Wenn die gesundheitlichen Auswirkungen beruflicher Einflussfaktoren untersucht werden sollen, sind zuverlässige Informationen zur beruflichen Belastung von Beschäftigten erforderlich. Im Rahmen von analytischen epidemiologischen Studien können die beruflichen Expositionen qualitativ (z. B. Antworten auf einen Fragebogen zum Vorliegen der Exposition ja/nein), semiquantitativ (z. B. Angaben aus dem Fragebogen zur Höhe und/oder Dauer der Belastung, etwa mit der Einteilung in „selten“, „manchmal“, „häufig“ oder mit der Einteilung in „weniger als 10 Jahre“ und „10 Jahre oder mehr“) oder bestenfalls quantitativ (z. B. über individuelles Biomonitoring) abgeschätzt werden [1]. Entgegen der intuitiven Annahme, dass individuelle Messwerte in jedem Fall besser sind als gruppenbasierte Messwerte (z. B. über eine branchenspezifische Job-Expositions-Matrix, JEM), konnten Tielemanns und Mitarbeiter bereits 1998 für Luftschadstoffe zeigen, dass individuelle Messwerte zwar präziser, nicht jedoch unbedingt valider als gruppenbezogene Messungen die berufliche Exposition abschätzen [2]. Dies heißt aber keinesfalls im Umkehrschluss, dass Job-Expositions-Matrizes ohne Weiteres valide Expositionsschätzer liefern: Tatsächlich können mit der naturgemäß groben Einteilung der Expositionen starke – in der Regel nichtdifferenzielle – Ergebnisverzerrungen verbunden sein.

Die Arbeitsgruppe Epidemiologie in der Arbeitswelt der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM), der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS) und der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP) hat das Thema JEM aufgegriffen, um Möglichkeiten und Grenzen des praktischen JEM-Einsatzes zu verdeutlichen. Unter dem Titel Grundlagen und Anwendungen einer Job-Exposure-Matrix (JEM) zur Abschätzung der beruflichen Belastung in epidemiologischen Studien haben wir im Rahmen des Forums Epidemiologie der DGAUM-Jahrestagung 2016 in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) Referenten eingeladen und mit ihnen und dem Publikum anregend diskutiert. Im Folgenden geben wir einen kurzen Überblick über die referierten und diskutierten Themen. Schriftliche Ausarbeitungen der Beiträge finden sich in der vorliegenden und in einer kommenden Ausgabe des Zentralblatts für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie.

Im einführenden Hauptbeitrag Grundlagen einer Job-Expositions-Matrix – Erstellung und Anwendung führte Dirk Taeger in die Möglichkeiten der Expositionserfassung am Arbeitsplatz ein und zeigte in einer historischen und praktischen Perspektive, welchen Beitrag eine JEM leisten kann und wie man deren Güte überprüfen kann. Im ersten Anwendungsbeispiel aus dem Bereich der inhalativen Schadstoffe stellte Benjamin Kendzia in seinem Beitrag „‚WEM‘ – Aufstellen einer JEM für Schweißarbeitsplätze“ eine branchenspezifische JEM vor. Im zweiten Anwendungsbeispiel aus dem Bereich der physikalischen Arbeitsbelastungen (erscheint in einer kommenden Ausgabe des Zentralblatts) präsentierte Ulrich Bolm-Audorff die Entwicklung einer Job-Expositions-Matrix (JEM) zu Arbeitslärm. Im letzten Beitrag beschäftigten sich Matthias Nübling und Mitarbeiter/innen mit dem Thema: Können die Referenzdaten der COPSOQ-Datenbank für eine JEM zu psychosozialen Arbeitsbelastungen genutzt werden?

Mit den hier vorgestellten Beiträgen möchten wir an die ebenfalls im Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie veröffentlichten Beiträge einer Veranstaltung zum Thema „Erhebungsinstrumente im beruflichen und außerberuflichen Kontext – Validität und praktische Anwendung“ anknüpfen [3] und zur Sicherung guter epidemiologischer Praxis (GEP) in der Arbeitsepidemiologie beitragen. Wir wünschen eine interessante und nützliche Lektüre!