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Abgrenzung: Rechts- oder Verfassungsstaat?

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Der Demokratische Verfassungsstaat
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Zusammenfassung

Wir sind es gewohnt, Staats- und Regierungsformen danach zu klassifizieren, in wessen Händen die Herrschaftsgewalt liegt, z. B. in denen eines Tyrannen oder Fürsten, des Adels, einer Elite, einer Klasse oder denen des Volkes. Doch schon inmitten der Überlegungen zu solchen Herrschaftsformen findet sich bei dem griechischen Philosophen Aristoteles (384–322 v.Chr.) die These, dass es im Grunde besser wäre, wenn gar nicht Menschen, sondern Gesetze regieren würden. Denn das Gesetz sei „eine Vernunft ohne Streben“. Im Lauf der Zeit immer weiter verbessert sei es das geronnene Wissen Vieler und überbrücke so das Problem, dass ein Mensch weder alles wissen könne noch unfehlbar sei. Außerdem erziehe das Gesetz den Menschen, indem es ihn hindere, aus persönlicher Abneigung oder Gunst zu handeln, den Bürger ebenso wie den Inhaber eines öffentlichen Amtes. Nur dort, wo Gesetze nicht alles im Voraus regeln könnten, solle die freie Entscheidung von Menschen ihren legitimen Platz haben. Dabei geben aber Gesetze vor, durch wen und nach welchen Grundsätzen diese Entscheidungen getroffen werden sollen. Über 2000 Jahre später wird hierfür im angloamerikanischen Raum die Formel „a government of laws and not of men“ geprägt, im deutschen Sprachraum der Begriff „Rechtsstaat“ und im französischen der Begriff „Etat de droit“. Ihnen allen liegt die Idee zugrunde, dass die mangelnde Erkenntnisfähigkeit, Fehlbarkeit und Verführbarkeit des Menschen eine weitgehende Einhegung ihrer Entscheidungsfreiheit durch feststehende allgemeine Regeln erforderlich machen. Die so installierte Herrschaft des Rechts

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Notes

  1. 1.

    Aristoteles 2003 III, 1287a, S 33.

  2. 2.

    Ebd., 1287a-b.

  3. 3.

    So die Formel in der von John Adams verfassten Verfassung von Massachusetts von 1780, Teil I, Art. XXX. Gebräuchlich ist im angloamerikanischen Diskurs des 18. Jahrhunderts auch der Begriff „an empire of laws and not of men“. Vgl. zur Herrschaft des Rechts als Kerngedanke verschiedener Ordnungsformen Grote 1999, S. 270 f.

  4. 4.

    Dicey 2002, S. 273 f.

  5. 5.

    Vgl. die noch weiter ausdifferenzierte Typologie bei Martin Kriele 1988, S. 104 f. Er entwirft eine logische Stufenfolge, bei der die jeweils höhere Stufe die wesentlichen (wenngleich nicht immer alle) Elemente der unteren Stufen einschließt und zusätzliche Elemente beisteuert. Diese Stufen lauten: 1) Formaler Gesetzesstaat, 2) Materieller Rechtsstaat, 3) Rechtswegestaat, 4) Gewaltenteilender Verfassungsstaat und 5) Parlamentarischer Verfassungsstaat.

  6. 6.

    Die zentralen Punkte – erschwert änderbare Verfassung und Verfassungsgerichtsbarkeit – als wesentliche Voraussetzung des Vorrangs der Verfassung betont z. B. auch Möllers 2008, S. 136.

  7. 7.

    Vgl. hierzu ausführlich Enzmann 2009, S. 12, 23–43, Wahl 2001b.

  8. 8.

    Hierzu besonders Hofmann 1996.

  9. 9.

    Dagegen Harvey und Bather 1978. Sie meinen, dass die rule of law allenfalls als formaler Rechtsstaat gelten kann.

  10. 10.

    Vgl. Enzmann 2009, S. 38 ff.

  11. 11.

    Vgl. Haines 1973.

  12. 12.

    Z. B. Lauth 2001.

  13. 13.

    Vgl. Merkel et al 2003, S. 15, 66.

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© 2012 VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden

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Enzmann, B. (2012). Abgrenzung: Rechts- oder Verfassungsstaat?. In: Der Demokratische Verfassungsstaat. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-18952-9_1

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-18952-9_1

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-531-18026-7

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