Zusammenfassung
Némeths Auffassung von Literatur und seine interpretatorische Praxis bildeten in den 1950er und 1960er Jahren eine Alternative sowohl zu Lukács' Realismus-Konzeption und den ideologischen Vereinnahmungen der Literatur durch den Marxismus als auch zum Nationalen als Wertkategorie im Umkreis der verschiedenen Konzepte von Hungarologie (László Németh). Ab 1970 erschienen seine Monographien zur ungarischen Literatur und ihrer gesellschaftlichen Situation im späteren 19. Jh. Die Vorbildlichkeit seiner mehrmals in Sammelbänden zusammengestellten und bald als klassisch kanonisierten Werkinterpretationen mit ihrem zweiten Schwerpunkt in der ersten Hälfte des 20. Jh.s ergibt sich im zeitgenössischen Kontext aus der eher marginalen Stellung der phänomenologisch-strukturalistischen Tradition und einer positivistischen Befangenheit gegenüber der marxistischen Literaturwissenschaft. Némeths Texte kennzeichnet dabei vielleicht erstmals innerhalb der ungarischen Literaturwissenschaft eine hermeneutische Aufmerksamkeit für den performativen Charakter und die Geschichtlichkeit der ästhetischen Erfahrung. Das zeigt sich besonders an den sich in ihnen vollziehenden Rekanonisierungsversuchen vor allem der Lyrik von János Arany und Attila József. Bei aller Aufmerksamkeit für die Redesituation im literarischen Text neigen die stark existenzialistisch geprägten Werkinterpretationen allerdings zu einem textstatischen Lektüremodell, das für Probleme der sich sprachlich vollziehenden Subjektkonstitution weniger sensibel ist.
Ursprünglich veröffentlicht unter © J.B. Metzler’sche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH
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Manfrin, L. (2020). Németh, Géza Béla: Literaturkritische Schriften. In: Arnold, H.L. (eds) Kindlers Literatur Lexikon (KLL). J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05728-0_16350-1
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