Liebe Leserinnen und Leser,

wir stellen Ihnen mit Heft 02/2016 von „Raumforschung und Raumordnung“ in fünf Beiträgen wieder eine interessante Mischung raumbezogener Themen vor. So werden etwa Fragen eines integrierten Risikomanagements im Bereich der regionalen Planung behandelt. Gleich zwei Artikel wenden sich der Beschreibung und Erklärung von Mobilitäts- und Wanderungsverhalten zu und im Zusammenhang damit auch beruflich bedingten Reaktionen wie z. B. Pendelentscheidungen oder Wohnstandortverlagerungen. Ein heimlicher „Evergreen“ raumbezogener Forschung – König Fußball – kommt in dieser Ausgabe ebenfalls einmal explizit zu Wort. Schließlich werden die Auswirkungen des wachsenden Online-Handels auf die innerstädtischen Lagen und die Aussichten des dortigen Einzelhandels in ihrem Wechselverhältnis diskutiert.

Zunächst berichten Stefan Greiving, Andrea Hartz, Florian Hurth und Sascha Saad aus einer anwendungsbezogenen Studie zur „Risikovorsorge in der räumlichen Planung“. Sie beruht auf einem MORO-Forschungsprojekt („Modellvorhaben der Raumordnung“) mit der Bezirksregierung des Regierungsbezirks Köln. Als regionalplanerisch relevante Risiken wurden im Projekt die vier Gefahrenkomplexe Flusshochwasser, Erdbeben, technische Störfälle und Hitze untersucht. Das sind Beispiele für raumbedeutsame Gefährdungen, die in ihren Auswirkungen eine überörtliche bzw. überfachliche Betrachtung und Beurteilung erfordern; auch sind die zu ergreifenden Strategien zur Vermeidung bzw. Bewältigung überörtlich und überfachlich zu erarbeiten. Im Projekt wurde ein integrierter Ansatz zur Risikovorsorge im Rahmen der Regionalplanung entwickelt, angewendet und dokumentiert. Das erfolgte unter besonderer Berücksichtigung der Belange von kritischen Infrastrukturen und in kontinuierlicher Zusammenarbeit mit den späteren „Nutzern“ dieser Planung. Die ausgewählten raumrelevanten Risiken wurden dabei anhand ihrer voraussichtlichen Eintrittswahrscheinlichkeit bzw. -häufigkeit, dem mutmaßlichen Ausmaß der Schadeinwirkung und der Empfindlichkeit bzw. der Schutzwürdigkeit der betroffenen Raumnutzungen klassifiziert. Neben solchen Bausteinen für die Erarbeitung eines Risikoprofils für gefährdete Regionen (u. a. auch in Form von Karten) gehört zu den Ergebnissen der Studie ferner ein „Fahrplan“ für ein integriertes Risikomanagement.

Berufsbedingtes Pendeln betrifft heute zunehmend mehr Beschäftigte. Die Anforderungen an die Mobilität von Beschäftigten steigen und auch die Arbeitswelt insgesamt wird mobiler. Volker Kotte untersucht in „Hamburg in Bewegung“ anhand eines umfangreichen Datensatzes (er enthält Angaben zu den Berufsverläufen von 728.450 Beschäftigten, die am 30.06.2000 einen Arbeits- oder einen Wohnort in Hamburg hatten) die räumliche Mobilität unter sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Hamburg. Aus den Personendaten w urden nach der jeweiligen Wohnort-Arbeitsort-Kombination drei Gruppen gebildet – die Einpendler, Auspendler und Nichtpendler. Diese Gruppen wurden über einen Zeitraum von fast 13 Jahren vergleichend betrachtet, die Veränderungen ihrer Wohn- bzw. Arbeitsorte im Zeitverlauf ausgewertet und so unterschiedliche Verhaltensmuster und Verlaufsformen gegenwärtiger Mobilität herausgearbeitet. Im Zentrum steht die Untersuchung des Zusammenhanges zwischen Pendeln bzw. Nichtpendeln und dem Arbeitsmarkterfolg. Dieser wird (positiv) als eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder (negativ) als registrierte Arbeitslosigkeit gefasst. Zentrales Ergebnis ist zunächst die überraschend große Konstanz der Pendlergruppen („Einpendler bleiben Einpendler, Nichtpendler bleiben Nichtpendler“). Außerdem zeigt sich, dass räumliche Mobilität zwar einen positiven Bezug zur Arbeitsmarktintegration aufweist, die Annahme eines eindeutigen Zusammenhanges wird aber durch die Befunde nicht bestätigt.

Der Beitrag von Joachim Scheiner beschäftigt sich mit intraregionalen Wanderungsprozessen und Suburbanisierungsmustern; aus einer auf Haushalte bezogenen Perspektive werden dabei Geschlechter-Gesichtspunkte besonders berücksichtigt. Auf der Grundlage einer Stichprobe, die im Umland der Stadt Hagen erhoben wurde und Personen umfasste, die mit oder ohne Partner sowie mit oder ohne Kinder leben, wird in „Randwanderung, Pendeln und Geschlecht in einer polyzentralen Region“ die Pendeldistanz und die Pendeldauer von Frauen und Männern vor und nach einer Wanderung aus der Kernstadt in das Umland untersucht. Es wird danach gefragt, ob das Geschlecht zum Verständnis des Pendelverhaltens beitragen kann und auf Kosten welchen Partners (im Hinblick auf den räumlich bzw. zeitlich gegebenen Pendelaufwand) Paare ihren Wohnstandort gegebenenfalls verlagern. Anhand der Pendeldistanzen auf Haushaltsebene sowie einer Betrachtung der Konfiguration von Wohnstandort und Arbeitsplatzstandorten in Paarhaushalten wird geprüft, ob die Haushalte ihren Pendelaufwand durch den Umzug insgesamt strategisch minimieren, ob die Wohnstandortwahl somit pendeleffizient ist. Dazu wird unter anderem auch ein innovatives Maß der Effizienzbeurteilung diskutiert (die sogenannte „Winkelbetrachtung“); die kumulierte Haushaltspendeldistanz wird als ein weiteres Maß für die Pendeleffizienz der Wanderungsentscheidung hervorgehoben. Im Ergebnis ist erkennbar, dass die Wanderungen auf der Haushaltsebene insgesamt mit dem Versuch einer Verkürzung der Pendelwege einhergehen.

Es ist hinlänglich bekannt, dass gute sportliche Leistungen eines Vereins nicht nur seine wachsende Beliebtheit in der Bevölkerung zur Folge haben, sondern auch beachtliche ökonomische Effekte am jeweiligen Standort auslösen können. Vor diesem Hintergrund untersuchen Rüdiger Hamm, Angelika Jäger und Christina Fischer in „Fußball und Regionalentwicklung“ am Beispiel des Borussia VfL 1900 Mönchengladbach die nachfrage- und angebotsseitigen regionalwirtschaftlichen Effekte eines Fußballvereins aus der ersten Bundesliga. Die Quantifizierung der nachfrageseitigen Effekte (die Summe aus direkten, indirekten und induzierten Effekten) erfolgte mithilfe einer regionalen Multiplikatoranalyse. Außerdem wurden auch die Auswirkungen für die Wahrnehmung, die Bekanntheit und das Image der Standortregion erforscht. Dazu wurden ergänzend Stadion-, Passanten- und Onlinebefragungen durchgeführt. Bei der Auswertung wurden die Befragten entlang der Merkmale „Intensität der Fanbeziehung“ und „Herkunft der Befragten“ in vier Gruppen zusammengefasst, um zu ermitteln, welchen Einfluss die Einschätzungen unterschiedlicher Fangruppen („Heimfans“, „Satellitenfans“, „regionale Nicht-Fans“, „Outsider“) auf die Ergebnisse haben. Die Analyse zeigt, dass die regionalen Wertschöpfungs-, Einkommens- und Beschäftigungseffekte von Borussia Mönchengladbach nicht unerheblich sind und die Einordnung als ein regional wirksames „Unternehmen“ erlauben. Daneben generiert der Verein für seine Standortkommune offenbar auch weitere, monetär nicht quantifizierbare (intangible) Effekte.

Unter dem Titel „Innenstadt und stationärer Einzelhandel – ein unzertrennliches Paar?“ untersucht Martina Stepper mögliche Folgen für die Innenstadtentwicklung und den dortigen Einzelhandel, die sich aus der Konkurrenz durch den boomenden Geschäftsverkehr mittels Internet ergeben. Zusehends werden Produkte von einer wachsenden Zahl an Menschen online und nicht mehr vor Ort im sogenannten stationären Einzelhandel erworben. Es scheint sich just auch um jene Sortimentsbereiche zu handeln, die als innenstadtrelevant gelten. Zumindest in strukturschwachen Städten könnte neben der Laufkundschaft, die an sofortiger Verfügbarkeit interessiert ist, bald auch die andere wichtige Zielgruppe des Einzelhandels ausbleiben – nämlich die beratungsbedürftigen und qualitätsbewussten Käufe rinnen und Käufer. Auch sie wissen inzwischen die Vorteile des Online-Shoppings zu schätzen. Zurückgehende Einzelhandelsumsätze, nachlassende Flächennachfrage und in der Folge ein Rückgang bei der Anzahl der Geschäfte könnten einen „Trading-Down“-Kreislauf in Gang setzen, der mit sinkenden Mietpreisen beginnt und letztlich bei Leerständen endet. Noch spricht die Verteilung der Umsätze auf die verschiedenen Handelskanäle allerdings eine andere Sprache; der absolute Anteil der Güter, die auf den virtuellen Marktplätzen gehandelt werden, wächst – aber von einem niedrigen Niveau aus. Digitale Neuerungen stehen allen Handelspartnern offen. Anstrengungen zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität in innerstädtischen Einzelhandelslagen sollten gleichwohl erfolgen. Sie kön nten auch die lokale Integration digitaler Medien zur interaktiven Einkaufsunterstützung vor Ort mit einschließen, sie sollten sich aber nach Möglichkeit nicht alleine darauf beschränken. Einkaufen ("Shopping") ist immer mehr auch eine Freizeitbeschäftigung. So könnten auch andere Freizeitbeschäftigungen in Innenstädten angeregt oder Treffpunkte dafür eingerichtet werden.

Ich wünsche Ihnen eine ertragreiche Lektüre mit diesem Heft.