Fast ein Drittel von Deutschland ist mit Wald bedeckt. Das entspricht etwa 11,4 Mio. Hektar (BMEL 2014). Auf einem Hektar Waldboden stehen durchschnittlich rund 336 m3 Holz – so viel wie der Inhalt von knapp fünf 40-Fuß-Containern. Mit insgesamt 3662 Mio. m3 besitzt Deutschland den größten Holzvorrat in Europa (Forest Europe 2011; BMEL 2014). Jedes Jahr kommen 11,1 m3/ha dazu (Oehmichen et al. 2011); Holzeinschlag und natürlicher Abgang (Mortalität) schöpfen jedoch rund 87 % des Zuwachses ab (BMEL 2014).

Durch Fotosynthese und Biomassewachstum entziehen Wälder der Atmosphäre Kohlendioxid (CO2) und binden es als Kohlenstoff im Holz. In jedem Kubikmeter Holz stecken je nach Baumart bzw. Holzdichte rund 270 kg Kohlenstoff. Damit ist der Wald ein wichtiger Kohlenstoffspeicher. Zwischen 2002 und 2012 hat der deutsche Wald jährlich rund 52 Mio. t CO2 aus der Atmosphäre aufgenommen (Dunger et al. 2014) und wirkt deshalb in diesem Zeitraum als Kohlenstoffsenke. Diese Menge entspricht etwa 15 % der durchschnittlichen jährlichen CO2-Emissionen der privaten Haushalte hierzulande.

Wälder produzieren nicht nur den nachwachsenden Rohstoff Holz, sondern sie leisten auch viel für die Umwelt und wirken ausgleichend auf das Klima. Über ihre Blätter und Nadeln verdunsten Bäume Wasser, das sie mit ihren Wurzeln aus dem Boden saugen. Ein Buchenwald kann im Sommer täglich mehrere tausend Liter Wasser pro Hektar verdunsten (Schreck et al. 2016). Der Wasserdampf kondensiert und bildet Wolken; diese reflektieren Sonnenstrahlen und wirken somit der globalen Erwärmung entgegen. Besonders stark ist dieser Effekt in den Tropen.

Klimawandel und Wälder stehen in einem komplexen Wirkungsgefüge: Die Waldzerstörung, vor allem in den Tropen, trägt etwa ein Sechstel zu den jährlichen globalen Treibhausgasemissionen bei; Klimaveränderungen beeinflussen die Produktivität und Lebenskraft (Vitalität) von Wäldern. Energetische und stoffliche Verwendung von geerntetem Holz können den Verbrauch und damit die Emissionen fossiler Energieträger vermindern. Zudem wird Kohlenstoff in der Biomasse, im Waldboden und in Holzprodukten gebunden (FAO 2010; Knauf et al. 2015).

Wälder bedecken ein Drittel der Landfläche der Erde (FAO 2010) und sind der größte Kohlenstoffspeicher auf dem Land (Pan et al. 2011). Eingeteilt werden sie in drei Großlebensräume: nördliche (boreale), gemäßigte und tropische Wälder. Die tropischen Wälder besitzen mit 471 ± 93 Pg (Petagramm) – ein Petagramm entspricht 1 Mrd. Tonnen – in ihrer Vegetation und im Boden den größten Kohlenstoffvorrat, gefolgt von den borealen Wäldern mit 272 ± 23 Pg Kohlenstoff, der größtenteils im Boden gespeichert ist. In den gemäßigten Breiten sind 119 ± 9 Pg Kohlenstoff in den Wäldern gespeichert (Pan et al. 2011). Die europäischen Wälder gehören weitgehend der gemäßigten Zone an. Der deutsche Wald speichert 2,2 Pg Kohlenstoff, davon 59 % in der Baumbiomasse, 1 % in Totholz und 40 % in Streu und Waldboden. Pro Jahr nahm der Wald im Bezugszeitraum 1990–2002 22 Mio. t Kohlenstoff auf (BMELV 2009).

1 Wälder im globalen Kohlenstoffkreislauf

Bäume binden in ihrer Biomasse atmosphärisches CO2 als Kohlenstoff. In Totholz oder Streu wird Kohlenstoff dagegen abgebaut und entweder als CO2 in die Atmosphäre freigesetzt oder als Bodenkohlenstoff aufgenommen. Ist die C-Bindung durch Fotosynthese und Wachstum größer als die CO2-Freisetzung durch Abbauprozesse, wird der Wald zur Kohlenstoffsenke. In Naturwäldern stellt sich über längere Zeit und große Gebiete ein Gleichgewicht zwischen Auf- und Abbau von Biomasse ein (Lal 2005; Luyssaert et al. 2008), sodass sich langfristig betrachtet Bindung und Freisetzung die Waage halten.

Der Nationale Inventarbericht zu Treibhausgasemissionen (NIR) (UBA 2011) und die Ergebnisse der 2. Bodenzustandserhebung zeigen, dass die Kohlenstoffvorräte in den deutschen Waldböden in etwa stabil geblieben oder sogar gestiegen sind (Block und Gauer 2012; Russ und Riek 2011).

Störungen des Waldgefüges, etwa durch Sturmschäden oder Waldsterben nach Insektenbefall, können bewirken, dass über einen längeren Zeitraum große Mengen CO2 in die Atmosphäre gelangen. Neben diesen Schädigungen wird der Wald zu einer CO2-Quelle (Kurz et al. 2008), wenn Wald- und Bodenspeicher durch anthropogen getriebene Entwaldung und Degradation vernichtet werden. Besonders in den Tropen tragen diese Prozesse jährlich mit rund 10–17 % oder 2,8 ± 0,4 Pg Kohlenstoff zu den globalen Treibhausgasemissionen bei (Houghton 2013; IPCC 2007; Settele et al. 2014). Demgegenüber steht eine Kohlenstoffaufnahme von 4,0 ± 0,7 Pg pro Jahr. Entsprechend kann von einer Senkenfunktion der globalen Wälder von 1,1 ± 0,8 Pg Kohlenstoff pro Jahr ausgegangen werden (Settele et al. 2014).

Bis auf wenige Ausnahmen wie Nationalparks oder Bannwälder werden Deutschlands Wälder bewirtschaftet: Zwischen 2002 und 2008 wurden jährlich etwa 70 Mio. m3 verwertbares Nutzholz geerntet (Oehmichen et al. 2011). Im Kohlenstoffkreislauf spielen Holzernte und -verwendung daher eine wichtige Rolle. Je nach Nutzungsdauer, möglicher Mehrfachnutzung und Verwendungszweck können viele Holzprodukte zum Klimaschutz beitragen:

  • In Holz festgelegter Kohlenstoff wird nach der Holzernte in Holzprodukten gespeichert (Produktspeicher).

  • Energetische Nutzung von Holz setzt zwar CO2 frei, vermeidet aber gleichzeitig CO2-Emissionen aus fossilen Energieträgern (energetische Substitution).

  • Bei der Herstellung funktionsgleicher Produkte verbraucht die Verwendung von Holz in der Regel weniger Energie als die Verwendung alternativer Materialien (z. B. Ziegel, Kalksandsteine, Stahl, Aluminium). Damit lassen sich ebenso Emissionen aus fossilen Energieträgern einsparen (stoffliche Substitution) (Bergman et al. 2014 ; Knauf et al. 2015).

Wälder, die für die energetische Substitution durch Holz genutzt werden, schöpfen nicht das maximale Potenzial der Kohlenstoffspeicherung aus. Darüber hinaus ist die Energiedichte von Holz geringer als die fossiler Energieträger. Hierdurch entsteht eine sogenannte Kohlenstoffschuld. Diese gleicht sich jedoch über einen längeren Zeitraum durch die erhöhten Substitutionseffekte und die begrenzte maximale Kohlenstoffspeicherfähigkeit von Wäldern aus bzw. wird überkompensiert (Mitchell et al. 2012). Der Waldspeicher vergrößert sich nur so lange, bis ein konstantes Gleichgewicht zwischen Auf- und Abbau von Biomasse erreicht ist. Dagegen akkumulieren die positiven Effekte der Substitution mit der Zeit, es wird ein „Vermeidungsguthaben“ aufgebaut. Waldwachstum und stoffliche Holzverwendung verlagern den Kohlenstoff zwischen Atmosphäre, Waldspeicher und Holzproduktspeicher (Abb. 19.1), aber bringen kein zusätzliches CO2 in dieses System. Der Aufbau von Wald- und Produktspeicher kann, bei entsprechender langfristiger Nutzung der Produkte, einen Nettoeffekt auf die Kohlenstoffbindung haben. Die aktuell wieder populärer werdende Holzverbrennung zur Energiegewinnung führt im Gegensatz zur Verbrennung fossiler Energieträger nicht zu einer Erhöhung des CO2-Gehalts der Atmosphäre.

Abb. 19.1
figure 1

Wald und Klima – Kohlenstoffspeicher und Kohlenstoffflüsse. Die Größe der Pfeile ist proportional zu den Anteilen an den Kohlenstoffflüssen

2 Was der Klimawandel mit dem deutschen Wald macht

Die erwarteten bzw. projizierten Klimaänderungen im 21. Jahrhundert werden die Zusammensetzung der Baumarten in Deutschlands Wäldern beeinflussen. Auch Schadfaktoren werden sich verändern (Lindner et al. 2010; Müller 2009). Das zieht nicht nur ökologische Folgen nach sich, sondern auch bedeutende ökonomische (Hanewinkel et al. 2012). Wälder waren aufgrund des genetischen Potenzials von Bäumen in der Lage, sich an vergangene Phasen von natürlichem Klimawandel anzupassen. Die aktuelle, teilweise anthropogen bedingte Klimaveränderung weist eine höhere Geschwindigkeit auf als vergleichbare historische Änderungen im Klimasystem. Aufgrund der Langlebigkeit von Bäumen ist ein Abwarten auf die natürliche Anpassung mit den gesellschaftlichen Anforderungen an den Wald als Ökosystem und Ressource voraussichtlich nicht vereinbar. Ein gerichtetes Einschreiten der Forstwirtschaft zum Erhalt der multifunktionalen Wälder ist dementsprechend notwendig. Im Folgenden werden die vorhandenen Erkenntnisse zum Einfluss des Klimawandels auf den deutschen Wald als Grundlage für eine solche Anpassung dargestellt.

2.1 Veränderte Ausbreitungsgebiete und Artenzusammensetzung

Mithilfe von „Klimahüllenmodellen“ entwickelte der Forstwissenschaftler Christian Kölling 2007 ein erstes Konzept, um die ökologischen Effekte des Klimawandels auf die Anbaumöglichkeiten der Baumarten in Deutschland zu untersuchen (Kölling 2007). Er beschrieb die Häufigkeitsverteilung der wichtigsten Baumarten in Deutschland abhängig von Jahresmitteltemperatur und Jahresniederschlagssumme. Unter Verwendung von Klimaprojektionen für Deutschland von einem Regionalmodell (WETTREG) und einem Emissionsszenario (SRES B1) leitete er Aussagen etwa zur Anbaueignung der Rotbuche (Fagus sylvatica) und Gemeinen Fichte (Picea abies) ab: In Bayern könnte die Rotbuche demnach zusätzlich höhere Gebirgslagen besiedeln, während für die Gemeine Fichte in den wärmeren Regionen Bayerns ein höheres Anbaurisiko bestehen könnte (Kölling et al. 2007). Wegen ihrer Einfachheit (Bolte et al. 2008) und aufgrund der eingeschränkten Modell- und Szenarienauswahl stellen die grafischen Klimahüllen von Kölling (2007) nur einen ersten Schritt auf dem Weg zu belastbaren Aussagen über die Zukunft der Artenzusammensetzung unserer Wälder dar.

Komplexere Klimahüllenmodelle berücksichtigen viele verschiedene Klimaparameter und berechnen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass bestimmte Baumarten in einer Region vorkommen. Demnach liegt die Verbreitungsgrenze von Stiel- und Traubeneiche (Quercus robur und Quercus petraea) und Waldkiefern (Pinus sylvestris) im Zeitraum 2071–2100 (Szenario SRES A2) deutlich weiter im Osten und Norden als heute (Henschel 2008). Im westlichen Teil Deutschlands wachsen dann wesentlich weniger Kiefern.

Modelle zur Baumartenverteilung sind statistische Modelle auf der Basis von Inventurdaten der deutschen Bundeswaldinventur BWI II (Hanewinkel et al. 2010; Falk und Mellert 2011) oder der Monitoringdaten des ICP Forests (International Co-operative Programme on Assessment and Monitoring of Air Pollution Effects on Forests) (Hanewinkel et al. 2012; Meier et al. 2012). Sie zeigen, wie sich Anbaueignung und -risiko einzelner Baumarten regional verschieben. Berechnungen ergaben: Im Vergleich zum Jahr 2000 nehmen die geeigneten Flächen für Fichtenanbau in Baden-Württemberg bis 2030 um 21 % ab (SRES-Szenario B1), bis 2100 um 93 % (SRES-Szenario A2) (Hanewinkel et al. 2010). In Fläche umgerechnet entspricht dies einem Rückgang von 190.000 bzw. 860.000 ha. Wolfgang Falk und Karl Mellert von der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft ermittelten für Bayern anhand zweier verschiedener Baumartenverteilungsmodelle für das Szenario B1 (Modell WETTREG), dass die Zahl der Flächen mit geringer Anbaueignung – also hohem Anbaurisiko – der Weißtanne (Abies alba) zunimmt. Nur auf einigen Gebirgsstandorten, z. B. in den Bayerischen Alpen oder im Bayerischen Wald, kann in Zukunft die Anbaueignung der Weißtanne zunehmen (Falk und Mellert 2011).

Mit einem Vegetationsmodell wurde die Dynamik der häufigsten europäischen Baumarten bei Klimaveränderungen untersucht (Hickler et al. 2012). Simulationen bis 2085 (A2-SRES-Szenario mit zwei globalen Zirkulationsmodellen) zufolge wandelt sich die Vegetation in weiten Teilen Europas deutlich – das wirkt sich auf die Bewirtschaftung von Wäldern und auf Schutzgebiete aus. Demnach weisen 31–42 % von Europa im Jahr 2085 einen anderen Vegetationstyp auf. Als ein Hotspot der Veränderung wurde die Übergangszone zwischen den Laubwäldern der gemäßigten Breiten und borealen Nadelwäldern in Nordeuropa und den höheren Berglagen Zentraleuropas ausgemacht. Diese Untersuchungen berücksichtigen allerdings nicht eine natürliche lokale Anpassung der einzelnen Arten, die dazu führen kann, dass die Veränderung der Vegetationstypen weniger drastisch ausfällt.

Mit kombinierten Modellen für Baumartenverteilung und Wald lassen sich die erforderlichen Migrationsraten für die Areale verschiedener Baumarten in Europa schätzen (Meier et al. 2012). Das Ergebnis: Außer der Waldkiefer können alle in den Alpen vorkommende Arten neu entstandene Areale erschließen. Dagegen bleibt die Baumverteilung in Nord- und Südeuropa recht stabil. Bei den Pionierbaumarten, die auf kargen und sonnenreichen Standorten die Erstbesiedlung vornehmen, liegen die Migrationsraten sehr hoch, bei den Klimaxbaumarten, die das Endstadium der natürlichen Sukzession im Wald darstellen, nur etwa ein Zehntel so hoch. Während des 21. Jahrhunderts gehen die mittleren Migrationsraten überall zurück, allerdings bei den Pionierbaumarten geringer als bei den Klimaxbaumarten.

In Sachsen und Thüringen haben die Forstverwaltungen verschiedene Zusammensetzungen von Baubeständen unter Berücksichtigung unterschiedlicher Emissionsszenarien mithilfe des Habitatmodells BERN simuliert. Dabei setzten sie Standorteigenschaften wie Boden und Klima in Beziehung zu aktuell vorkommenden Waldgesellschaften und berechneten ihre künftige Vorkommenswahrscheinlichkeit mittels beispielhafter Projektionen des Regionalmodells WETTREG für Sachsen (B1-SRES-Szenario) bzw. Thüringen (A1B-Szenario). Besonders in den Mittelgebirgen gibt es demnach künftig weniger Potenzial für Fichtenwälder. Stattdessen finden dort Buchen gute Wuchsbedingungen. In den Tieflagen lösen Eichenwälder die Buchenwälder ab. Daher plant man, in Sachsen und Thüringen in den Bergregionen mehr Buchen, im Tiefland mehr Eichen anzubauen. Da solche Planungen im forstlichen Bereich durch die langen Umtriebszeiten langfristige Konsequenzen haben, ist eine fortlaufende, kritische Überprüfung der gewonnen Erkenntnisse auf der Grundlage neuer Ergebnisse der Klimaforschung unabdingbar (Gemballa und Schlutow 2007; Eisenhauer und Sonnemann 2009; Schlutow et al. 2009; Frischbier et al. 2010). In Mitteleuropa wird der Eichenwald möglicherweise generell zunehmen, während Kiefern- und Fichtenwälder sich zurückziehen werden (Hanewinkel et al. 2012).

2.2 Längere Vegetationsperioden

In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Vegetationsperioden ausgedehnt (Menzel und Fabian 1999; Chmielewski und Rötzer 2001; Bissolli et al. 2005). So beginnen Laubaustrieb oder Blüte früher im Jahr, Laubverfärbung und Blattfall setzen dagegen später ein. Längere Vegetationsperioden können die Produktion von mehr Biomasse ermöglichen, wenn Nährstoffe ausreichend zur Verfügung stehen. Negative Auswirkungen sind aber ebenfalls möglich. Beispielsweise können die Wechselwirkungen zwischen Arten, etwa bei der Bestäubung, gestört werden (Menzel et al. 2006). Mildere Winter können die Frosthärte von Bäumen verringern und damit mehr Spätfrostschäden verursachen. Durch hohe Wintertemperaturen kann der Stoffwechsel während der Winterruhe aktiviert werden, was die Bäume schwächt (Kätzel 2008). Eine früher beginnende und später endende Wachstumsperiode kann nur dann in vermehrtes Wachstum umgesetzt werden, wenn die Bäume im Sommer nicht in Trockenstress geraten, weil das Bodenwasser früher verbraucht ist (Richardson et al. 2010). Längere Vegetationszeiten können sich auch auf durch bestimmte Wärmesummen limitierte Schadorganismen von Bäumen auswirken.

2.3 Waldschäden: keine einfachen Antworten

Der Klimawandel schädigt den Wald direkt oder indirekt (Möller 2009; Müller 2009; Petercord et al. 2009). Windbruch und Trockenstress beispielsweise sind direkte Schäden, ebenso vermehrter Schädlingsbefall durch verändertes Klima. Indirekt wirkt der Klimawandel, indem er die Empfänglichkeit (Prädisposition) der Bäume für schädliche Einflüsse verändert und sie z. B. stärker auf Schadfaktoren reagieren (Müller 2008, 2009). Zuverlässige Aussagen zu den direkten und indirekten Folgen des Klimawandels sind schwierig, weil es komplexe Wechselwirkungen zwischen potenziellen Wirtsbaumarten und dem Klimawandel gibt. Darüber hinaus lässt sich schwer beurteilen, wie potenzielle Schädlinge auf den Klimawandel reagieren. Sie haben zudem natürliche „Gegenspieler“, deren Reaktionen auf ein verändertes Klima ebenfalls zu berücksichtigen ist.

Die Unsicherheit von Vorhersagen ergibt sich außerdem aus den möglichen Arealverschiebungen der Baumarten. Schäden sind vor allem dann zu erwarten, wenn Baumarten infolge des Klimawandels in nun ungeeigneten Regionen verbleiben. Mit der Anpassung der Waldbewirtschaftung und durch natürliche Arealverschiebungen werden Baumarten aber auch in Regionen vorkommen, die für sie geeignet sind.

2.3 Mehr Kohlendioxid in der Atmosphäre

Nach verschiedenen Klimaszenarien entwickelt sich die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre bis 2100 auf Werte zwischen 400 ppm – RCP8.5 – 1370 ppm (Vuuren et al. 2011). Direkte Baumschäden und direkte Wirkungen auf abiotische und biotische Schadfaktoren dadurch sind sehr unwahrscheinlich. Eher wirken höhere CO2-Konzentrationen indirekt, indem sie die Modifikation der Nahrungsqualität der Pflanzen steigern (Docherty et al. 1997; Veteli et al. 2002; Whittaker 1999). Tendenziell steigen Biomasseproduktion und Stoffumsatz der Pflanzen – eventuell wirkt sich das auf Risikostreuung und Verteidigung aus. Auch der Knospenaustrieb verändert sich, potenzielle Schadfaktoren treffen auf andere Entwicklungsphasen der Bäume.

2.3 Steigende Temperatur

Die Erde wird wärmer: Die globale Oberflächentemperatur könnte bis 2100 um bis zu 4,8 °C steigen. Berücksichtigt man Unsicherheiten in den Klimaprojektionen, ist eine Steigerung um bis zu 7,8 °C möglich (IPCC 2014). Prinzipiell kann das direkt die Entwicklung von Insekten beeinflussen. Wärmere Blattoberflächen steigern die Fraßaktivität blattfressender Insekten, weniger Stickstoff in den Blättern dämpft oder stimuliert potenzielle Schadinsekten.

Nach der sogenannten Temperatursummenregel ist das Produkt aus wirksamer Temperatur und Entwicklungsdauer konstant (Schäfer 2003): je höher die Temperatur, desto schneller durchlaufen Insekten ihre Entwicklungsstadien. Unklar ist aber zumeist, ob sich das für eine bestimmte Art grundsätzlich positiv oder negativ auswirkt.

Bei stabilen Generationsfolgen von Insekten werden höhere Temperaturen vorrangig Entwicklungsstadien verkürzen, oder sie beginnen früher. Einige Insekten sind dadurch erfolgreicher und verursachen in kürzeren Zeitabständen Schäden. Hingegen verläuft etwa die Entwicklung der Forleule (Panolis flammea) ganz anders: Höhere Temperaturen in der Schwärmzeit verkürzen das Endstadium der Metamorphose, das Imaginalstadium. Dadurch kommt es zu einer unvollständigen Eiablage, und es gibt weniger Nachkommen (Escherich 1931; Majunke et al. 2000).

Bei variablen und temperaturgesteuerten Generationsfolgen ist bei höheren Temperaturen mit kürzeren Entwicklungszeiten oder einer Erhöhungen der Generationen pro Jahr zu rechnen. Schädlinge wie der Große braune Rüsselkäfer (Hylobius abietis) und der Blaue Kiefernprachtkäfer (Phaenops cyanea) dürften dann öfter als einjährige statt zweijährige Generationen vorkommen. Das bedeutendste mitteleuropäische rindenzerstörende (cambiophage) Insekt, der Große achtzähnige Fichtenborkenkäfer (Ips typographus), könnte zunehmend drei statt bisher zwei Generationen im Jahr hervorbringen. Doch wie stark würden diese Entwicklungen den Wald gefährden? Das ist selbst in diesen bekannten Fällen noch nicht abschließend untersucht (Schopf 1989). Die Schäden der Rüssel- und Kiefernprachtkäfer würde man zwar eventuell schnell sehen, aber es würden sich auch die Schadzeiträume verkürzen. Eine dritte Generation bei Ips typographus kann zusätzlichen Schaden anrichten. Das Ende der Eiablage im Spätsommer ist jedoch fotoperiodisch gesteuert (Schopf 1989). Nach bisherigen Erkenntnissen ist dieser Borkenkäfer nicht in der Lage, im Ei-, Larven- oder Puppenstadium zu überwintern (Schmidt-Vogt 1989), sodass sich eine nicht vollendete dritte Generation auch negativ auf die Populationsentwicklung auswirken könnte.

2.3 Invasive und partizipierende Arten

Steigt die Temperatur in Mitteleuropa, könnten sich bislang unauffällige Arten besser entwickeln (partizipierende Arten), an wärmeres Klima angepasste Arten würden einwandern (invasive Arten). Zu diesen Gruppen gehören beispielsweise die Prozessionsspinner (Thaumetopoea sp.), die Prachtkäfer (Buprestidae) oder auch der Kieferholznematode (Bursaphelenchus xylophilus), der Schwarze Nutzholzborkenkäfer (Xyloborus germanus) (Immler und Blaschke 2007) sowie der Erreger des Kieferntriebsterbens (Spaeropsis sapinea) (Hänisch et al. 2006; Heydeck 2007). Dabei ist jedoch zu prüfen, ob Vorkommen und Anpassung dieser Arten tatsächlich mit dem Klimawandel zu tun haben.

2.3 Extreme Witterung

Dürren, Überflutungen und Stürme können direkt den Wald schädigen. Sturm ist der bedeutendste direkte Schadfaktor in deutschen Wäldern. In den vergangenen Jahren nahmen Sturmschäden deutlich zu (Majunke et al. 2008). In deutschen Wäldern steigt zudem der Anteil sturmgefährdeter mittelalter und alter Bestände – sogar ohne Zunahme von Witterungsextremen muss man deshalb mit mehr Schadholz rechnen.

Durch Witterungsextreme – vor allem Niederschlag und Stürme – entsteht darüber hinaus jedoch auch eine höhere Prädispositionen der Bäume für schädigende Insekten. Mit den heutigen Aufarbeitungstechnologien lassen sich Massenvermehrungen von Borkenkäfern nach Dürre und Stürmen jedoch immer besser verhindern.

2.3 Arealverschiebungen und Waldbrandgefahr

Aus den klimabedingten Arealverschiebungen von Bäumen ergeben sich Gebiete, in denen die entsprechenden Baumarten künftig nicht mehr existieren können (Krisengebiete). Zudem entstehen Gebiete, in denen sich bestimmte Arten neu ansiedeln werden (Initialgebiete). In den Krisengebieten werden Bäume empfindlicher gegenüber biotischen Schadfaktoren und von diesen vermehrt heimgesucht. Außerdem werden sich Folgeorganismen, die bisher kaum in Erscheinung traten, stärker zu Erstbesiedlern entwickeln. In Initialgebieten, in denen sich die andernorts verdrängten Baumarten neu ansiedeln oder angebaut werden, bilden sich neue Lebensräume. Dorthin expandieren auch potenzielle Schadorganismen, deren Population nach einer Anfangsphase exponentiell wächst und sich an den neuen Lebensraum anpasst. Ein markantes Beispiel: Verschiedene Arten von Kurzschwanzmäusen besiedeln bereits heute Waldumbauflächen.

Die von Klimaszenarien skizzierten Änderungen, u. a. Wassermangel, erhöhen die Waldbrandgefahr (Badeck et al. 2004; Hänisch et al. 2006; SMUL 2008). Aber die Waldstrukturen verändern sich, sodass die besonders gefährlichen und schwer bekämpfbaren Vollfeuer – das sind Brände vom Boden bis zur Kronenschicht – unwahrscheinlicher werden könnten. Außerdem sind Waldbrandvorbeugung, -überwachung und -bekämpfung sehr effektiv. Wird der Schutz vor Waldbränden beibehalten und weiterentwickelt, lässt sich die Waldbrandgefahr trotz Klimawandels in Deutschland wahrscheinlich beherrschen (Müller 2004, 2008, 2009).

2.4 Temperatur und Niederschläge beeinflussen Produktivität

Die Hitzewelle im Sommer 2003 lässt die Auswirkungen des Klimawandels auf den Wald erahnen. Der Kronenzustand als ein Indikator für die Vitalität eines Baumes hat sich 2003 bei den meisten Baumarten deutlich verschlechtert – Trockenheit und Hitze mit den damit verbundenen Wassermangelerscheinungen sind dafür eine plausible Erklärung (ICP 2004). Eine Projektion mit mehreren globalen Klimamodellen weist jedoch darauf hin, dass durch den zu erwartenden Klimawandel europaweit etwas mehr Flächen entstehen, auf denen Wald gedeihen kann (Schröter et al. 2005). Neben dem Management (Köhl et al. 2010) beeinflusst wohl auch die Änderung der Niederschläge entscheidend die Produktivität von Wald. Nehmen die Niederschläge zu, könnte in Deutschland bei drei von vier Hauptbaumarten die Produktivität um bis zu 7 % steigen. Wird es eher trockener, geht die Produktivität besonders an wasserarmen Standorten um 4–16 % zurück (Lasch et al. 2005; Lindner et al. 2010). Der Sommer 2003 hat zudem gezeigt: Bei Trockenheit und Wassermangel betreiben Wälder weniger Fotosynthese und mehr Atmung, sodass sie zu CO2-Quellen werden (Dobbertin und de Vries 2008; Kap. 17). Damit wird in den Trockenperioden die Kohlenstoffspeicherleistung der Wälder vermindert.

2.5 Kohlenstoffhaushalt: von der Senke zur Quelle

Seit 1990 nimmt die Leistung des Waldes als Kohlenstoffsenke auf bewirtschafteten Flächen in Deutschland ab (Krug et al. 2009). Diese Entwicklung ist einerseits dem Altersklassenaufbau der Aufforstungen nach dem 2. Weltkrieg geschuldet – damals wurden durch Insektenbefall und die sog. „Reparationshiebe“ der Alliierten zerstörte Wälder wieder aufgeforstet. Andererseits resultiert die verringerte Senkenleistung aus der zyklischen Nutzung. Spätestens seit 2002 werden der Vorratsaufbau und vergangene Mindernutzungen verstärkt mobilisiert und führen zu einer stetigen Abnahme der Senkenleistung, da kurz- bis mittelfristig mehr Kohlenstoff durch Altbestandsernte freigesetzt wird, als durch nachwachsende Jungbestände sequestriert werden kann.

Auf Basis der Waldentwicklungs- und Holzaufkommensmodellierung (WEHAM) wurde unabhängig von den Auswirkungen des Klimawandels projiziert, dass der deutsche Wald in den kommenden vier Jahrzehnten von einer CO2-Senke zu einer CO2-Quelle werden wird (Dunger et al. 2005; Dunger und Rock 2009; Polley und Kroiher 2006; Krug et al. 2010).

3 Anpassung in der Forstwirtschaft

Die Anpassung der Bewirtschaftung an den Klimawandel zielt auf eine höhere Vitalität von Wäldern. Anpassungen an Niederschlagsdefizite und höhere Temperaturen lassen sich mit Veränderungen in der Baumartenwahl (Lasch et al. 2005), der Bestandsstruktur etwa durch geringere Stammzahlen, neuen Durchforstungsmethoden, Verjüngungskonzepten oder im Anbau trockenresistenter Herkünfte realisieren (Reyer et al. 2009).

In der Forstwirtschaft sind Entscheidungen langfristig. Zudem bestehen komplexe Wechselwirkungen zwischen dem regionalen Klimawandel und ökologischen, ökonomischen sowie sozialen Faktoren. Das alles erhöht das Produktionsrisiko im Wald (Taeger et al. 2013). Somit hängt viel von der Auswahl der richtigen Baumarten oder den richtigen Herkünften bereits angebauter Arten ab, die mit den erwarteten Umweltbedingungen besser zurechtkommen (Bolte et al. 2009). Mit dem Anbau trockenstressresistenter Pflanzen lässt sich die Forstwirtschaft offenbar an den Klimawandel anpassen (Fyllas und Troumbis 2009; Temperli et al. 2012). Jedoch müssen Auswahl und Mischung der Baumarten regional betrachtet werden. Standortbedingungen, der projizierte regionale Klimawandel und die Reaktion der einzelnen Arten darauf müssen berücksichtigt werden (Temperli et al. 2012). So wurde im Zuge großflächiger Aufforstungen nach den „Reparationshieben“ (Abschn. 19.2.5) die trockenanfällige Gemeine Fichte in klimatisch nur bedingt geeigneten Gebieten angebaut, sodass es heute ein Ungleichgewicht zwischen Standort und Klimabedingungen gibt. Durch den Klimawandel wird sich dieses verstärken und auf weitere Gebiete ausbreiten (Ludemann 2010).

Köhl et al. (2010) haben die Auswirkungen von unterschiedlichen Bewirtschaftungszielen bei verschiedenen Klimaszenarien untersucht. Die drei Waldbewirtschaftungstypen haben unterschiedliche Ziele: Der „Gewinnmaximierer“ nutzt den Wald, sobald der Wertzuwachs unter 2 % sinkt. Der „Waldreinertragsmaximierer“ nutzt den Wald beim Maximum des mittleren jährlichen Ertrags. Und der „Zielstärkennutzer“ bewegt sich nah an naturnaher Waldwirtschaft und nutzt Bäume ab einem definierten Zieldurchmesser. Das Ergebnis: Je nach Bewirtschaftungstyp und Klimaszenario verändert sich von 2000 bis 2100 neben der Holzproduktion und der Baumartenzusammensetzung auch die Menge an Waldkohlenstoff (Abb. 19.2). Dabei beeinflusst unter den in der Studie vorausgesetzten Randbedingungen die Waldbewirtschaftung die künftige Bestandsentwicklung stärker als der Klimawandel. Ähnliches wurde für boreale Wälder berichtet (Alam et al. 2008; Garcia-Gonzalo et al. 2007; Briceño-Elizondo et al. 2006).

Abb. 19.2
figure 2

Veränderung des Waldkohlenstoffspeichers [tC/ha] zwischen 2000 und 2100 nach Waldbewirtschaftungstypen und Klimaszenarien (rot Speicherabnahme, grün Speicherzunahme, gelb keine Speicheränderung)

Da Anpassungsplanungen im forstlichen Bereich langfristige Konsequenzen haben, ist eine fortlaufende, kritische Überprüfung der gewonnenen Erkenntnisse auf der Grundlage neuer Ergebnisse der Klimaforschung mit mehreren und neueren Modell- und Szenarienensembles unabdingbar (Krug et al. 2010a).

4 Kurz gesagt

In der Vergangenheit haben sich Wälder an die geringen Veränderungen des am Wuchsort herrschenden Klimas angepasst. Die gegenwärtige Geschwindigkeit des Klimawandels in Verbindung mit der aktuellen Verteilung der Baumarten überfordert jedoch die natürliche Anpassung. Vegetationszonen, Verbreitungsgebiete der Baumarten und Artzusammensetzung der Wälder verschieben sich. Sowohl die höheren Temperaturen als auch die veränderte Verteilung der Niederschläge sowie zunehmende Extremereignisse werden sich auf die Waldökosysteme auswirken. Trockenstress durch weniger Sommerniederschläge und die dadurch beschleunigte Entwicklung von Insekten sowie die steigende Gefahr von Waldbränden und Stürmen werden die Anfälligkeit der Bäume erhöhen.

In Mitteleuropa wird der Eichenwald zunehmen, beginnend in den Tieflagen. Der Buchenwald wandert von den Tieflagen in die Mittelgebirge. Dort werden sich die Kiefern- und Fichtenwälder allmählich zurückziehen.

Bei Anpassungsstrategien spielen somit die Waldbewirtschaftung sowie die standort- und klimaangepasste Auswahl der Baumarten eine große Rolle. Geeignete Strategien berücksichtigen auch die Produktion des Rohstoffs und Energieträgers Holz. So lässt sich die Funktion von Wäldern als Zwischenspeicher im globalen Kohlenstoffkreislauf sichern und fördern. Holzprodukte können zudem energieintensive Materialien und fossile Energieträger ersetzen und zu einer Reduktion der Treibhausgasemissionen beitragen.