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Max Webers Grundbegriffe – eine Revision unter Beachtung der Kategorie der sozialen Prozesse

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Zusammenfassung

Seit den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erlebt die Philosophie eine zunehmende Renaissance der Metaphysik und der Ontologie. Ontologische Fragen werden heute sogar von den Philosophen diskutiert, die sich analytisch nennen und ursprünglich Anhänger der positivistischen Metaphysikkritik waren. In der Soziologie ist diese Bewegung bisher nur teilweise angekommen. Zu erinnern wäre bspw. hier an Jeffrey Alexanders Bemerkungen zu den metaphysischen, also nicht-empirischen Bestandteilen soziologischer Theorie, die deren ontologische Grundlegungen mit umfassen. An materialen sozialontologischen Analysen in der Soziologie mangelt es aber nach wie vor. Während nun in der Philosophie heutzutage auch eine intensive sozialontologische Diskussion geführt wird, findet eine solche Diskussion in der Soziologie kaum statt.

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Notes

  1. 1.

    Eine Einführung in die Ontologie (allgemeine Metaphysik) als beschreibende Wissenschaft der Grundstrukturen des Seienden gibt auch Uwe Meixner (2004).

  2. 2.

    Armstrong hat ein ganzes Buch der Ontologie der Gesetze gewidmet (1983/2004). Keith Sawyer befürwortet hingegen eine instrumentalistische Art der Suche nach nicht-existierenden Kausalgesetzen auf der makrosozialen Ebene (Sawyer 2005, S. 216, 220).

  3. 3.

    Diese These stammt nicht von Cruickshank, sondern von mir. Cruickshank möchte unter Rückgriff auf die Poppersche Fallibilitätsauffassung ebenso wie Kroneberg (2008) anscheinend ontologische Fragen grundsätzlich nicht diskutieren, sondern nur methodologische. Der Rückgriff auf Karl Popper geht hier aber völlig ins Leere, weil Popper selber ontologische Thesen wie z. B. die Drei-Welten-Lehre offensiv vertreten hat und er den Kritizismus auch auf metaphysische-ontologische Bereiche ausweitete, so dass bspw. eine Position wie die des Realismus von ihm als Hypothese aufgefasst wurde, die durch eine kritische Diskussion überprüfbar sei (vgl. Popper 1976). Das Kennzeichen der Popper’schen Philosophie ist gerade ihr Bruch mit der positivistischen Metaphysikkritik (vgl. Albert 1987) – und damit auch eine Neuausrichtung auf ontologische Fragen.

  4. 4.

    An dieser Stelle kann keine Auseinandersetzung mit alternativen Positionen stattfinden. In den zitierten ontologischen Werken ist sie aber zu finden.

  5. 5.

    Prozesse scheinen wiederum Ereignisse zu sein, deren zeitliche Teile nicht-phasenhafte Aspekte aufweisen (vgl. Kanzian 2001, S. 201 f.).

  6. 6.

    Vgl. dazu Esfeld (2002, S. 43 f.); Schützeichel (2008, S. 361 f.); Langton und Lewis (1998, S. 333–345).

  7. 7.

    Die Eigenschaften, um die es hier geht, müssen weiterhin generischen/determinierbaren Charakter tragen: D. h. sie müssen noch genauer spezifizierbar sein: Eine Farbe zu haben, ist eine generische Eigenschaft, die nach der spezifischen Farbe hin determiniert werden kann, bspw. preußisch-blau, karmesin-rot etc. Das Bedürfnis nach sozialer Anerkennung wäre eine soziale generische Eigenschaft: Sie kann spezifiziert werden in Richtung auf ein Bedürfnis nach wissenschaftlicher oder politischer Anerkennung und ähnliches mehr. Damit die Sache nicht weiter verkompliziert wird, gehe ich auf den verlangten generischen Charakter der Eigenschaften nicht näher ein.

  8. 8.

    Triviale relationale Eigenschaften der Teile ergeben sich erst ‚nachträglich aus den Beziehungen zwischen Teilen, nicht-triviale relationale Eigenschaften liegen den Beziehungen ‚vorhergehend‘ zugrunde. Damit ist aber weniger ein Zeitaspekt – der es natürlich auch sein kann -, sondern vielmehr ein Konstitutionsaspekt gemeint.

  9. 9.

    Hier behandelt werden nur Kontinuanten, die Teile besitzen.

  10. 10.

    Vgl. zur Externalismus/Internalismus-Diskussion in der Philosophie des Geistes Birke 1998. Diese Diskussion kann hier nicht weiter behandelt werden. Sie ist zwar zentral für die Formulierung der soziologischen Grundbegriffe, ist aber hinsichtlich ihrer soziologischen Aspekte bisher praktisch nicht behandelt worden.

  11. 11.

    Die Frage nach den Relationen wird weiter unten noch problematisiert und einer Lösung zugeführt.

  12. 12.

    Wenn Weber soziale Gebilde 1913 als Kontinuanten auffasst, impliziert dies aber auch, dass er natürlich die Änderungen sozialer Kontinuanten als Ereignisse oder Prozesse versteht, die als soziale Okkurrenten zu verstehen sind.

  13. 13.

    Aus diesen Einstellungen ergibt sich dann natürlich auch die Chance zu einem dementsprechenden Handeln: Einstellungen bezeichnen hier die Disposition zum Handeln.

  14. 14.

    Diese Gerichtetheit ist von der Intentionalität als ‚Absichtlichkeit‘ zu unterscheiden. Letztere ist nur ein Unterfall von ersterer.

  15. 15.

    Da es um intentionale Beziehungen geht, muss hier eine interne, verstehende Perspektive auf das Beziehungsphänomen eingenommen werden!

  16. 16.

    Schweikard zufolge ist Bratmans semantische Konzeption, die anscheinend auch die Webers ist, neutral hinsichtlich des Externalismus/Internalismus-Problems. Mir scheint aber auch die semantische Konzeption einen minimalen Externalismus zu beinhalten, sonst könnte die Gerichtetheit (Intentionalität) dieser Konzeption nicht als Gerichtetheit verstanden werden. Die ontologische Konzeption impliziert aber auf jeden Fall ein größeres Ausmaß an Externalismus.

  17. 17.

    Die soziologische Diskussion wird wegen ihrer handlungstheoretischen Stoßrichtung oft auf den Aspekt der Intentionalität als ‚Absichtlichkeit‘ verengt, wird von mir und implizit wohl auch von den anderen Teilnehmern der Debatte auf kollektive ‚Gerichtetheit‘ bezogen.

  18. 18.

    Es kann hier nicht auf die methodische bzw. mathematische Behandlung von symetrischen und asymetrischen Beziehungen in der Netzwerkanalyse eingegangen werden. Hier werden nur die sozialtheoretischen Fragen behandelt.

  19. 19.

    Man sieht hier das Problem der doppelten Kontingenz durchschimmern.

  20. 20.

    Man kann sich darüber streiten, wie stark bei jeder sozialen Beziehung die Wir-Komponente entwickelt sein muss. Ich lasse das hier offen, weil es mir hier letztlich um die Unterscheidung von Netzwerken und Kollektiven von mehr als zwei Personen geht. Der Triade kommt hierbei eventuell eine zentrale Bedeutung zu. Vgl. zu einer abgestuften Konzeption kollektiver Intentionalität Schweikard 2008.

  21. 21.

    Greve und Schnabel (2011, S. 31) weisen darauf hin, dass Spencer den Begriff der diskreten Ganzen verwendet hat. Simons macht die Unterscheidung von Individuen und Kollektiven, die ihm zufolge beide Ganze sind (vgl. Simons 2005, S. 212).

  22. 22.

    Den Hinweis auf diese Textstelle verdanke ich Yasemin Niephaus. Ich konnte bisher nicht den Konsequenzen dieses Begriffs für Herbert Spencers Denken nachgehen. Es ging im Grundsätzlichen wohl eher in individualistische Richtung. Auch der hier verfolgte Ansatz richtet sich gegen kollektivistische Thesen, verbindet den Begriff des diskreten sozialen Ganzen aber mit einer Emergenz-Position.

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Albert, G. (2015). Max Webers Grundbegriffe – eine Revision unter Beachtung der Kategorie der sozialen Prozesse. In: Schützeichel, R., Jordan, S. (eds) Prozesse. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-93458-7_3

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