Vierter Grundsatz: Auf dem Weg zu einer allgemeinen Psychologie

Zusammenfassung

Die historisch-philosophischen Grundlagen, die den zeitgenössischen psychologischen theoretisch-methodischen Annahmen zugrunde liegen, beruhen auf einer doppelten Sichtweise der Psychologie als moderner Wissenschaft: der Entstehung neuartiger menschlicher soziokultureller Erfahrungen und der Entstehung psychologischer Ideen über diese Erfahrungen. Eine kombinierte Analyse der historisch-kulturellen und philosophischen Sichtweisen ist relevant, da psychologische Theorien und Methoden nicht automatisch auf empirische Fakten oder Daten angewendet werden können. Eine Tatsache existiert nur innerhalb eines konzeptionellen Rahmens, sie wird vom Forscher, der einer bestimmten wissenschaftlichen Gemeinschaft angehört, produziert oder konstruiert. Psychologische Theorien und Systeme entstammen einem doppelten Anliegen der empirischen Wissenschaften, dem Pendeln zwischen allgemeinen Gesetzen und spezifischen Ereignissen. Eine Aufgabe für die zeitgenössischen Psychologien besteht darin, schrittweise neue Erfahrungen in ihre konzeptionellen Entwicklungen einzubeziehen. Doch welche Art von Psychologie könnte in der heutigen Gesellschaft, in der Bevölkerungen mit unterschiedlichen Lebensweisen nebeneinander existieren, stimmig sein? Eine mögliche Antwort kann von einem ethischen Standpunkt aus gegeben werden, der neue Subjekte, ihre Worte und Gedankensysteme, in die Theorie- und Methodenbildung einbezieht. Neue Wege der Subjektivierung koexistieren mit dem zerklüfteten ethos der Moderne, und die verschiedenen Traditionen weltweit sind keine späten Versionen geschlossener, vormoderner Gesellschaften, die dazu bestimmt sind, zu verblassen oder sich in das moderne Projekt zu integrieren. Diese scheinbar offensichtliche Behauptung kann Raum für neue psychologische Überlegungen und eine Komplexifizierung des Feldes eröffnen.