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Wenn Übersetzen statt hat

Die Philosophie in ihrer Nationalsprache

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Zusammenfassung

Das ist, Sie wissen es, der vorletzte Absatz des Discours de la Méthode. Er ist französisch geschrieben; das versteht sich von selbst, ist aber nicht unproblematisch. Denn sein Präsens („ich schreibe französisch“) ist gleichzeitig feststellend (Sie sehen, was ich tue, ich beschreibe es) und performativ (ich tue, was ich sage, die feststellende Beschreibung ist selbst französisch geschrieben, ich habe mich darauf eingelassen, ich verspreche es gerade jetzt und gleichzeitig halte ich mein Versprechen). Diese Gleichzeitigkeit, diese Dichte der Gegenwarten kündigt Probleme der Übersetzung an, denen wir unzweifelhaft bald begegnen werden. Eigentlich stellen sie sich mir schon in dem Moment, in dem ich dieses Seminar in meiner Sprache, dem Französischen, vorbereite, während ich weiß, daß ich es nach der Übersetzung auf Englisch werde halten müssen. Aber diesen Problemen begegnet man nicht wie Zufällen oder äußeren Beschränkungen; sie enthüllen die Struktur und die Implikationen eines Ereignisses wie desjenigen, das uns gegenwärtig beschäftigt. Was geht vor, wenn Descartes schreibt, um sich zu rechtfertigen, um bei bestimmten Adressaten, die zugleich Richter sind, für seine Sache zu plädieren: „Wenn ich ferner französisch schreibe, die Sprache meines Landes, und nicht lateinisch, die Sprache meiner Lehrer, so deshalb...usw.“?

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Manuskript eines Vortrages mit dem Titel: „S’il y a lieu de traduire. La philosophie dans sa langue nationale (vers une „licterature en françois“)“, den Jacques Derrida 1985 im Rahmen eines Seminars in Toronto, in englischer Übersetzung gehalten hat. Anm. d. Hgg.

Wenn ich ferner französisch schreibe, die Sprache meines Landes, und nicht lateinisch, die Sprache meiner Lehrer, so deshalb, weil ich hoffe, daß Leute, die sich nur ihrer ganz unverfälschten natürlichen Vernunft bedienen, besser über meine Ansichten urteilen werden als solche, die nur den Schriften der Alten glauben; und was die betrifft, bei denen sich gesunder Verstand mit Gelehrsamkeit verbindet und die allein ich mir zu meinen Richtern wünsche, so werden diese sicherlich nicht so parteiisch fürs Lateinische eingenommen sein, daß sie sich weigern, meine Gründe zu hören, weil ich sie in der Volkssprache vortrage.2

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Anmerkungen

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Friedrich A. Kittler Manfred Schneider Samuel Weber

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© 1990 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen

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Derrida, J. (1990). Wenn Übersetzen statt hat. In: Kittler, F.A., Schneider, M., Weber, S. (eds) Diskursanalysen 2: Institution Universität. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-96997-2_2

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-96997-2_2

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

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