Zusammenfassung
Über „Kultur“ zu sprechen wird heute mit Recht im allgemeinen als schwierig angesehen. Der Grund, den man dafür zumeist angibt, die vielbemühte Krise der neuzeitlichen Kultur, scheint mir jedoch nicht zureichend zu sein, jene Schwierigkeiten allein zu erklären. Gewiß, wer wollte den Übergangs- oder Umbruchscharakter unserer gegenwärtigen Kunst oder auch der Geschichtsauffassung oder des philosophischen Denkens leugnen, aber es läßt sich bezweifeln, daß frühere Übergänge von einer Kultur- oder Geschichtsepoche zu einer anderen weniger einschneidend, weniger revolutionär waren als der heutige Wandel. Schon im vorigen Jahrhundert meinte man angesichts der schnellen Verbreitung der Dampfmaschine, „die Civilisazion macht einen Fortschritt, der jenem eines Jägervolks nicht unähnlich ist, das sich zu einem Ackerbauenden erhebt“1. Dieser auch in neuerer Zeit noch gern gebrauchte Vergleiche, der das Revolutionäre an der modernen Technisierung hervorhebt, läßt uns jedoch die übrigen zahlreichen und kaum weniger bedeutsamen Schübe und Sprünge vergessen. Nimmt man ihn (und damit den revolutionären Charakter des gegenwärtigen Umbruchs) zu ernst, geht man zudem an der noch zu leistenden Aufgabe vorbei, die moderne wissenschaftlich-technische Zivilisation aus ihren geschichtlichen Ursprüngen und in Entwicklungslinien zu begreifen3.
This is a preview of subscription content, log in via an institution.
Buying options
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Learn about institutional subscriptionsPreview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Anmerkungen
Christoph Bernoulli, Anfangsgründe der Dampfmaschinenlehre für Techniker und Freunde der Mechanik. Basel 1824, S. 3.
Sehr viel differenzierter etwa bei Max Scheler, Die Wissensformen und die Gesellschaft. Bern 2. Aufl. 1960, S. 134 (Ges. Werke Bd. 8).
Hierzu vgl. Georg Picht, Technik und Überlieferung. Hamburg 1959. Ferner die Zeitschrift Technikgeschichte, hrsg. vom Verein Deutscher Ingenieure, Bd. 32 ff., Düsseldorf 1965 ff.
Rudolf Plank, Kultur und Zivilisation. Humanismus und Technik 10 (1965), H. 1, S. 12 ff.
C. P. Snow, The Two Cultures and a Second Look. Neuausgabe 2. Aufl. Cambridge 1965. Deutsch: Die zwei Kulturen. Stuttgart 1967. Der wichtigste Beitrag zu der in der Bundesrepublik verspätet einsetzenden Diskussion (— die 1. Auflage des Buches von Snow war 1959 erschienen und hatte in der angelsächsischen Kultur eine rege Debatte ausgelöst —) ist der von Helmut Kreuzer herausgegebene Band mit Aufsätzen zahlreicher Autoren: Literarische und naturwissenschaftliche Intelligenz. Stuttgart 1969.
Nach Edward B. Tylor (1832–1917), zitiert im Fischer-Lexikon Soziologie, hrsg. von René König, Stichwort Kultur, S. 154.
William F. Ogburn, Social Change. New York 1952.
René König, Bemerkungen zur Sozialpsychologie. In: Soziologische Orientierungen. Köln/Berlin 1965, S. 45 ff.
Herbert Marcuse, Kultur und Gesellschaft I, Frankfurt a. M. 1965. S. 56 ff.
Herbert Marcuse, Bemerkungen zu einer Neubestimmung der Kultur. In: Kultur und Gesellschaft II, Frankfurt a. M. 1965. S. 147 ff.
Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, Kulturindustrie, Aufklärung als Massenbetrug. In: Dialektik der Aufklärung. Frankfurt a. M. 1969, S. 128 ff. (Zuerst New York 1944.)
So auch Claus Offe, Technik und Eindimensionalität. In: Antworten auf Herbert Marcuse, hrsg. von Jürgen Habermas, Frankfurt a. M. 1968, S. 73 ff.
Ahnlid Hans Heinz Holz, Utopie und Anarchismus. Köln 1968, S. 16 ff.
Max Bense, Ungehorsam der Ideen. Köln 2. Aufl. 1966, S. 45.
Ebd. S. 48.
Max Bense, Aesthetica. Baden-Baden 1965, S. 126.
Hartmut von Hentig, Creator — Die Entdeckung eines neuen Kulturprinzips. In: Handbuch „Deutschland heute“ zur Weltausstellung Montreal 1967, S. 40 ff.
Eduard Spranger, Berufsbildung und Allgemeinbildung. Neuabdrudt in: Die Bildungsfrage in der modernen Arbeitswelt, hrsg. von H. Röhrs, Frankfurt a. M. 1963, S. 17 ff.
Am deutlichsten wird dies in seiner Schrift: Systemzwang und Selbstbestimmung. Über die Bedingungen der Gesamtschule in der Industriegesellschaft. Stuttgart 1968.
Hermann Bausinger, Volkskultur in der technischen Welt. Stuttgart 1961.
Zu Begriff und Aufgaben einer „technischen Kultur“ vgl. auch Klaus Tuchel, Herausforderung der Technik. Bremen 1967, bes. S. 79 ff.
Heinz Ischreyt, Deutsche Kulturpolitik. Bremen 1964, S. 13. Ein wichtiges Beispiel für das Zusammenwirken verschiedener gesellschaftlicher Kräfte in der Gestaltung eines kulturellen Bereichs behandelt H. Ischreyt in seinen „Studien zum Verhältnis von Sprache und Technik“, Düsseldorf 1965 (Sprache und Gemeinschaft, hrsg. von Leo Weisgerber, Studien Band IV).
Theodor Heuß, Kräfte und Grenzen einer Kulturpolitik. Tübingen/Stuttgart 1961, S. 18.
Auf die notwendig werdende Veränderung der Lehrerbildung weist besonders H. von Hentig in seiner Schrift Systemzwang und Selbstbestimmung, a. a. 0., hin.
Hans Peter Widmaier, Analysen zur Gesamthochschule. In: Jahrbücher für Sozialwissenschaften 3/20 (1969), S. 309.
Hartmut von Hentig, öffentliche Meinung/öffentliche Erregung/öffentliche Neugier. Göttingen 1969, bes. S. 71 ff.
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 1970 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen
About this chapter
Cite this chapter
Tuchel, K. (1970). Kultur im Werden. In: Boss-Stenner, H., von Pufendorf, U., Schade, K.F. (eds) Partizipation. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-02813-0_2
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-02813-0_2
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-663-00900-9
Online ISBN: 978-3-663-02813-0
eBook Packages: Springer Book Archive