Zusammenfassung
Im direkt-demokratischen System der Schweiz können Akteure mit dem Instrument der Volksinitiative ihre Problematisierungen nicht nur an das politische System herantragen, sondern – sofern sie in Volksabstimmungen Mehrheiten erringen – auch politische Lösungen in Form von Verfassungsänderungen implementieren, die den Gesetzgeber zu einer Regulierung in ihrem Sinne verpflichten. Durch Kampagnen erzeugte kommunikative Macht wird so nicht nur mittelbar als Input an das politische System (vgl. Habermas 1992, S. 440–464; Peters 1993, S. 340ff.; Imhof 2008, S. 67), sondern unmittelbar steuerungswirksam. Damit können parlamentarische Mehrheitsverhältnisse umgedreht werden, und das selbst dann, wenn diese Mehrheitsverhältnisse breit abgestützt und gut begründet sind. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrung gewinnt die Erwartung an die Rationalität der über Massenmedien vermittelten politischen Kommunikation in direkt-demokratischen politischen Systemen an Bedeutung (vgl. Schneider 2003), wenn nicht jene Kritiker Recht behalten sollen, für die direkte Demokratie „ein scharfes mehrheitsdemokratisches Schwert ist – und allein deshalb für Minderheiten potenziell gefährlich“ (Schmidt 2008, S. 352).
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Notes
- 1.
Dieser Beitrag ist in ähnlicher Form auch im Jahrbuch Qualität der Medien 2010 erschienen.
- 2.
Die Analyse der Berichterstattung zur Minarett-Initiative ist Teil eines größeren Projektes, das die Darstellung der muslimischen Minderheit in der öffentlichen Kommunikation seit 1998 untersuchte. Das Projekt wurde von einem Forschungsteam am Forschungsbereich Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich durchgeführt und vom Schweizerischen Nationalfonds im Rahmen des Forschungsprogramms „Religionsgemeinschaften, Staat und Gesellschaft“ (NFP 58) finanziert.
- 3.
Vgl. auch den Beitrag von Urs Rellstab in diesem Band.
- 4.
Differenzsemantiken aktualisieren in je spezifischer Kombination Orientierungslogiken sozialer Differenz, das heißt klassisch die funktionale, stratifikatorische (hierarchische) und segmentäre Differenzierung sowie die temporale Differenzierung (Pfadabhängigkeiten) moderner Gesellschaften, in der öffentlichen Kommunikation und schaffen so Differenz und Integration. Insbesondere in Krisenzeiten kommt es regelhaft zu einer Temporalisierung, Ethnisierung, Funktionalisierung und Stratifizierung des Politischen, mithin also zu einer Konvergenz der Differenzsemantiken (Imhof 2008).
Literatur
Ettinger, Patrik, und Linards Udris. 2009. Islam as a threat? Problematisation of Muslims in the mass media and effects on the political system. In Media, religion and conflict, Hrsg. H. Savigny, 59–79. Farnham.
Forschungsbereich Öffentlichkeit und Gesellschaft – fög. 2010. Qualität der Medien. Schweiz – Suisse – Svizzera. Jahrbuch. Zürich: Universität Zürich.
Habermas, Jürgen. 1992. Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaates. Frankfurt a. M: Suhrkamp Verlag.
Hirter, Hans, und Adrian Vatter. 2010. Vox-Analyse der eidgenössischen Abstimmungen vom 29. November 2009. Bern: gfs.
Imhof, Kurt. 2008. Theorie der Öffentlichkeit als Theorie der Moderne. In Theorien der Kommunikations- und Medienwissenschaften. Grundlegende Diskussionen, Forschungsfelder und Theorieentwicklungen, Hrsg. F. Krotz, 65–90. Wiesbaden: VS Verlag.
Imhof, Kurt, und Mark Eisenegger. 1999. Politische Öffentlichkeit als Inszenierung. Resonanz von „Events“ in den Medien. In Öffentlichkeit. Diskurs zu einem Schlüsselbegriff der Organisationskommunikation, Hrsg. P. Szyszka, 195–218. Opladen: VS Verlag.
Peters, Bernhard. 1993. Die Integration moderner Gesellschaften. Frankfurt a. M: Suhrkamp Verlag.
Schmidt, Manfred G. 2008. Demokratietheorien. Eine Einführung. Wiesbaden: VS Verlag.
Schneider, Maria-Luise. 2003. Zur Rationalität von Volksabstimmungen. Der Gentechnikkonflikt im direktdemokratischen Verfahren. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.
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Ettinger, P., Imhof, K. (2014). Qualität der Medienberichterstattung zur Minarett-Initiative. In: Scholten, H., Kamps, K. (eds) Abstimmungskampagnen. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-93123-4_25
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