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Nochmals: Niederlage oder Befreiung am 8. Mai 1945

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Book cover Politische Streitfragen
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Zusammenfassung

Befreiung oder Niederlage, das war 2010 kein Thema mehr bei den deutschen Gedenkfeiern zum 8. Mai, der in großen Teilen Europas als Ende des 2. Weltkrieges gefeiert wird, obwohl dieser Krieg in Ostasien erst am 9. September endete. Die Befreiungsthese wurde seit 1985 mit der Rede des seinerzeitigen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker im Bundestag zur vorherrschenden geschichtspolitischen Verständnis der Bundesrepublik Deutschland und zugleich zum tragenden Moment ihrer Politik, Verantwortung für die Folgen nationalsozialistischer, deutscher Herrschaft über große Teile Europas zu übernehmen. Sie blieb es auch im vereinigten Deutschland. Die DDR hatte zwar schon seit 1950 den 8. Mai zum Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus erklärt, aber es abgelehnt, Verantwortung für das nationalsozialistische Deutschland mit zu übernehmen. In der Bundesrepublik mußte die Befreiungsthese in einem politischen Lernprozeß und einem Generationswechsel heranreifen.

Ihre große Resonanz im In- und Ausland verdankt die beeindruckende Rede von Weizsäckers der eindrücklichen Darstellung des Leids, den die nationalsozialistische Herrschaft über zahlreiche Völker und gesellschaftliche Gruppen gebracht hatte, außerdem der klaren historischen Ortsbestimmung der Bundesrepublik und der ganzen deutschen Nation, bei der der 8. Mai als Tag der Befreiung auch Deutschlands von der nationalsozialistischen Herrschaft gewürdigt wurde. Die Rede stieß 1985 allerdings nicht nur auf heftige Kritik im rechtsradikalen politischen Lager, sondern auch auf Ablehnung im konservativen Flügel der CDU/CSU. In dem Lob für die Rede bleiben auch noch 25 Jahre danach die fragwürdigen politisch-psychischen Entlastungsfunktionen einiger Passagen über Verstrickung und Schuld außer acht, die die Täterschaft in der Frage des Angriffskrieges und des Massenmords auf wenige Personen einschränken. Bis heute bedarf der Begriff der politischen Schuld weiterer Klärung.

Von der geschichts- und gedenkpolitischen Deutung zu unterscheiden sind die tatsächlichen Vorgänge rund um den 8. Mai. Befreit fühlen konnten sich die unterworfenen Völker und die Gefangenen in deutschen Konzentrations- und Kriegsgefangenenlagern, Zuchthäusern und Gefängnissen sowie die Zwangsarbeiter. Für Millionen andere Deutsche hingegen war das Kriegsende der Beginn von jahrelanger Kriegsgefangenschaft, Flucht, Vertreibung, Haft und Hunger, die häufig auch den Tod mit sich brachten. Weithin wurde aber das Kriegsende mit Erleichterung begrüßt. Die Deutschland besetzenden Truppen hatten Deutschland besiegen wollen; sie kamen nicht als Befreier. Die Widersprüchlichkeit des Geschehens sollte nicht aus dem historischen Wissen über die Ereignisse um die Niederlage des Nationalsozialismus wie des Deutschen Reiches gestrichen werden.

Vorlesung vom 17. Mai 2010 in Frankfurt und vom 2. Mai 2005 in Mannheim.

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© 2012 VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH

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Jahn, E. (2012). Nochmals: Niederlage oder Befreiung am 8. Mai 1945. In: Politische Streitfragen. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-94312-1_6

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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