Zusammenfassung
Welche Rolle spielt die „Wende“ im Leben von ehemaligen DDR-Bürgern bei der narrativen Konstruktion ihrer Lebenserfahrungen? Aufbauend auf Theorien zum kollektiven, und kulturellen Gedächtnis beschäftigt sich dieser Beitrag mit den Konzepten von Ereignis und Gedächtnis und der Frage wie sich dieses theoretische Spannungsverhältnis in den narrativen Identitätskonstruktionen ehemaliger DDR-Bürger niederschlägt. Um die narrativen Konstruktionen Ostdeutscher erfassen zu können, wurden 23 narrative Interviews mit ehemaligen DDR-Bürgern geführt, in denen die eigene Lebensgeschichte zunächst als spontane Erzählung wiedergegeben wurde. Die Analyse der spontanen Lebensgeschichten und der daran anschließenden semi-strukturierten Interviews zeigt, dass die „Wende“ vor allem dann als wichtiges Ereignis in autobiografischen Erzählung auftaucht, wenn sie zeitgleich mit konkreten Ereignissen, wie z. B. Arbeitslosigkeit oder Arbeitsstellenwechsel als Folge der Wiedervereinigung auftrat. War dies nicht der Fall und tauchten identitätsverändernde Ereignisse erst nach 1990 auf, wurde die „Wende“ in der Regel nicht als auslösender Faktor für diese persönlichen Umbrüche gesehen.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Notes
- 1.
Alle Klarnamen sowie Ortsnamen wurden durch Fantasienamen ersetzt, die jedoch dem Charakter des ursprünglichen Namens entsprechen. Aus einer Gisela wird z. B. eine Brigitte und aus der Stadt Eberswalde wird z. B. die Stadt Bad Freienwalde.
Literatur
Assmann, J. (1988). Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität. In J. Assman & T. Holscher (Hrsg.), Kultur und Gedächtnis (S. 9–19). Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Bahrmann, H., & Links, C. (2009). Die Chronik der Wende: Die Ereignisse in der DDR zwischen 7. Oktober 1989 und 18. März 1990. Berlin: Christoph Links Verlag.
Berdahl, D. (2010). On the Social Life of Postsocialism: Memory, Consumption, Germany. Bloomington: Indiana University Press.
Culler, J. (1980). Fabula and Sjuzhet in the Analysis of Narrative: Some American Discussions. Poetics Today, 1(3), 27–37.
Glaser, B., & Strauss, A. (1967). The Discovery of Grounded Theory. Chicago: Aldin.
Gergen, M. (1988). Narrative Structures in Social Explanation. In C. Antaki (Hrsg.), Analysing Everyday Explanation (S. 94–112). London: Sage.
Giddens, A. (1991). Modernity and Self-Identity. Self and Society in the Late Modern Age. Cambridge: Polity.
Glinka, H.-J. (1998). Das narrative Interview. Eine Einführung für Sozialpädagogen. Weinheim: Juventa.
Halbwachs, M. (1980). The Collective Memory. New York: Harper & Row Colophon Books.
Keupp, H., & Höfer R. (Hrsg.). (1997). Identitätsarbeit heute: Klassische und aktuelle Perspektiven der Identitätsforschung. Frankfurt a. M: Suhrkamp.
Keupp, H., Ahbe, T., Gmür, W., Höfer, R., Mitzscherlich, B., Kraus, W., & Straus, F. (2008 [1999]). Identitätskonstruktionen. Das Patchwork der Identitäten in der Spätmoderne. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.
Mayer, K.-U. (2006). Society of Departure: The German Democratic Republic. In M. Diewald, A. Goedicke, & K.-U. Mayer (Hrsg.), After the Fall of the Wall. Life Courses in the Transformation of East Germany (S. 29–43). Stanford: Stanford University Press.
Meyen, M. (2013). Wir haben freier gelebt. Die DDR im kollektiven Gedächtnis der Deutschen. Bielefeld: transcript.
Olick, J. K. (1999). Collective Memory: The Two Cultures. Sociological Theory, 17(3), 333–348.
Scholz, S. (2004). Männlichkeit erzählen: Lebensgeschichtliche Identitätskonstruktionen ostdeutscher Männer. Münster: Westfälisches Dampfboot.
Schuman, H., & Corning, A. (2014). Collective Memory and Autobiographical Memory: Similar but not the Same. Memory Studies, 7(2), 146–166.
Schütze, F. (1984). Kognitive Figuren des autobiographischen Stegreiferzählens. In M. Kohli & G. Robert (Hrsg.), Biographie und Soziale Wirklichkeit: neue Beiträge und Forschungsperspektiven (S. 78–117). Stuttgart: Metzler.
Schütze, F. (1993). Biographieforschung und narratives Interview. Neue Praxis, 13(3), 283–293.
Wagner-Pacifici, R. (2010). The Restlessness of Events. American Journal of Sociology, 115(5), 1351–1386.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2016 Springer Fachmedien Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Lorek, M. (2016). Die „Wende“ in Lebenserzählungen ehemaliger DDR-Bürger. Zum Verhältnis von „autobiografischem Gedächtnis“ und „kollektivem Ereignis“. In: Matthäus, S., Kubiak, D. (eds) Der Osten. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-06401-3_6
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-06401-3_6
Published:
Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-658-06400-6
Online ISBN: 978-3-658-06401-3
eBook Packages: Social Science and Law (German Language)