Auszug
Unter der Frage „Was sollen Abiturienten für das Studium mitbringen?“ verbirgt sich die alte Frage nach der (allgemeinen) Studierfähigkeit und — im deutschen Bildungssystem — nach deren Gewährleistung durch die von der Schule zu vermittelnde Allgemeine Hochschulreife. Mit der Verkoppelung dieser beiden Fragen droht allerdings, darauf muss sogleich hingewiesen werden, eine doppelte Blickverengung:
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− Auf das Studium wird man nicht nur durch die Schule vorbereitet, sondern ebenfalls, wie gut auch immer, durch „das Leben“. Wie und worin jemand sich außerhalb der Schule selbst gebildet hat, was er oder sie an Erfahrungen durch Jobs in der Arbeitswelt oder bei sozialem Engagement gesammelt hat, könnte für die Studierfähigkeit, wie wir sie verstehen (s.u.), mindestens ebenso folgenreich sein. Bei Auswahlverfahren der Hochschulen, die über das Abiturzeugnis hinausgreifen, kann und sollte dergleichen auch zusätzlich berücksichtigt werden.
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− Das Gymnasium soll nicht nur auf das Studium vorbereiten, sein Erfolg nicht nur an jenem gemessen werden, sondern, soweit der Schule überhaupt möglich, auf das Leben, „Kompetenzen“ dafür vermitteln, and der Kultur teilzuhaben und „eine positive Rolle als Bürgerin der Gesellschaft zu spielen“ (Klieme 2003, 180f.). Dies gilt schon deswegen, weil nicht alle Abiturienten studieren; die Studierquote liegt in Deutschland ein halbes Jahr nach dem Abitur mit knapp 70% niedrig und sank in den letzten Jahren leicht ab, besonders bei den sozial Schwächeren (vgl. Heine/Willich 2006). Es gilt aber vor allem, weil „Studierfähigkeit“ den Auftrag des Gymnasiums auf eine Qualifikation für eine bestimmte Verwendungssituation verengen würde. Als dessen Ziel sollte aber weiterhin Bildung als Entwicklung der ganzen Persönlichkeit um ihrer selbst willen gelten und, speziell in der Oberstufe, Wissenschaftspropädeutik, die auf Leben und Arbeit in der verwissenschaftlichten Gesellschaft, nicht nur im Studium, vorbereitet.
Die ersten Teile dieses Beitrages sind weitgehend identisch mit dem Text, den ich unter dem Titel Kompetenzen für das Studium — „Studierfähigkeit“ zu einer ebenfalls im Frühjahr 2008 veranstalteten Tagung des Oberstufen-Kollegs in Bielefeld zum Thema „Übergänge“ und zu deren Publikation (vgl. Asdonk u.a. 2009, noch in Vorbereitung) beizutragen hatte. Unter den Folgerungen (Teil 3.) ist hier der Abschnitt über basale Fähigkeiten stärker, andere weniger ausge führt.
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Huber, L. (2009). Von „basalen Fähigkeiten“ bis „vertiefte Allgemeinbildung“: Was sollen Abiturientinnen und Abiturienten für das Studium mitbringen?. In: Bosse, D. (eds) Gymnasiale Bildung zwischen Kompetenzorientierung und Kulturarbeit. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91485-5_8
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