Darstellung der Insolvenzverfahrensauslöser. Ein Abschnitt beschäftigt sich mit den wichtigsten Aspekten der Sanierungswürdigkeit und Sanierungsfähigkeit sowie des Stakeholder-Managements. Des Weiteren gibt dieser Beitrag einen Überblick über die Verfahren der gerichtlichen und außergerichtlichen Sanierung, wobei auch auf das ESUG als „hybriden“ Verfahrensansatz eingegangen wird.
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Notes
- 1.
Die Definition von Mittelstand stellt in dieser Untersuchung, bei der 1.073 Unternehmen befragt wurden, auf die Mitarbeiterzahl (weniger als 500) und auf den Umsatz (unter 50 Millionen Euro pro Jahr) ab. Als weiteres Kriterium für die Zugehörigkeit zum Mittelstand wird die „Personaleinheit“ von Geschäftsführer und Inhaber herangezogen. Vgl. Creditreform Wirtschaftsforschung (2014a).
- 2.
Eigene Berechnungen auf Basis von Creditreform Wirtschaftsforschung (2014a).
- 3.
Eine Vielzahl weiterer Autoren (bspw. Gabele 1981) hat sich der Begriffsbestimmung der Unternehmenskrise angenommen. Zur substanziellen Begriffsklärung ist die Analyse des theoretischen Gerüsts erforderlich, das hier nicht im Fokus steht.
- 4.
Inhalt und Bedeutung der Fortbestehensprognose werden ausführlicher in Abschn. 4.2 erörtert.
- 5.
Können die Schuldner ihre fälligen Zahlungsverpflichtungen begleichen, handelt es sich um die sog. statische Liquidität, die auch dem § 17 InsO (Zeitpunkt-Illiquidität) zugrunde liegt. Die dynamische Liquidität wird Schuldnern zugeschrieben, die entstandene und im Planungszeitraum fällige Zahlungsverpflichtungen termingerecht erfüllen können; diese Liquidität liegt der drohenden Zahlungsunfähigkeit § 18 InsO (Zeitraum-Illiquidität) zugrunde.
- 6.
Vgl. dazu die Ausführungen in Abschn. 5.3.
- 7.
Auf die Darstellung des Leitfadens der Treuhandanstalt wird in diesem Beitrag verzichtet, da er in der aktuellen Sanierungspraxis keine Rolle mehr spielt.
- 8.
Vgl. S. 7.
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Knecht, T.C., Hommel, U., Wohlenberg, H. (2018). Restrukturierung der betrieblichen Unternehmenskrise. In: Knecht, T.C., Hommel, U., Wohlenberg, H. (eds) Handbuch Unternehmensrestrukturierung. Springer Reference Wirtschaft. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-04116-8_1
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