Zusammenfassung
Die Staaten von heute entsprechen längst nicht mehr dem Bilde, nach dem unsere Verfassungstheorien geformt sind. Da herrscht noch immer die Vorstellung von der Souveränität nach außen und nach innen. Daß die äußere Souveränität eine Fiktion geworden ist, da nur die beiden Weltmächte noch eine unabhängige Politik betreiben können, wird wohl allgemein gesehen. Aber eine systematische Theorie der Staatenbindungen und -verbindungen fehlt, weil die Theorie der Außenpolitik noch immer individualistisch das Staatensystem aus isolierten Staaten aufbaut, anstatt umgekehrt die Staaten als Glieder des Staatensystems zu beschreiben. Modell ist nämlich der absolute Staat, in dem die Souveränität nach innen, gegenüber den Ständen, die Hauptsache war. In der Theorie des Kontinents, auf dem der absolute Staat siegreich gewesen war, sieht man daher jede Einschränkung der Staatsgewalt als einen nachträglichen Einbruch in den Staat an. Weithin herrscht, mindestens bei den Staatsrechtlern, noch der Hegel sche Gesellschaftsbegriff: die Gesellschaft ist die ungeordnete Vielheit von Interessen, die nur der Staat zusammenhalten, ordnen und zum Ganzen ausrichten kann. Der starke Staat, die autoritäre Verfassung, erscheint als das Normale. Einflüsse aus anderen Gruppen gelten nicht nur als gefährlich für das Funktionieren der politischen Gewalt, sondern auch grundsätzlich als illegitim. Nur in der katholischen Kirche hat sich ein Bewußtsein von Recht und Notwendigkeit eines staatsfreien Raumes erhalten, und in der evangelischen regt es sich wieder, seit der totale Staat sie zum Bekenntnis zwingt.
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Literatur
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© 1964 Westdeutscher Verlag · Köln und Opladen
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von der Gablentz, O.H. (1964). Der Staat in der pluralistischen Gesellschaft. In: Der Kampf um die rechte Ordnung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-98513-2_9
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