Auszug
Rudolf Steiner kennt man (oder glaubt man zumindest zu kennen), die Anthroposophie auch, aber wer sind ihre Anhänger und: gehören die ehemaligen Waldorfschülerinnen und -schüler dazu? Vor einigen Jahren wurden in einem opulenten Buch etwa sechshundert Biografien von Anthroposophen bzw. der Anthroposophie verbundenen Menschen doku- mentiert (vgl. Plato 2003) — darunter auch die Lebensgeschichte Franz Schilys, der seinem Sohn, Otto Schily, dem früheren deutschen Innenminister, das anthroposophische Gedankengut nahe gebracht hat. Für viele Prominente, die in diesem Buch versammelt sind, wurde die Waldorfpädagogik ein wichtiges Moment ihrer eigenen Biographie, sei es, dass sie selbst eine Einrichtung der Waldpädagogik besuchten, oder sei es, dass sie ihre eigenen Kinder dorthin schickten. So fragt man sich etwa, ob und inwiefern ehemalige Waldorfschülerinnen und -schüler mit der anthroposophischen Weltanschauung — mit ihren Vorstellungen und Praktiken theosophischer Provenienz — in Verbindung kamen und mit ihr verbunden bleiben und sich zugleich oder alternativ anderen Weltanschauungen bzw. Religionen zugehörig fühlen. Rudolf Steiner (1861–1925), selbst katholisch getauft, in einem freigeistigen Elternhaus aufgewachsen und erst in der Theosophischen Gesellschaft mit einer christlichen Frömmigkeit in Berührung gekommen, hat ja „die Anthroposophie nicht als Religion verstehen wollen, sie aber gleichwohl religionsförmig organisiert, die christliche Tradition rezipiert und dabei das Christentum den anderen Religionen übergeordnet“ (Zander 2005, S. 54). Dabei hat Rudolf Steiner die Waldorfschule als Teil des ‚freien Geisteslebens‘ im Sinne seiner von ihm 1918/19 konzipierten Dreigliederung des sozialen Organismus (Wirtschaft, Recht, ‚Geistesleben‘) verstanden, und es wurden von ihm „theosophische Elemente, etwa die Anthropologie der Körperhüllen oder die Reinkarnation als Bedingung für das Verständnis der Biographie eines Schülers eingebaut.
This is a preview of subscription content, log in via an institution.
Buying options
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Learn about institutional subscriptionsPreview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Badewien, J. (2005). Artikel Christengemeinschaft. In: Baer, H./ Gasper, H./ Müller, J./ Sinabell, J. (Hrsg.), Lexikon neureligiöser Gruppen, Szenen und Weltanschauungen, Freiburg, S. 204–208.
Campiche, R. J. (2004). Die zwei Gesichter der Religion. Faszination und Entzauberung. Zürich.
Daiber, K.-F. (1987). Reinkarnationsglaube als Ausdruck individueller Sinnsuche. Das Beispiel: Shirley MacLaine ‚Zwischenleben‘. In: Becker, H./ Einig, B./ Ullrich, P.-O. (Hrsg.), Im Angesicht des Todes. Band I. St. Ottilien, S. 207–227.
Ebertz, M. N. (2002). Neue Männer braucht die Kirche? Wenn ja, dann wie? In: Freiburger Materialdienst für die Gemeindepastoral, 3, S. 17–24.
Ebertz, M. N. (2004). Die Zivilisierung Gottes. Der Wandel von Jenseitsvorstellungen in Theologie und Verkündigung. Ostfildern.
Gehlen, A. (1940). Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt. Berlin.
Grom, B. (2005). Anthroposophie und christlicher Glaube. In: Materialdienst der EZW 68, S. 243–251.
Hörtreiter, F. (2005). Anthroposophie und christlicher Glaube. Eine Erwiderung auf Bernhard Grom SJ. In: Materialdienst der EZW, 68, S. 251–255.
Hummel, R. (1990). Artikel Reinkarnation. In: Gasper, H./ Müller, H./ Valentin, F. (Hrsg.), Lexikon der Sekten, Sondergruppen und Weltanschauungen. Freiburg, S. 867–873.
Institut für Demoskopie Allensbach (1997). Engel. Glaube und Erfahrung diesseits der Esoterik. Allensbach.
Jung, T. (2002). Esoterik und Konservativismus. Konstanz.
Kaufmann, F.-X. (1989). Religion und Modernität. Sozialwissenschaftliche Perspektiven. Tübingen.
Krech, V. (2005). Kleine Religionsgemeinschaften in Deutschland — Eine religionssoziologische Bestandsaufnahme. In: Lehmann, H. (Hrsg.), Religiöser Pluralismus im vereinten Europa. Freikirchen und Sekten. Göttingen, S. 116–144.
Meulemann, H. (2004). Religiosität: Die Persistenz eines Sonderfalls. In: van Deth, J. W. (Hrsg.), Deutschland in Europa. Ergebnisse des European Social Survey 2002–2003. Wiesbaden, S. 55–76.
Noelle-Neumann, E./ Köcher, R. (Hrsg.) (2002). Allensbacher Jahrbuch der Demoskopie 1998–2002. Band 11. München.
Plato, B. v. (Hrsg.) (2003). Anthroposophie im 20. Jahrhundert. Ein Kulturimpuls in biographischen Portraits. Dornach.
Sachau, R. (21997). Westliche Reinkarnationsvorstellungen. Zur Religion in der Moderne, Gütersloh.
Sachau, R. (1998). Weiterleben nach dem Tod. Warum immer mehr Menschen an die Reinkarnation glauben. Gütersloh.
Sachau, R. (2005). Artikel Reinkarnation. In: Baer, H./ Gasper, H./ Müller, J./ Sinabell, J. (Hrsg.), Lexikon neureligiöser Gruppen, Szenen und Weltanschauungen. Freiburg, S. 1067–1074.
Schelsky, H. (1975). Die Arbeit tun die anderen. Klassenkampf und Priesterherrschaft der Intellektuellen. Opladen.
Steininger, T. R. (1993). Konfession und Sozialisation. Adventistische Identität zwischen Fundamentalismus und Postmoderne. Göttingen.
Wippermann, C. (1996). Religiöse Weltanschauungen — Zwischen individuellem Design und traditionellem Schema. In: Silbereisen, R. K./ Vaskovics, L./ Zinnecker, J. (Hrsg.), Jungsein in Deutschland. Jugendliche und junge Erwachsene 1991 und 1996. Opladen, S. 113–126.
Zander, H. (1995). Reinkarnation und Christentum. Rudolf Steiners Theorie der Wiederverkörperung im Dialog mit der Theologie. Paderborn.
Zander, H. (2005). Artikel Anthroposophie. In: Baer, H./ Gasper, H./ Müller, J./ Sinabell, J. (Hrsg.), Lexikon neureligiöser Gruppen, Szenen und Weltanschauungen. Freiburg, S. 51–57.
Author information
Authors and Affiliations
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 2007 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Ebertz, M.N. (2007). Was glauben die Ehemaligen?. In: Barz, H., Randoll, D. (eds) Absolventen von Waldorfschulen. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90645-4_6
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-90645-4_6
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-15405-3
Online ISBN: 978-3-531-90645-4
eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)