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Kardinaltugenden der Evolutionstheorie

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Book cover Gerechtigkeit als Zufall
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Auszug

Die römischen Kardinaltugenden lauten prudentia, sapientia, fortidudo und temperantia. Sie konditionieren auf das rechte Maß, auf Zurückhaltung und Einstandsbereitschaft, auf Urteilsfähigkeit und Verweigerungsschläue. Wenn Theorien Kardinaltugenden haben, dann liegen sie nicht in der Fähigkeit zur Feststellung sondern darin, drehen und wenden zu können. Handelt es sich um Amplifikationstheorien, dann können ihre Tugenden das Beobachtete plastischer machen und verstärken. Handelt es sich um Reflexionstheorien, machen ihre Tugenden beobachtete Impulse besser abwendbar. Man kann sich sowohl mit Amplifikations- als auch mit Reflexionstheorien dann irgendwie festlegen oder sich überlegen, ob man sich lieber doch nicht festlegen möchte. Die Kardinaltugenden der Theorie bereiten das vor, übernehmen es aber nicht. Das sind freilich sehr allgemeine Vorzüge, aber anhand einzelner Theorien lässt sich bestimmen, wie Kardinaltugenden konkret aussehen. Denn jede Theorie dreht und wendet die Dinge um bestimmte Punkte herum. Die Kardinaltugenden der Evolutionstheorie sind nicht ihre Grundlagen, es sind eher Formen teleonomisch fruchtbarer Polemik, die die Theorie so tugendhaft machen. Sie hängen mit einer Besonderheit in der Entwicklung des Begriffs der Autopoiesis zusammen, der über den Einfluss der Biologie ab der zweiten Hälfte der 1970er Jahre, vermittelt über die Systemtheorie und ihr Interesse an Evolution Eingang in die Rechtswissenschaft gefunden hat und seit dem mit dem Begriff der Autonomie konkurriert

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Literatur

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(2007). Kardinaltugenden der Evolutionstheorie. In: Gerechtigkeit als Zufall. TRACE Transmission in Rhetorics, Arts and Cultural Evolution. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-211-71689-2_5

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