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Die Aufgaben der Kultursoziologie

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Zusammenfassung

Die Aufgaben einer Kultursoziologie sind kaum losgelöst von der allgemeinen Lage des Faches zu bestimmen. Hier aber herrscht die Auffassung, daß die Gesellschaft durch jene äußeren Gliederungen bestimmbar sei, die überall am sozialen Leben ins Auge springen und heute summarisch als Struktur bezeichnet werden. Dieses Konzept der Gesellschaft ist, wie noch zu zeigen sein wird, eher das Ergebnis verschiedener Umstände als einer grundsätzlichen Entscheidung oder empirischer Beweise gewesen.

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Notes

  1. 1.

    Ungeachtet dieser Tatsache gewinnt die symbolische Welt der Kultur erst dort ihren besonderen Charakter. wo sie über die unmittelbare Bewältigung der äußeren Welt hinauszielt.

  2. 2.

    Noch vor wenigen Jahrzehnten pflegten Einführungen in die Soziologie die Gesellschaft auch als »shared cultural heritage« zu erläutern. Dieser Befund kann heute über den Begriff der »Sozialisation« nicht mehr in den Blick kommen. Vgl. hier Anm. 6

  3. 3.

    Durkheims representations collectives bieten ein Beispiel.

  4. 4.

    Vgl. A. L. Kroeber und T. Parsons, The Concepts of Culture and of Social System, in: American Sociological Review, 23, 1958, S.582ff.

  5. 5.

    Ungeachtet seiner historischen Kenntnisse ließ der Soziologe Parsons die zu »Normen und Werten« verblaßte Kultur als Geist über allen Gesellschaften schweben. Die Systemvorstellung seines evolutionären Optimismus verlangte die Versicherung, daß diese Werte sich angemessen von selbst bilden.

  6. 6.

    Die lt Sozialisation« war urspünglich die Einfiihrung in die Kultur und wurde von T. Parsons und R. F. Bales, FamUy: Socialization and Interaction Process, Glencoe, m., 1955 ausdrücklich so beschrieben. Die Sozialpsychologie berorderte die Bedeutung des ltsozialen Lernens«, das in der Folge in rollen- und gruppenspezifische Vorgänge aufgelöst wurde und mit der Renaissance des Marxismus den Charakter der gesellschaftlichen Dressur annahm. In seiner heruntergekommenen Form wurde der Begriff von den Erziehungswissenschaften bei ih rcr Bekehrung zur Sozialwissenschaft ahnungslos übernommen und zum Grundstein ihrer lheorien und Reformen gemacht. ohne jeden Versuch. sich der problematischen Bedeutung des Begriffs zu versichern. Man muß das wohl Wissenschaft aus dritter Hand nennen.

  7. 7.

    Die verschiedenen Wellen des älteren Positivismus haben stets Versuche ausgelöst, »ein natürliches System geschichtlicher Perioden« (Ottokar Lorenz, Die Geschichtswissenschaft in Hauptrichtungen und Aufgaben, Leipzig 1880) im Sinne äußerer Regelmäßigkeiten zu finden. Auch spätere Versuche wie A. L. Kroeber, Configurations of Culture Growth, Berkeley and Los Angeles 1944, endeten kläglich oder beeinträchtigten, wie bei P. A. Sorokin, vernünftige Ansätze. Mit der Erwartung äußerer Regel- oder Gesetzmäßigkeiten konnte die Soziologie den Kulturtatsachen nirgends beikommen und ließ sie deshalb aus dem Spiel.

  8. 8.

    Bis in das 18. Jahrhundert hinein war der Ausdruck in allen Sprachen an einen Genitiv, der das zu kultivierende Objekt anzeigte. gebunden und blieb es in Frankreich, das an Stelle der Kultur die Zivilisation zum tragenden Begriff machte, bis vor kurzem. während sich in Deutschland. England, Rußland und anderen Ländern. mit diesen oder jenen Maßgaben. der Kulturbegriff durchsetzte. Für England verfügen wir über eine zwar einseitige Studie. die aber doch als ein Versuch. den Wortgebrauch nicht nur begrüfsgeschichtlich abzuhandeln.sondern auch soziologisch zu untersuchen. Beachtung und Nachahmung verdient hätte. Es handelt sich um. Raymond Williams. Culture and Society 1780-1950. Harmondsworth 1958.

  9. 9.

    Und zwar von niemand Geringerem als Isaiah Berlin, Vico and Herder, London 1976

  10. 10.

    Die Arbeiterbildungsvereine, keineswegs beschränkt auf praktisches Berufswissen, entwikkelten sich wesentlich aus dem Bedürfnis, die drei großen Bereiche der neuen säkularen Kulturbestände, nämlich zuerst die Ideen der Aufklärung und das nationale Bildungsgut, dann auch das Weltbild der Naturwissenschaften nachzuholen. Die Formierung der Arbeiterschaft läuft in hohem Maße über diese kulturellen Prozesse, welche die ökonomischen und politischen Interessen erst schaffen, frei setzen oder richten.

  11. 11.

    Der in dem Rationalismus wurzelnde Fortschrittsbegriff der französischen Aufklärung, der eine streng gesetzmäßige universelle Entwicklung aufgrund des äußeren Fortschritts der Wissenschaften und Künste postulierte, bot keinen Raum für den Kulturbegriff, an dessen Stelle folgerichtig der Zivilisationsbegriff trat, der aber die gleiche Funktion des säkularen gesellschaftlichen Selbstverständnisses erfüllte.

  12. 12.

    Obschon man weitgehend noch wie selbstverständlich mit technischen, wirtschaftlichen und sozialen Fortschritten rechnet, ist der Fortschrittsbegriff zweifelhaft geworden und gerade das Vertrauen in die Wissenschaft und den Kulturfortschritt hat sich verloren

  13. 13.

    Sprachliche Neuerungen wie »Kulturbetrieb«, »Freizeitkultur«, »Alltagskultur« u. ä. registrieren diese Verschiebung.

  14. 14.

    Simmel weigerte sich ausdrücklich, in der Gesellschaft etwas anderes zu sehen als eine Vielzahl verschiedener Vergesellschaftungen. Das war auch Max Webers Auffassung. (420).

  15. 15.

    Es gehört zu dem evolutionären Inventar der Soziologie, daß sie die soziale Wirklichkeit in »Gesellschaften« als Untersuchungseinheiten aufteilt, diesem Begriff aber absichtsvoll keine Kriterien beifügt. Es wird höchste Zeit, wieder zu den Vorstellungen Simmels und Webers zurückzukehren, für die sich nicht nur innerhalb einer Gesellschaft verschiedene Vergesellschaftungen in- und übereinander schoben, sondern grundsätzlich verschiedene Einheiten bestanden, die nicht zur Deckung gebracht werden konnten, also kulturelle, politische, staatliche, ethnische usw. Vergesellschaftungen durcheinanderliefen, welche die Soziologie im Spiel halten oder je nach Fragestellung auswählen muß. So hat Max Weber beispielsweise für seine universalgeschichtlichen Studien die Kulturkreise der Weltreligionen für die entscheidenden Einheiten gehalten, die nach gängigem Gesellschaftsbegriff gar nicht existieren dürften. Der soziologische Gesellschaftsbegriff schottet das Dach denn auch gegen wesentliche Entwicklungen ab. Die grenzüberschreitenden Prozesse, Gebilde und Vergesellschaftungen sozialer, politischer oder kultureller Natur kommen nicht in den Blick, weil sie durch die Brille dieses Gesellschaftsbegriffs nicht gesehen werden können, und selbst die Eigenarten der »Gesellschaften« drohen stets hinter dem Gesellschaftsmodell zu verschwinden. Schon die Konstruktion der gesellschaftlichen Entwicklung als einer Differenzierung oder Modernisierung, die, sieht man einmal von speziellen Obertragungs- und Imitationsprozessen ab, im Grunde in einer Gesellschaft abgelaufen ist, zeigt, wie tief die Soziologie in die Ansätze des evolutionären Denkens des 18. Jahrhunderts verstrickt geblieben ist. Sie arbeitet im Grunde noch immer mit einem evolutionären Ein-Gesellschaft-Modell. Vgl. dazu meine Ausführungen, F. H. Tenbruck, Die Soziologie vor der Geschichte, in: P. C. Ludz (Hrsg.), Soziologie und Sozialgeschichte, Sonderheft 16 der KZfSS, Opladen 1973, S.29-58.

  16. 16.

    Man hat, wie ich demnächst darstellen werde, versucht, die von Max Weber der Wissenschaft verordnete Werturteilsfreiheit auf die Gesellschaft zu überwälzen.

  17. 17.

    Diese Konstruktion geht irrigerweise von der Annahme aus, daß alle Orientierungs- und Wertfragen nur durch Auskunft über einen letzten Sinn von Welt und Leben beantwortet werden können und deshalb unter Bedingungen geistiger Freiheit in der Tat dem Glauben des Einzelnen oder besonderer Gemeinschaften zu überlassen sind, welche, indem sie Orientierungsbedürfnisse absättigen, die Gesellschaft von störenden Sinnfragen entlasten.

  18. 18.

    Ich halte mich hier an die Formulierung, die Max Weber in der Freiburger Antrittsvorlesung (Gesammelte Politische Schriften, Tübingen 1958, S.12) benutzt hat. Sie ist, soweit ich sehe, die früheste Fassung jenes bleibenden Motives (also: jener allgemeinsten »theoretischen Wertbeziehung«), das Max Weber in seinen Fragen leitete.

  19. 19.

    Schon Chr. v. Ferber, Der Werturteilsstreit 1909/1959, in: KZfSS, jg. 11, 1959, S.30, hat richtig »der verbreiteten und naheliegenden Ansicht« widersprochen, die Werturteilsfreiheit im Sinne Max Webers stelle die Geburtsurkunde der Soziologie als empirischer Gegenwartswissenschaft dar. Es bedarf aber noch der Einsicht, warum Max Weber von der Werturteilsfreiheit zu seinem universalgeschichtlichen und kultursoziologischen Konzept fortschritt, und genauer: warum er dieser Art von verstehender Soziologie eine überlegene Gegenwartsbedeutung zusprach. J. Weiß, Max Webers Grundlegung der Soziologie, München 1975, hat das in einem lebensweltlichen Kontext herausgearbeitet. Es bleibt aber noch grundsätzlicher festzustellen, daß Max Weber, fernab von jedem Dezisionismus, die Aufschlüsselung der Kulturlage durch die verstehende Soziologie als Hilfe für ihre angemessen verantwortbare Bewältigung verstand. Gerade die unter das Gebot der Werturteilsfreiheit gestellte Soziologie sollte durch die objektive Darstellung der Kulturgenese Klarheit über die Kulturlage schaffen. (421).

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© 2014 Springer Fachmedien Wiesbaden

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Tenbruck, F. (2014). Die Aufgaben der Kultursoziologie. In: Moebius, S., Albrecht, C. (eds) Kultur-Soziologie. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-02254-9_5

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