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Phänomenstruktur Jungenkrise: Diskursive Regelhaftigkeiten und die Bedeutung der Sprecherposition in den medialen Thematisierungen 1999–2009

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Methodologie und Praxis der Wissenssoziologischen Diskursanalyse

Part of the book series: Theorie und Praxis der Diskursforschung ((TPEDF))

Zusammenfassung

Im Anschluss an die Veröffentlichung der ersten PISA-Vergleichsstudie im Jahr 2000 beginnt in den deutschen Medien eine bis heute virulente Diskussion um Jungen als Bildungsverlierer. Im Zentrum des erziehungswissenschaftlichen Forschungsinteresses steht bislang das thematisierte Phänomen, nicht jedoch das Thematisierungsphänomen mit der ihm eigenen Wirkmächtigkeit. Der folgende Artikel wählt einen diskursanalytischen Zugang und kombiniert das Konzept der Phänomenstruktur im Anschluss an die Wissenssoziologische Diskursanalyse (WDA) (vgl. Keller 2005: 243ff.) mit dem Foucaultschen Konzept der Diskursiven Formation (vgl. Foucault 1981: 48ff.) für eine vertiefende Analyse von Regelmäßigkeiten der Gegenstandkonstitution und deren Produktivität. Hierzu wird eingangs der Forschungsgegenstand umrissen (2), das Konzept der Diskursiven Formation nach Foucault sowie der Phänomenstruktur nach Keller dargelegt (3), die konkrete Vorgehensweise an Materialauszügen veranschaulicht (4) sowie schließlich die rekonstruierte Phänomenstruktur vorgestellt und kommentiert (5). Die Befunde zeigen insgesamt, dass und wie die medialen Thematisierungen einer Krise der Jungen auf das Handeln von (pädagogischen) Akteuren gerichtet sind. Die diskursive Sprecherposition erweist sich dabei als wichtiges formatives Moment, über das eine alternative (erwachsene) Subjektposition erzeugt wird, die bestimmte Handlungen nahelegt. Die damit verbundene Modifikation des Konzepts der Sprecherposition wird abschließend aufgegriffen und aus der konkreten materialbezogenen Analyse heraus erläutert (6).

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Notes

  1. 1.

    ZEIT (2002): Die neuen Prügelknaben (25.07.2002).

  2. 2.

    Nicht neu in der öffentlichen Thematisierung von Bildung und Geschlecht ist hingegen, dass einem Aufwachsen unter Frauen ein schädlicher Einfluss auf Jungen zugeschrieben wird und Mädchen als besser beschulbar thematisiert werden (vgl. Cohen 1998; Kampshoff 2001). Auch Krisenanrufungen einer bedrohten Männlichkeit gehören zu den wiederkehrenden Bestandteilen nordamerikanischer und deutscher Geschichte und stellen keine Novität dar (vgl. Martschukat/Stieglitz 2005). Die klare Positionierung von Mädchen als gesellschaftliche Gewinnerinnen und Jungen als Verlierer ist dagegen neu.

  3. 3.

    Vgl. Cornelißen (2004); Budde (2008b); Stamm (2008); (BJK 2009).

  4. 4.

    Vgl. für die Erziehungswissenschaften: Langer/Wrana (2010); für die Soziale Arbeit: Kessl (2011).

  5. 5.

    Die theoretische Modifikation, die mit dieser Verwendung des Konzepts der Sprecherposition verbunden ist wird in Kap. 6 aufgegriffen und in ihrer besonderen Relevanz für den Jungenkrisendiskurs bestimmt.

  6. 6.

    Häufig findet sich genau diese Aufzählung, z. T. variieren die Formulierungen: ‚Eltern, Schule und Gesellschaft’, ‚Eltern, Lehrer und Gesellschaft’, ‚Eltern, Lehrer und Erzieherinnen’ oder einzelnen dieser Akteure werden adressiert. Um die entsprechende Subjektposition Erwachsener, die im Bildung- und Erziehungsgeschehen beteiligt sind bzw. die entsprechenden gesellschaftlichen Institutionen sprachlich zu fassen, wird im Folgenden von ‚Eltern Schule und Gesellschaft’ die Rede sein.

  7. 7.

    Hierbei handelt es sich um die Artikel: „Arme Jungs! Das benachteiligte Geschlecht“ (FOCUS 2002), „Schlaue Mädchen – Dumme Jungen. Sieger und Verlierer in der Schule“ (SPIEGEL 2004), „Jungen die neuen Sorgenkinder?“ (GEO 2003), „Die neuen Prügelknaben“ (ZEIT 2002), „Die Krise der kleinen Männer“ (ZEIT 2007) sowie „Lasst sie Männer sein“ (ZEIT 2008).

  8. 8.

    inklusive der Sonntagszeitung.

  9. 9.

    Vgl. Fußnote 10.

  10. 10.

    Vgl. hierzu auch die Ausführungen von Landwehr 2001: 117ff.

  11. 11.

    FAZ (2007): Auf der Verliererstraße lauter Männer.

  12. 12.

    TAZ (2007): Auf getrennten Schulbänken.

  13. 13.

    TAZ (2006): Jungs hängen ein Jahr hinterher.

  14. 14.

    FAZ Sonntag (2007): Junge, komm bald wieder.

  15. 15.

    FAZ (2007): Auf der Verliererstraße lauter Männer

  16. 16.

    FAZ (2009):Wir müssen die Jungs wieder lieben lernen.

  17. 17.

    TAZ (2007):Vom Wölfchen zum Mann.

  18. 18.

    SZ (2009): Vier Jahre auf Distanz.

  19. 19.

    ZEIT (2002): Die neuen Prügelknaben.

  20. 20.

    ZEIT (2008):Lasst sie Männer sein.

  21. 21.

    FAZ Sonntag (2007): Das neue schwache Geschlecht.

  22. 22.

    ZEIT (2006):Spiele ohne Grenzen.

  23. 23.

    TAZ (2006): Jungs hängen über ein Jahr hinterher.

  24. 24.

    ZEIT (2002):Die neuen Prügelknaben.

  25. 25.

    ZEIT (2008): Lasst sie Männer sein.

  26. 26.

    TAZ (2005): Männer auf die Schulbank.

  27. 27.

    ZEIT (2008): Lasst sie Männer sein.

  28. 28.

    SZ (2009): Vier Jahre auf Distanz.

  29. 29.

    FAZ (2007): Auf der Verliererstraße lauter Männer.

  30. 30.

    ZEIT (2002): Die neuen Prügelknaben.

  31. 31.

    FAZ (2009): Wir müssen die Jungs wieder lieben lernen.

  32. 32.

    ZEIT (2002): Die neuen Prügelknaben.

  33. 33.

    BILD (2004): Ist der Girls Day noch zeitgemäß?

  34. 34.

    Z. B.: „Für Jungen ist es von großer Bedeutung sich bewähren zu können, Mut zu zeigen, Unerschrockenheit. (…) Wenn sich dies in einer männlichen Biografie nicht entfalten kann, dann schlagen sie leicht ins Gegenteil um.“ (atempo 2007, Jungen)

  35. 35.

    FAZ (2007): Auf der Verliererstraße lauter Männer.

  36. 36.

    GEO (2003): Jungen – die neuen Sorgenkinder.

  37. 37.

    ZEIT (2002): Die neuen Prügelknaben.

  38. 38.

    Vgl. vorige Fußnote.

  39. 39.

    SZ (2000): Das Feuer entfachen.

  40. 40.

    Vgl. vorige Fußnote.

  41. 41.

    TAZ (2005): Männer auf die Schulbank.

  42. 42.

    TAZ (2005): Kleiner Mann, was nun?

  43. 43.

    Vgl. vorige Fußnote

  44. 44.

    Als Ursache ihrer Krise wird ein „problematisches Männerbild“, sowie eine „Machokultur“ (beides TAZ 1999 Junge Männer in der Krise) benannt und ihr Gewalthandeln als Antwort auf gesellschaftliche Statusprobleme sowie eine gestiegene Autonomie und Bildungsbeteiligung der Mädchen und Frauen in ihren Familien zurückgeführt.

  45. 45.

    Foucault bestimmt die Regierungsmacht über ein „Ensemble aus Handlungen, die sich auf mögliches Handeln richten, und (…) in einem Feld von Möglichkeiten für das Verhalten anderer Subjekte [operiert]. (…) In diesem Sinne heißt Regieren, das mögliche Handlungsfeld anderer zu strukturieren.“ (Foucault 2005: 256)

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Fegter, S. (2013). Phänomenstruktur Jungenkrise: Diskursive Regelhaftigkeiten und die Bedeutung der Sprecherposition in den medialen Thematisierungen 1999–2009. In: Keller, R., Truschkat, I. (eds) Methodologie und Praxis der Wissenssoziologischen Diskursanalyse. Theorie und Praxis der Diskursforschung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-93340-5_5

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