Auszug
Neben „Klasse“ und „Rasse“ gehört seit dem späten 19./frühen 20. Jahrhundert auch „Jugend“ zu jenen „Fahnenwörtern“, die — jeweils vielfältig mit ausgreifenden Deutungen aufgeladen und dementsprechend bei den Zeitgenossen zum Teil höchst wirkungsmächtig — diverse vorwärtsdrängende „Bewegungen“ stimulierten. Dass die genannten Begriffe diese Rolle zu spielen vermochten, hing nicht zuletzt damit zusammen, dass die verschiedenen miteinander lebenden Generationen mit ihnen — je nach der Art der Verarbeitung der ihre Generationalität in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts prägenden Umbrucherfahrungen — in unterschiedlicher, teils ausdrücklich kontroverser Weise Sinngebungen, Handlungsperspektiven, Bedrohungsszenarien, Abgrenzungsstrategien u.ä. verbinden konnten. Mehrmals im 20. Jahrhundert, wenn der Zeitgeist zwischen massiven kollektiven Verunsicherungsgefühlen einerseits, Erlösungssehnsüchten andererseits pendelte und in diesem Kontext die unterschiedlichen Generationalitäten aufeinander stießen, hat „Jugend“ als Chiffre für ein breites Ensemble von Zuschreibungen gedient. Vor allem in den für die Weichenstellungen in Richtung NS-Regime entscheidenden Jahren um 1930 war „Jugend“ bzw. „junge Generation“ in den Debatten um die Zukunft von Nation, Volk und Bevölkerung zwar nicht der einzige, aber doch ein Schlüsselbegriff von nicht zu unterschätzender gerade auch demagogischer Wirkung.
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Reulecke, J. (2007). Jugend und „junge Generationen“ um 1930: Gerhard Mackenroths generationelle Ortsbestimmung als 30-Jähriger. In: Ehmer, J., Ferdinand, U., Reulecke, J. (eds) Herausforderung Bevölkerung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90653-9_18
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