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Gewalt gegen Polizisten: Dramatischer Anstieg oder Veränderung aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen?

Eine Untersuchung für den Freistaat Sachsen über 10 Jahre

Violence against Police Officers: Dramatic Increase or Developments by Social Change?

An Analysis of 10 Years for the Federal State of Saxony

  • Published:
Soziale Probleme

Zusammenfassung

Die Untersuchung zeigt in einer Fallstudie für den Freistaat Sachsen, dass die registrierten Fälle von Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte in den letzten Jahren gestiegen sind. Gegenüber den Darstellungen in den Medien zeigt sich aber auch, dass sich die Zunahme der registrierten Fälle schwerpunktmäßig auf Beleidigungen der Beamtinnen und Beamten beziehen und nicht so sehr weniger auf schwerwiegende Gewaltdelikte. Die Analyse machte aber auch deutlich, dass in manchen Fällen auch ein fehlerhaftes Auftreten der eingesetzten Polizeibeamtinnen und -beamten eine Rolle für die Auslösung der Gewaltsituation gespielt hat. Andererseits wird aber auch die Notwendigkeit offensichtlich, die angezeigten Fälle von Gewalt gegen Polizeibeamte im Rahmen einer Dunkelfelduntersuchung mit den sich tatsächlich sich ereigneten Fällen zu vergleichen.

Abstract

This study for the Federal State of Saxony reveals the increase of registered cases of violence against police officers in recent years. This increase of filed cases is rather due to offences relating to insults of an official and less due to serious violent offences. The analysis, however, points out that in some cases improper behaviour of police officers in charge was also one of the factors leading to a violent situation. On the other hand, there is an obvious necessity to compare filed cases of violence against police officers with all actual cases within the scope of an analysis of unreported cases.

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Abb. 1
Abb. 2
Abb. 3

Notes

  1. Vgl. jedenfalls zu einigen solcher Werte: Statistisches Bundesamt unter Internetquelle: [http://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Gesundheit/Gesundheit.html].

  2. In diesem Zusammenhang ist auch der Gesichtspunkt klärungsbedürftig, inwieweit auftretende „Außendefinitionen“ von Gewalt die internen „Arbeitsdefinitionen“ von Gewalt in der Polizei verändern und beeinflussen. Dies soll an einem Beispiel kurz erläutert werden: Bei der Kontrolle eines Parks kommt den Polizeibeamten eine offensichtlich betrunkene oder unter Drogen stehende Person entgegen, die lautstark auf sich aufmerksam macht und mit der einen Hand eine Spritze hin und her schwenkt. Nach einer kurzen Aufforderung an die Person, die Spritze weg zu tun, wird dies auch so befolgt und es folgen keinerlei weitere nennenswerte Reaktionen. Bei der Aufarbeitung des Falles wird der Vorgang nur kurz erwähnt. Aufgrund der Zusammenarbeit mit der Presseabteilung bzw. den Medien wird jedoch bemerkt, dass sich ein solcher „Fall“ auch für eine Presseberichterstattung eignet und dieser folglich als „Angriff mit einer Spritze“ dargestellt. Nach der „Erfolgsmeldung“ in den Medien, die den Inhalt haben könnte, dass die Polizei eine mögliche HIV-Infektion von Unbeteiligten durch ihr schnelles und sorgfältiges Eingreifen verhindert hat, wird zukünftig auf eine solche weitere positive Berichterstattung geschaut werden. In der Folge wird sich im Kollegen- und Kolleginnenkreis herumsprechen, dass M und N sogar in der Presse erwähnt wurden und man wird zukünftig einen solchen Fall nicht als den eines armen Verwirrten behandeln, sondern als „gewalttätigen Angriff“. Neue Gewalt ist definiert, ohne dass sich im Handeln und der „Realität“ etwas verändert hat.

  3. Insbesondere werden dazu große Krawalle bei Demonstrationen, wie z. B. beim „G8-Treffen“ in Heiligendamm, oder bei Fußballspielen, wie zuletzt z. B. das Spiel Borussia Mönchengladbach gegen 1. FC Köln vom 14.2.2015, für solche Aussagen herangezogen, deren Bilder eine große Verbreitung in den Medien erfahren (vgl. so zuletzt: Die Welt vom 16.2.2015, S. 4).

  4. Wobei aus dem Forschungsbericht nicht ersichtlich wird, auf welche Grundgesamtheit sich die Zahlen beziehen, da weder Zeilen- noch Spaltenangaben ersichtlich 100 Prozent ergeben. Auch in den Erläuterungen findet sich dazu kein Hinweis (vgl. Ellrich und Baier 2014, S. 109 ff.).

  5. Angaben wurden durch die Auswertung des PASS-Auskunftssystem zu Einzelinformationen (Fallerfassungssystem) im Freistaat Sachsen erhoben (Internetquelle: [www.polizei. sachsen.de/de/ 9827.htm]).

  6. Als Vermutung für diesen hohen Wert könnten eventuell die Krawalle auf den Dresdner Elbwiesen bei den Auseinandersetzungen zwischen Neonazis und Gegendemonstranten verantwortlich sein.

  7. Die Ergebnisse beruhen auf einer im Freistaat Sachsen durchgeführten Untersuchung von 824 Polizeibeamtinnen und -beamten in den allgemeinen schutz- und kriminalpolizeilichen Dienstbereichen in den Jahren 2006 bis 2007 (die Untersuchung bezieht sich auf Angaben von ca. 8 Prozent der aktiven Polizeibediensteten in diesem Jahr; die Rücklaufquote bezogen auf die ausgegebenen Fragebögen lag bei ca. 79 %) und einer Wiederholung im Jahre 2012, die jedoch nur 600 Polizisten umfasste (bei gleicher Verteilung) und einem Rücklauf von ca. 76 Prozent. Bereitschaftspolizeieinheiten wurden in den beiden Untersuchungen nicht befragt. Die statistischen Zahlen beziehen sich jedoch auf die gesamte Polizei im Freistaat Sachsen.

  8. In die Untersuchung von 2012 konnte diese Frage aufgrund noch anderer Inhalte nicht mit einbezogen werden. Aufgrund der interessanten Aussagen werden daher nur die Ergebnisse der Erstuntersuchung hier aufgeführt.

  9. Es soll an dieser Stelle noch an den in der Literatur vielfach – und z. T. noch immer – als problematisch angesehenen Einsatz von Frauen in der Polizei, insbesondere hinsichtlich ihres weniger „kräftigen Körperbaus“ oder auch wegen ihrer „Hilflosigkeit“ in Gefahrensituationen („Frauen handeln kopflos“) erinnert werden, der durch die Ergebnisse gleichfalls „relativiert“ wird (vgl. zu weiteren Nachweisen Müller et al. 2002; Dupres 2010).

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Liebl, K. Gewalt gegen Polizisten: Dramatischer Anstieg oder Veränderung aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen?. SozProb 27, 75–94 (2016). https://doi.org/10.1007/s41059-016-0017-0

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