Herrand von Wildonie: Der blôze keiser

Zusammenfassung

Die kurze Verserzählung, entstanden um 1260, ist eine Dichtung politischen Inhalts über richtiges Herrscherverhalten. Handlungsauslösend ist das Unvermögen eines Kaisers, seine Macht mit der geistlichen Forderung der Demut zu vereinbaren. Er nennt das Bibelwort „Denn wer sich selbst erhöht, der soll erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der soll erhöht werden“ eine Lüge und erlebt daraufhin dessen Wahrheit am eigenen Leib: Ein Engel nimmt seine Kleider, während er im Bad ist, und spielt am Hof die Rolle des Kaisers, während für den Entthronten ein Buß- und Leidensweg beginnt. Der vormals Mächtige wird in seiner Blöße nicht mehr erkannt, muss Schmähungen über sich ergehen lassen und wird zum Küchenknecht. Unterdessen führt sein Doppelgänger ein ideales Herrschaftsverhalten vor, wodurch der gefallene Kaiser geläutert wird. Reumütig fällt er dem Engel zu Füßen, der ihn nach dieser Selbsterniedrigung wieder mit den Insignien der Herrschaft ausstattet und in sein Amt einsetzt.

Ursprünglich veröffentlicht unter © J.B. Metzler’sche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH