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Empirische Befunde zu Beeinflussungsversuchen bei Schiedsrichtern im Amateurfußball

Empirical findings on attempts to influence referees in amateur soccer

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Zusammenfassung

Wettbewerbsverzerrung und Spielmanipulationen sind in den vergangenen Jahren immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Entdeckte Spielmanipulationen beeinflussen die Integrität des Fußballs. Im Bereich des Profifußballs gibt es bekannte Fälle, wie bspw. den Calciopoli-Skandal in Italien oder den Fall des deutschen Fußballschiedsrichter Robert Hoyzer, bei denen Schiedsrichter an Spielmanipulationen beteiligt waren. Bisher ist allerdings wenig darüber bekannt, wie häufig in deutschen Amateurfußballligen versucht wird, Einfluss auf den Schiedsrichter und dessen Entscheidungen zu nehmen. Daten aus einer groß angelegten Schiedsrichterbefragung (n = 4813) zeigen, dass rund 10 % der Schiedsrichter im Amateurbereich bereits angesprochen wurden und versucht wurde durch Anbieten von Geld oder Sachleistungen Einfluss auf sie und ihre Entscheidungen einzuwirken. Logistische Regressionen zeigen verschiedene Korrelate für die Ansprache auf Spielmanipulationen durch Bieten von Geld oder Sachleistungen. So steigt u. a. die Wahrscheinlichkeit der Ansprache mit der Dauer der Tätigkeit und der Anzahl der Spiele, die pro Jahr geleitet werden und sinkt mit dem Alter.

Abstract

In recent years unfair competition and match fixing have become an increasing focus of public attention. Uncovered instances of match fixing influence the integrity of football. In the field of professional football there are well-known cases, such as the Calciopoli scandal in Italy and the case of the German referee Robert Hoyzer, where referees were involved in match fixing. However, so far little is known about how often attempts are made to influence referees and their decisions in amateur football in Germany. Data from a large scale survey of referees (n = 4813) showed that approximately 10 % of referees in amateur football have already been approached in an attempt to influence their decisions by offers of money or non-cash benefits. Results of logistic regressions show various correlats of being approached for match fixing by offers of money or non-cash benefits. The probability of being approached increases with the duration of referee activity, the number of games refereed per year, and decreases with age.

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Notes

  1. Neben sportwettbewerblichen Spielmanipulationen sind auch sportpolitische Manipulationen, bei der es um die Konsequenz, mit der Wettbewerbsverzerrungen verbandsseitig verfolgt werden (zum Entscheidungskalkül auf Organisationsseite, s. Emrich et al. 2014), oder auch die Vergabe von Turnieren und Übertragungsrechten geht (vgl. Sale 2015), denkbar.

  2. Auch andere Formen der Einflussnahme, z. B. die Androhung körperlicher Gewalt, sind denkbar. Auf diese Fälle wird nicht weiter eingegangen (zur Betrachtung der Opferwerdung von Schiedsrichtern siehe Vester 2013; Rullang et al. 2015b).

  3. Grundsätzlich begibt sich der Bestechende zu Beginn der Interaktion kurzzeitig in die schwächere Position (Emrich 2006), da er, wenn der zu Bestechende den Bestechungsversuch zurückweist, damit rechnen muss, dass dieser den Versuch offen legt. Daher ist es, insbesondere beim ersten Versuch, wichtig die, vor allem zu Beginn nicht-monetäre „Gabe“ zu verschleiern und den Mechanismus der Gabe und Gegengabe und den damit verbundenen sozialen Druck im Sinne der Anfütterung auszunutzen (vgl. Emrich 2006). Demgegenüber verkürzt die Geldzahlung diese Phase und erhöht das Risiko der Zurückweisung, was wiederum nur vermieden werden kann durch Bestimmung einer in der Höhe optimierten Summe, was wiederum beim Bestecher hohe Erfahrung voraussetzt. Alternativ kann in Spitzenspielen, wo es um höchste Summen geht, möglicherweise auch die Summe durch gleichzeitigen Einsatz von Machtmitteln (Erpressung in Form von Drohungen mit einem Übel) reduziert werden, was allerdings aufgrund der damit verknüpften Risiken abhängig vom Kulturkreis und dem dort vorherrschenden Ausmaß der Ächtung von Gewalt selten sein dürfte.

  4. Neben der Konkurrenz und Kooperation/Assoziation zwischen den Mannschaften ist diese auch bei den Schiedsrichtern anzunehmen. Diese sind innerhalb einer Schiedsrichtergemeinschaft vereinigt, in der meist eine starke Kooperation vorherrscht, in der es aber auch, je nach System, eine Konkurrenzorientierung gibt, vor allem wenn die durch Verbandsbeobachter bewerteten Leistungen über den Aufstieg der Schiedsrichter in eine höhere Liga entscheiden.

  5. Damit erinnert dieses Verhalten, wenn man dem ewigen Verlierer auch einmal den Sieg gönnt, an das Speerspiel der Tikopier auf Tikopiah, wo der Sieger am Ende die Dorfgemeinschaft einlädt, um den sozialen Frieden zu erhalten (s. Firth 1976). Ähnliches galt lange Zeit für chinesische Tischtennismannschafen, die in Zeiten ihrer enormen Überlegenheit häufig den ersten Satz ihrem Gegner „abgaben“, bevor sie gewannen, was darauf hindeutet, dass sie Kooperation im Verhältnis zur Konkurrenz eine hohe Bedeutung zuwiesen.

  6. Demgegenüber ist das Fahren von in der Zeit submaximal schnellen Rundenzeiten durch das aktuelle Formel 1-Mercedes Werksteam, die je nach Bedarf durch extrem schnelle Rundenzeiten abgelöst werden können, eher der Versuch, den Wettbewerb spannend zu halten und wohl weniger eine wertrationale Handlung zur Bewahrung des sozialen Friedens in der Formel 1. Dazu ist das Konkurrenzprinzip dort wohl zu dominant.

  7. Zur Randomized Response-Technik mit Cheater-Detection siehe Feth et al. (2014), für eine Anwendung im Bereich des Dopings siehe Pitsch und Emrich (2012).

  8. Zum Karriereaspekt und zur Beeinflussbarkeit von Schiedsrichtern im Calciopoli-Skandal siehe Boeri und Severgnini (2011).

  9. Die Kategorie „noch nie“ entspricht der ursprünglichen Kategorie „noch nie“; „selten“ wurde generiert aus „kam schon einmal vor“ und „kommt selten vor“; „häufig“ wurde generiert aus „kommt häufiger vor“ und „kommt regelmäßig vor“.

  10. Die Frage nach der Planmäßigkeit der Schiedsrichterkarriere bezog sich auf die individuelle Beurteilung des Karriereverlaufs. Schiedsrichter werden in ausgewählten Spielen beobachtet und bewertet. Diese Bewertungen und weitere Faktoren (wie z. B. Häufigkeiten des Besuchs von Lehrabenden, Anzahl der Einsätze, etc.) fließen in die Auf- und Abstiegsentscheidungen von Schiedsrichtern mit ein. Da es in den Landes- und Kreisverbänden zum Teil unterschiedliche Verläufe gibt, kann die Planmäßigkeit nicht objektiv bewertet und dargestellt werden.

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Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.

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Rullang, C., Gassmann, F., Emrich, E. et al. Empirische Befunde zu Beeinflussungsversuchen bei Schiedsrichtern im Amateurfußball. Sportwiss 46, 232–240 (2016). https://doi.org/10.1007/s12662-016-0409-0

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