Skip to main content

§ 2 Historische Entwicklung der Tierarzthaftung

  • Chapter
  • First Online:
  • 1275 Accesses

Part of the book series: MedR Schriftenreihe Medizinrecht ((MEDR))

Zusammenfassung

Nach heutigen Erkenntnissen nahm die Tierheilkunde ihren Anfang vor etwa 5000 Jahren. Erste Aufzeichnungen zu tierärztlichen Tätigkeiten stammen aus der Zeit um 1850 v. Chr. Sie dokumentieren bereits die Möglichkeit des Fehlgehens einer tierärztlichen Operation. Auch in einer Schrift aus der indischen Frühzeit zur Elefantenheilkunde heißt es warnend: „Der Elefant stirbt leichter durchs Messer des Arztes als an starken Störungen der Leibesstoffe“. Wendet man sich den in der vorliegenden Arbeit betrachteten Konsequenzen eines Fehlschlagens für den behandelnden Tierarzt zu, so ist die älteste bekannte, sich mit der Haftung des Tierarztes befassende Quelle der um 1750 v. Chr. entstandene Kodex Hammurabi. Neben §§ 215 bis 223, die sich mit der Berufstätigkeit des Humanmediziners befassen, enthalten die §§ 224 bis 225 Regelungen zur Entlohnung und Haftung des „Arzt[es] der Rinder und der Esel“. Das Haftungsrecht des Kodex ist dabei vom alten Grundsatz geprägt, bei Vorfällen unter freien Bürgern Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Dies führte – da dem Kodex keinerlei Tierschutzgesichtspunkte zugrunde lagen, Tiere somit nur als Teil des Vermögens des Halters angesehen wurden – beim Humanmediziner zu deutlich drastischeren Konsequenzen im Falle des Fehlschlagens einer Operation als beim Tierarzt. So drohte dem Humanmediziner bei Verlust des Augenlichts seines Patienten infolge einer Augenoperation das Abhacken seiner Hände, wohingegen der Tierarzt im Falle des Versterbens eines behandelten Tieres dem Eigentümer lediglich einen Teil des Kaufpreises zu ersetzen hatte. Konzeptionell wurde die Haftung direkt an den Ausgang einer Behandlung geknüpft, sodass nicht der Verstoß gegen anerkannte veterinärmedizinische Behandlungsmethoden, sondern einzig der negative Behandlungsausgang im Sinne einer Erfolgshaftung zur Einstandspflicht des Arztes führte.

This is a preview of subscription content, log in via an institution.

Buying options

Chapter
USD   29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD   99.00
Price excludes VAT (USA)
  • Available as EPUB and PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD   89.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Learn about institutional subscriptions

Notes

  1. 1.

    v. d. Driesch/Peters, Geschichte der Tiermedizin, S. VII. Diese Zahl überrascht, angesichts einer nach aktuellen Erkenntnissen auf eine nur 3000-jährige Historie zurückblickenden Humanmedizin (a. a. O.). Der Grund hierfür ist wohl darin zu sehen, dass die Tiermedizin in ihren Anfängen keine Schwesterwissenschaft zur Humanmedizin war, vielmehr nahmen erste tiermedizinische Tätigkeiten ihren Ursprung im Bereich der Tierhaltung, sind somit landwirtschaftlicher Natur (ebenda S. 31). Ähnlich Schwendimann, Die Entwicklung, S. 3.

  2. 2.

    Bemmann, Pferdeheilkunde 2008, 701 (702); v. d. Driesch/Peters, Geschichte der Tiermedizin, S. 16; Schulze, Die zivilrechtliche Haftung, S. 7.

  3. 3.

    v. d. Driesch/Peters, Geschichte der Tiermedizin, S. 16; Schulze, Die zivilrechtliche Haftung, S. 7.

  4. 4.

    Zimmer, Spiel um den Elefanten, S. 168; Schulze, Die zivilrechtliche Haftung, S. 7.

  5. 5.

    Teilweise auch „Kodex Hamurapi“ geschrieben; es handelt sich dabei um eine Rechtssammlung des König Hammurapis von Babylon. Sie ist gleichzeitig eine der ältesten Gesetzessammlungen der Welt, vgl. hierzu Gerlach, in: FS Geiß, S. 391 ff.

  6. 6.

    Hier ist insb. interessant, dass bereits damals die ärztliche Heilbehandlung als Körperverletzung qualifiziert wurde, sich somit mit der auf das RG zurückgehenden und insb. früher vielfach kritisierten aber noch immer aktuellen Einordnung der Rspr. deckt, vgl. Gerlach, in: FS Geiß, S. 389 (395).

  7. 7.

    Siehe hierzu Eilers, Die Gesetzesstele Chammurabis, S. 47 f.

  8. 8.

    v. d. Driesch/Peters, Geschichte der Tiermedizin, S. 25.

  9. 9.

    Siehe hierzu § 218 und § 225 des Kodex, abgedruckt bei Eilers, Die Gesetzesstele Chammurabis, S. 47 f.

  10. 10.

    Was freilich auch auf die Beschränkung der überhaupt normierten Tatbestände auf chirurgische Eingriffe zurückzuführen ist, vgl. Gerlach, in: FS Geiß, S. 394 f.

  11. 11.

    Einen Überblick über die Entwicklung der Tiermedizin gibt Schwendimann, Die Entwicklung, S. 3 ff.

  12. 12.

    Zur Gründung der ersten „école vétérinaire“ Europas 1761 in Lyon sowie der weiteren Ausbreitung Koch, in: Veterinärmedizin in Berlin, S. 9 ff.

  13. 13.

    So beklagt Anacker bereits 1857, dass „Aberglaube und lückenhafte Kenntnis alle Zweige der Thierheilkunde bis zum achtzehnten Jahrhundert sehr mangelhaft erscheinen ließ“ und begründet dies mit der sich erst „mit der Gründung von Thierarzneischulen wissenschaftlich ausbilden(den)“ Tierheilkunde, vgl. Anacker, Veterinär-Polizei, S. 1 f.

  14. 14.

    Bemmann, Pferdeheilkunde 2008, 701; vgl. auch Gerhards, in: Pferdekauf heute, S. 216, der in diesem Kontext von der „Stallmeisterzeit“ spricht.

  15. 15.

    Wortgewaltig Sander, Vermischte Beiträge, S. XVIII ff., der sich um die Zahl der „Pfuscher“ und „rohen ungebildeten Menschen“ im Berufsstand der Tierärzte sorgt, die „das ganze thierärztliche Fach für immer in der schlechten Achtung erhalten“. weiter auf Seite XIX: „Werden sie nicht als gemeine und rohe Menschen sich der Gemeinheit schuldig machen, wodurch der gebildete und eben dadurch bescheidenere Mann zurückgedrängt wird? (…) Ein wirklicher und gebildeter Thierarzt wird sich beides nicht zu Schulden kommen lassen“. Hierzu passt die Unterstellung des historischen Gesetzgebers bei Einführung des Viehgewährleistungsrechts im Jahre 1897, die Tierärzte sein nicht auf der Höhe der wissenschaftlichen Entwicklung, Nachweis bei Adolphsen, AgrarR 2001, 203 (206).

  16. 16.

    Anacker, Veterinär-Polizei, S. 204 ff.; vgl. auch Berger, Die tierärztliche Kaufuntersuchung, S. 38, der auf ältere Quellen hinweist, in denen Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Kaufuntersuchung ebenfalls als für Käufer und Verkäufer unangenehm bezeichnet werden, ohne auf Konfliktpotential für den Tierarzt einzugehen.

  17. 17.

    Vgl. Anacker, Veterinär-Polizei, S. 214 ff.

  18. 18.

    Ohnehin sind die Pflichten eher abstrakt gehalten und zielen z. T. auf ein sittliches Verhalten als ehrbarer und aufrichtiger Tierarzt, vgl. Anacker, Veterinär-Polizei, S. 23 f.

  19. 19.

    Vgl. hierzu etwa Kinzler, Tierärztliche Praxis 1983, 129 ff.; zu Gründen Dehner, Der praktische Tierarzt 1957, 22 ff.; sowie Eikmeier, Der praktische Tierarzt 1978, 310 (311).

  20. 20.

    Vgl. etwa Dehner, Der praktische Tierarzt 1957, 22 ff.; sowie aus dem Jahre 1962 Hausmann/ Bledl, Tierärztliche Kunstfehler.

  21. 21.

    Schulze, Die zivilrechtliche Haftung, S. 8.

  22. 22.

    Frei übersetzt als „[Wo] kein Kläger, [da] kein Richter“.

  23. 23.

    RGZ 102, 372 ff.; Schulze, Die zivilrechtliche Haftung, S. 8.

  24. 24.

    Vgl. zum Begriff der Verkehrssicherungspflicht, sowie zum sog. Milzbrandfall des RG Wagner, in: MünchKomm-BGB, § 823 Rn. 50; zum Begriff auch Krause, in: Soergel, § 823 Anh. II Rn. 1; Esser/Weyer, Schuldrecht II/2, § 55 II. 3. e) (S. 173 in Fn. 150.).

  25. 25.

    BGH, MDR 1958, 219; BGH, MDR 1961, 122 = JZ 1961, 235 f.; BGH, VersR 1961, 905 ff.

  26. 26.

    Bei der MKS handelt es sich um eine hoch ansteckende Viruserkrankung, die insb. bei Rindern und Schweinen auftritt, ausführlich dazu Heckert, in: Busch/Methling/Amselgruber, Tiergesundheits- und Tierkrankheitslehre, S. 195 f.

  27. 27.

    BGH, VersR 1959, 105 f.: kein Anscheinsbeweis bei Ausbruch von MKS innerhalb der Inkubationszeit nach einem Besuch des Tierarztes.

  28. 28.

    BGH, NJW 1977, 1102 ff = VersR 1977, 546 ff. = MDR 1977, 828 f.; Schulze, Die zivilrechtliche Haftung, S. 8.

  29. 29.

    Ausführlich dazu vgl. unten § 3.

  30. 30.

    Hierzu sowie zu den voraussichtlichen Auswirkungen der sog. Schuldrechtsmodernisierung des Jahres 2002 (BGBl. 2001 I S. 3138) durch die Regelung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vgl. Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XI, Rn. 120 ff.

  31. 31.

    So ist der Humanmediziner gehalten, sich bis an die Grenze des Zumutbaren über die Erkenntnisse und Erfahrungen der Wissenschaft zu unterrichten, vgl. BGH, NJW 1968, 1181 = VersR 1968, 276 (st. Rspr.), siehe auch RGSt 64, 263 (269).

  32. 32.

    Siehe BGH, NJW 1977, 1102 (1103).

  33. 33.

    Hierzu bereits Schulze, Die zivilrechtliche Haftung, S. 8.

  34. 34.

    BGH, NJW 1980, 1904 f. = VersR 1980, 652 f. = MDR 1980, 661.

  35. 35.

    BGH, NJW 1982, 1327 f. = VersR 1982, 435 f. = MDR 1982, 568.

  36. 36.

    BGH, NJW 1983, 2077 f. = AgrarR 1983, 308 f. = VersR 1983, 665 f.

  37. 37.

    BGH, NJW-RR 1986, 899 f. = AgrarR 1987, 196 = VersR 1986, 817 ff.

  38. 38.

    BGH, NJW 2012, 2070 f.; BGH, NJW 2012, 2071 f.; BGH, VersR 2012, 1129 (1130) = Urt. v. 26.01.2012, Az. VII ZR 164/11; BGH, Urt. v. 22.03.2012, Az. VII ZR 129/11.

  39. 39.

    Vgl. dazu im Kontext der Behandlung insb. § 7 B., im Kontext der Aufklärung insb. § 8 C. und D. sowie im Kontext der Kaufuntersuchung insb. § 9 C.

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Corresponding author

Correspondence to Eike Bleckwenn .

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2014 Springer-Verlag Berlin Heidelberg

About this chapter

Cite this chapter

Bleckwenn, E. (2014). § 2 Historische Entwicklung der Tierarzthaftung. In: Die Haftung des Tierarztes im Zivilrecht. MedR Schriftenreihe Medizinrecht. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-40678-2_2

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-642-40678-2_2

  • Published:

  • Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg

  • Print ISBN: 978-3-642-40677-5

  • Online ISBN: 978-3-642-40678-2

  • eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)

Publish with us

Policies and ethics