Zusammenfassung
In diesem Beitrag werden unterschiedliche Ansätze und Perspektiven der kultursoziologischen Politikforschung vorgestellt und diskutiert. Ausgangspunkt ist eine Unterscheidung von klassischen Perspektiven, die Kultur stärker als Einflussfaktor auf Politik auffassen und neueren kultursoziologischen Ansätzen, die die vielfältige kulturelle Prägung von Politik stärker in den Mittelpunkt rücken. Der Beitrag ist insgesamt in drei Teile gegliedert und stellt die Entwicklung der kultursoziologischen Politikforschung im Wesentlichen chronologisch dar. Den Abschluss bildet die Darstellung aktueller Entwicklungen und Forschungsthemen in der kultursoziologischen Politikforschung.
Notes
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Diese Sichtweise lässt sich bis in die Gründungsphase der Sozialwissenschaften zurückverfolgen. Allen voran bis zum Historischen Materialismus von Marx und Engels, aber auch in der Gegenüberstellung von „Ideen“ und „Interessen“ in der Methodologie Max Webers (1988a/1920, S. 17–206) oder in der Unterscheidung von Real- und Idealfaktoren in Max Schelers Kultursoziologie (Scheler 1960/1926, S. 17–51).
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Dabei betont Weber nicht nur die besondere Stabilität religiös und ideologisch fundierter Herrschaftsverhältnisse, sondern auch die besondere politische Spannung und Dynamik, die sich aus den Konflikten rund um die adäquate Auslegung und Deutung von religiösen Lehren im Kampf zwischen „Orthodoxie“ und „Heterodoxie“ ergeben (Weber 1988a/1920).
- 3.
So schreibt Schmitt in Kap. III von Politische Theologie: „Alle Begriffe der modernen Staatslehre sind säkularisierte theologische Begriffe. Nicht nur ihrer historischen Entwicklung nach, weil sie aus der Theologie auf die Staatslehre übertragen wurden, indem zum Beispiel der allmächtige Gott zum omnipräsenten Gesetzgeber wurde, sondern auch in ihrer systematischen Struktur (…).“ (Schmitt 2004/1922, S. 43). Schmitt weist hier ähnlich wie die Klassiker der Kultursoziologie auf Parallelen und Kontinuitäten zwischen der modernen Sozialordnung und früheren religiös geprägten Sozialordnungen hin. Das Konzept des Ausnahmezustands, das Schmitt in selbigem Buch entfaltet, dient auch heute noch als Ausgangspunkt für Reflexionen zum Ausnahmezustand in der aktuellen politischen Philosophie (Agamben 2004).
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Eine wichtige Erneuerung und Weiterentwicklung stellt zudem das Werk von Shmuel N. Eisenstadt dar. Er erweitert die klassische Modernisierungstheorie von Parsons ebenso um eine konflikttheoretische Komponente. Auch weist er der Rolle von kulturellen Codes und kollektiven Identitätssymbolen eine zentrale Stellung bei der Analyse von sozialen Ordnungen und von sozialem Wandel zu (Eisenstadt 1979). Insofern geht Eisenstadt weit über Parsons hinaus und markiert bereits den Übergang hin zu neueren, stärker kulturalistisch fundierten Konzeptionen von Politik und politischen Prozessen in der Soziologie.
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Neben Bourdieus Schriften zur Politik sind in jüngerer Vergangenheit auch die Vorlesungen Bourdieus Über den Staat am Collège de France aus den Jahren 1989 bis 1992 erschienen (Bourdieu 2014). Bourdieu entwickelt in diesen Vorlesungen vor allem auch seinen Begriff der „symbolischen Gewalt“ als Grundlage der besonderen Staatsmacht und der Stabilität von staatlichen Ordnungen in Ergänzung zur üblichen Betonung des physischen Gewaltmonopols.
- 6.
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An diese Diskussion schließt nicht zuletzt auch die Debatte um eine Neubestimmung des Zusammenlebens rund um den Begriff des „Konvivialismus“ an (Adloff und Heins 2015), die maßgeblich von französischen Intellektuellen angestoßen wurde.
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Büttner, S.M. (2016). Politik aus kultursoziologischer Perspektive. In: Moebius, S., Nungesser, F., Scherke, K. (eds) Handbuch Kultursoziologie. Springer Reference Sozialwissenschaften. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-08001-3_39-1
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