Zusammenfassung
Noch heute beherrscht die emphatische Formel von der abstrakten Kunst als „Weltsprache“ den Blick auf die Kunstentwicklung in der frühen Bundesrepublik. Doch waren die Künste weniger einheitlich, als es ihre zeitgenössischen Protagonisten und die daran anschließende Kunstüberlieferung glauben machen wollten. Statt die Vielfalt künstlerischer Ausdrucksmittel in dieser Phase durch die zweifelsfreie Geltung der Abstraktion zu übergehen, bedarf es einer differenzierteren Betrachtung der Prozesse, die zu dieser Neuformierung nach 1945 geführt haben. Zugleich stellt sich die 1959 von Max Bense aufgeworfene Frage nach dem Zusammenhang von Kunst und Gesellschaft erneut; sie setzte damals bereits eine bislang unvollständig gebliebene Grundlagenforschung auf die Tagesordnung, deren Aufgaben für die Nachkriegszeit alte Streitfragen sind: War es ein Neuanfang, übersehen wir tatsächliche Kontinuitäten, haben wir äußere und innere Einflussnahmen ausgeblendet?
…wenn ich das Thema ‚Wird die moderne Kunst gemanagt?‘ richtig verstanden habe […] geht es hier um eine Art Grundlagenforschung zur modernen Kunst, und zwar nicht, was ihre kunsttheoretische Rechtfertigung oder ihre ästhetische Lagen angeht, sondern was ihren Zusammenhang mit der Gesellschaft, in der sie gedeiht, ihre soziologischen und ökonomischen und eventuell sogar ihre politischen Aspekte betrifft.
Max Bense 1959 (Adorno 1959, S. 11f.).
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Notes
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Belting 1989, S. 18.
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Breuer 1997.
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Beckers Kunstwelt eignet sich als heuristisches Konzept der erweiterten Kunstbetrachtung gut, weil es den Focus auf die Kunst wesentlich ausdehnt. Es werden alle mit dem Künstler interagierenden Akteure, wie auch kollektives Handeln und durch Konventionen vermittelte Kooperation berücksichtigt. Kunstwelten existieren für verschiedene Kunstsparten und an verschiedenen Orten plural nebeneinander und haben auch institutionelle Dimensionen. Vgl. Becker 1982.
- 7.
„Die soziale Geburt der ‚Westkunst‘. Netzwerke bildender Kunst in Westdeutschland 1945–1964.“ lautete das Thema des 2011–2013 durchgeführten DFG-Projektes am Institut für Soziologie der Technischen Universität Dresden.
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28.2.–1.3.2013, Technische Universität Dresden. Ein ausführlicher Tagungsbericht von Anke Blümm ist verfügbar unter http://arthist.net/reviews/5768/mode=conferences. Zugegriffen: 05.09.2013.
- 10.
eigentlich schon mit Georg Simmels Bestimmung des Faches als einer Wissenschaft von den sozialen „Wechselwirkungen“, vgl. Simmel 1908, bes. S. 1–21.
- 11.
Nähere Informationen auf: http://historicalnetworkresearch.org/. Zugegriffen: 10.09.2013.
- 12.
Zwei kunstgeschichtliche Ansätze stammen von Martin Papenbrock und Joachim Scharloth (vgl. http://www.informartics.com//, Zugegriffen: 15.10.2013) und Andrea von Hülsen-Esch et al. (Datenbank „Art Research“, vgl. http://www.phil-fak.uni-duesseldorf.de/kunst/institut-fuer-kunstgeschichte/forschung-kunstgeschichte/forschungsprojekte/art-research/. Zugegriffen: 15.10.2013). Mögliche methodische Herangehensweisen von Netzwerkanalysen bezogen auf Kunstfragestellungen werden in Aufsätzen von Marc Drobot und Gerhard Panzer in diesem Band erörtert.
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Gillen 2009.
Literatur
Adorno, Theodor W., et al. 1959. wird die moderne kunst ‚gemanagt‘? Ein Bericht mit Beiträgen von Theodor W. Adorno, Jürgen Beckelmann, Max Bense, Konrad Farner, Daniel-Henry Kahnweiler, Egon Vietta u. a. Baden-Baden: Agis.
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Rehberg, KS., Panzer, G., Völz, F. (2015). Einleitung. In: Panzer, G., Völz, F., Rehberg, KS. (eds) Beziehungsanalysen. Bildende Künste in Westdeutschland nach 1945. Kunst und Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-02917-3_1
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